# taz.de -- Berichterstattung über Schumacher: Ihr wollt es doch auch | |
> Corinna Schumacher bittet die Journalisten um Zurückhaltung. Doch niemand | |
> fühlt sich angesprochen. Sie bedienen das Interesse ihres Publikums. | |
Bild: Michael Schumacher ist nicht mehr im Koma. | |
Noch nie haben es einem so viele Medien so leicht gemacht, sie zu | |
kritisieren. Da richtet Corinna Schumacher, die Ehefrau des schwer | |
verunglückten Michael, am Dienstag einen Appell an die Journalisten: | |
„Verlassen Sie die Klinik.“ Und was liest man davon am nächsten Tag in der | |
gedruckten Bild? Nichts. Wäre ja auch zu peinlich gewesen, standen tags | |
zuvor noch drei AutorInnen unter der Ortsmarke „Aus Grenoble berichten“. | |
Vor dem Krankenhaus harrten bis vor Kurzem Scharen von Journalisten aus, | |
diverse Übertragungswagen standen an den Straßenrändern, Liveschalten zu | |
allen Zeiten in alle Länder. Selbst Kollegen, die vor Ort waren, hätten zu | |
dieser Zeit in diesem Krankenhaus nicht Patient sein wollen. | |
Am Mittwoch war es wieder so. Diesmal standen die Ü-Wagen nicht in | |
Grenoble, sondern vor dem Justizpalast im eine Autostunde entfernten | |
Albertville. Der Staatsanwalt und fünf Polizisten gaben Auskunft zum Stand | |
der Ermittlungen. | |
Der Erkenntnisgewinn war trotz knapp 10 Minuten Ausführungen des | |
Staatsanwalts und 25 Fragestellern gering. Acht Meter abseits der | |
eigentlichen Piste ist Schumacher auf einen Stein gestürzt. Zu schnell war | |
er wohl nicht, die Pistenmarkierungen sollen auch in Ordnung gewesen sein. | |
## Dabeisein ist alles | |
Dennoch berichten so viele. Es geht häufig nicht um neue Nachrichten, | |
sondern darum, den Zuschauern zu vermitteln: „Wir sind da, wenn etwas | |
passiert. Bei uns verpasst ihr nichts.“ Auch wenn das natürlich Quatsch | |
ist, eben weil nichts passiert. Dafür gibt es von vielen Seiten Dresche. | |
Doch was ist die Alternative? Sollten Medien nicht über Schumachers Unfall | |
berichten? Eindeutig: Nein. | |
Der Sturz und seine Folgen sind interessant – jede Theorie, die in den | |
vergangenen hundert Jahren über das Wesen der Nachricht aufgestellt wurde, | |
kann da gerne zum Abgleich herangezogen werden. Man kommt nicht umhin, | |
anzuerkennen, dass der Skiunfall des prominenten Rennfahrers, den nicht | |
wenige schätzen, ein berichtenswertes Ereignis ist. | |
Überdies scheint Schumachers Unfall auf großes Interesse beim Publikum zu | |
stoßen. Es mag zwar perfide klingen, aber in Zeiten, in denen wir | |
sekündlich Quoten und Klicks nachvollziehen können, ist ein uninteressantes | |
Thema schneller weg von den Bildschirmen als es das womöglich verdient | |
hätte. | |
## Augen zu beim Zeigefinger | |
Hoher Nachrichtenwert trifft also auf hohes Interesse. Wie anmaßend wäre es | |
in einem solchen Moment, wenn die Medienvertreter sich nun hinstellten und | |
den Lehrer des Volkes spielten: Das hat euch nicht zu interessieren. | |
Das eigentlich Schlimme ist, dass sich durch den Appell von Corinna | |
Schumacher keines der in den letzten Tagen mit Dauerberichterstattung | |
auffälligen Medien angesprochen fühlt. Es wird über ihren Brief berichtet, | |
der Zeigefinger wird aber geflissentlich übersehen. Gespielt wird neutrale | |
Berichterstattung. | |
Die Medien sollten sich dieser Diskussion stellen. Es sprechen gute | |
Argumente gegen die anhaltende Dauerberichterstattung. Doch es sprechen | |
ebenso gute für die Berichte über Schumachers Unfall. Zumindest so lange | |
sie nicht übertrieben effekthaschend, erlogen oder unter moralisch nicht | |
vertretbaren Umständen zutage gefördert wurden. | |
„Ich stehe dazu, dass wir vor Ort sind“, schrieb „Tagesschau“-Chef Kai | |
Gniffke am 2. Januar, nachdem seine Sendung dafür kritisiert wurde, | |
Schumacher an erster Stelle zu melden. „Denn es ist nicht verwerflich, über | |
das Schicksal von Schumacher zu berichten – es kommt auf das Wie an.“ Das | |
gilt auch eine Woche später noch. | |
8 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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