# taz.de -- Neustart des Nordwestradios: Kurzweil auf der Kulturwelle | |
> Das Nordwestradio hofft, sich neu erfunden zu haben, und klingt dabei gar | |
> nicht mal schlecht. Der Wortanteil verteilt sich nun auf kleinere | |
> Portionen. | |
Bild: Mit geänderter Musikfarbe und "dynamisiertem" Wortprogramm soll das Nord… | |
„Positiv überrascht“ sei er, sagt Carsten Werner, kultur- und | |
medienpolitischer Sprecher der Grünen, in Bezug auf den Neustart des | |
Nordwestradio (NWR). Am Dienstag war dessen Sendestart in neuem Gewand, die | |
Grund- und Trägerstruktur hat sich jedoch nicht verändert. | |
Seit das alte Radio Bremen 2, bis 2001 die hiesige Kulturwelle, vor dem | |
Hintergrund des geänderten ARD-Finanzausgleichs als nicht mehr finanzierbar | |
galt, sitzt der NDR mit im Boot. Als Folge umfasst das Berichtsgebiet neben | |
Bremen auch das nordwestliche Niedersachsen, wobei anfangs die Regel galt: | |
Das Programm besteht aus 30 Prozent Bremen und 70 Prozent Niedersachsen. | |
Das damalige Entsetzen der Bremer Kulturszene hat sich mittlerweile | |
relativiert. „Da hat sich was einigermaßen Ordentliches | |
herauskristallisiert, das man sich anhören kann“, sagt sogar Regina | |
Dietzold, Sprecherin der Initiative „Hörsturz“, die sich zur Unterstützung | |
von Bremen 2 gegründet hatte. Den aktuellen Relaunch bewertet Dietzold | |
allerdings als „Rückschritt“, weil das Programm wieder „häppchenförmig… | |
geworden sei. | |
Im Bereich der längeren Wortformate wie Reportage, Hörspiel und Feature | |
würde sich auch Werner „mehr“ wünschen. Das neue Sendekonzept – bei Rad… | |
Bremen sogar als „neue Ära“ betitelt – soll „die Stärken populärer | |
Radiowellen mit einer Schwäche für gute Unterhaltung verbinden“. Schlichter | |
ausgedrückt: Im Wesentlichen hat sich die Musikfarbe geändert und das | |
Wortprogramm gilt als „dynamisiert“. Es gebe nun 50 Prozent mehr | |
Themenplätze, heißt es. 48 Wortzeiten pro Tag sind in der Tat eine sehr | |
ordentliche Info-Quote, zumal die Nachrichten da noch nicht mitgezählt sind | |
– andere Wellen erfassen fleißig jede Wetter- und Staumeldung, um ihre | |
Wortbilanz aufzuhübschen. | |
Andererseits sind die Beiträge kürzer als zuvor. In der Summe, versichert | |
Programmdirektor Jan Weyrauch, gelten jedoch weiterhin die bisherige Quoten | |
von 40 Prozent Wort zu 60 Prozent Musik. | |
Die Ankündigung, das Programm solle „dialogischer“ werden, wird vor allem | |
dadurch umgesetzt, dass die ModeratorInnen unablässig kleine Interviews | |
führen. Deren Dauer ist auf dreieinhalb Minuten beschränkt – laut | |
Sendeschema. „Wir reißen niemandem den Kopf ab, wenn er überzieht“, | |
versichert Weyrauch. Manche ModeratorInnen scheinen nun allerdings | |
schneller zu sprechen, um gar nicht erst in solche Verlegenheiten zu | |
kommen. | |
Das wirklich satte Dialogformat, die oft sehr gute „Gesprächszeit“, die nun | |
unter dem Namen „2 nach 1“ zur Mittagszeit läuft, ist auf eine Ausstrahlung | |
pro Tag konzentriert. Denn derMusik, erklärt Intendant Jan Metzger, solle | |
„der gleiche Respekt wie dem Wort“ erwiesen werden. | |
Weyrauch beschreibt die mit diesem Anspruch entstandene Farbe als Mischung | |
aus „edlem Pop, poppigem Jazz und Singer/Songwriter-Titel seit den 60ern.“ | |
Klassik ist jetzt weniger zu hören. Für Metzger ist das „eine einmalige | |
Musikfarbe“, für Weyrauch „ein erwachsener Musikgeschmack, immer jenseits | |
des Mainstreams“. | |
Den kann man teilen, genießen oder auch zu loungig finden – in der Rotation | |
sind jetzt jedenfalls 3.000 Titel, eingespeist von Radio-Gurus wie dem | |
„Fritz“-Erfinder Helmut Lehnert und NWR-Musikchef Wolfgang Rumpf, die sich | |
mit ihren Plattensammlungen monatelang in Klausur begeben hatten. | |
Das Ergebnis läuft nun bis 19 Uhr als computergesteuerte Tagesrotation, | |
dann kommt die zwei Stunden lange „Sounds“-Strecke mit einer gesonderten | |
Rotationsauswahl. Bislang war das die Stunde der Redakteure der „Globalen | |
Dorfmusik“, die hier ihre persönlichen Musikakzente setzen konnten. Vier | |
„free picks“ pro Stunde haben sie freilich immer noch, was rein rechnerisch | |
nahe bei den bisherigen neun picks der Dorfmusik liegt – die sich aber auf | |
eine Stunde konzentrierten und insofern deutlich prägnanter das Programm | |
prägten. | |
Es gibt neue Kolumnen und Formate wie „Medienrauschen“ oder „Buchpiloten�… | |
und anders als im Weserkurier vermeldet wird es auch das „Nordwestradio | |
unterwegs“ weiterhin geben, allerdings nur noch einmal die Woche statt wie | |
bisher zwei bis drei Mal. | |
Als „eine der Hauptmotivationen“ des Relaunch nennt Programmleiter | |
Jörg-Dieter Kogel das Ziel, mehr Menschen zu erreichen. Weyrauch schätzt | |
das Hörerpotential auf drei Prozent Marktanteil, das wäre der Bereich, in | |
dem sich das alte Radio Bremen 2 zu seinen guten Zeiten bewegte. | |
Zuletzt lag dessen Marktanteil freilich bei 1,3 Prozent, nach der | |
Überführung ins Nordwestradio rutschte er für längere Zeit in den | |
Nullkommanochwas-Bereich. Dank einer neuen Panel-Definition stieg er auf | |
zuletzt 1,7 Prozent Marktanteil, was in absoluten Zahlen 27.000 HörerInnen | |
bundesweit bedeutet – unter ihnen nur 8.000 im Land Bremen. Zum Vergleich: | |
Radio Bremen 4 hat 341.000, RB 1 261.000 Hörerinnen. | |
Der NDR lässt sich das Nordwestradio pro Jahr drei Millionen Euro kosten. | |
Radio Bremen steuert 4,5 Millionen bei, rechnet man die anteiligen | |
Redaktionskosten ein, die durch Zulieferung aus dem nun als „Team 2“ | |
zusammengefassten früheren Fachredaktionen für Musik und Kultur entstehen. | |
Das Programm bleibt weiterhin werbefrei, obwohl die 2001 zwischen Radio | |
Bremen und dem NDR abgeschlossene Verwaltungsvereinbarung diese ökonomische | |
Option ausdrücklich zulässt. | |
12 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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