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# taz.de -- Neuer Trainer beim AC Mailand: „Der Professor macht keine Fehler�…
> Clarence Seedorf startet seine Trainerkarriere beim AC Mailand. Der
> Niederländer ist der erste schwarze Coach in der Serie A.
Bild: „Es kommt mir vor, als sei ich gar nicht weggewesen“: Clarence Seedor…
Es ist ein äußerst gewagtes Unternehmen. Clarence Seedorf soll die zuletzt
so orientierungslos wirkenden Profis des AC Mailand wieder auf Kurs
bringen. Trainernovize Seedorf besitzt noch nicht einmal die Lizenz der
Uefa und soll doch schon den europäischen Großklub aus der Krise führen.
Aber weil er in seinen zehn Jahren als Spieler beim AC Mailand als begabter
Stratege und Anführer auffiel, der bewegungsunwillige Kollegen auch resolut
zusammenstauchte, traut ihm Silvio Berlusconi dieses Kunststück zu.
Berlusconi will sich mit der Verpflichtung Seedorfs selbst ein Denkmal als
„Trainerentdecker“ setzen.
Er holte schon den Jugendtrainer Fabio Capello in den Männerbereich und
fischte Arrigo Sacchi aus der Serie B. Seedorf lotste er von der Copacabana
ins graue Mailand. Beim Fußball- und Ruder(!)klub Botafogo verdiente der in
Surinam geborene Holländer zuletzt sein Geld.
„Brasilien ist meine zweite Heimat. Für jemanden, der aus Surinam stammt,
war der brasilianische Fußball immer nah“, vermeldete er und konnte seiner
langen Titelsammlung – unter anderem vier Champions-League-Siege mit drei
verschiedenen Klubs – sogar noch die brasilianische Meisterschaft
hinzufügen.
## Universell einsetzbar
Dennoch wird die zweite Heimat schnell wieder zur dritten. „Ich konnte
einfach nicht nein sagen, als Berlusconi mich anrief“, sagt er. Und nach
dem Empfang mit weißen Rosen auf dem Flughafen Mailand und der ersten
Begegnung mit den alten Kollegen konstatiert er: „Es kommt mir vor, als sei
ich gar nicht weggewesen.“ Zum Heimatgefühl mag beigetragen haben, dass er
beim ersten Trainingsspielchen in Milanello einfach mitkickte und
demonstrierte in welch guter physischer Verfassung er noch ist.
Eine gute mentale Verfassung wird ihm auch nachgesagt. „Er wird uns mit
seinem Enthusiasmus und seinen klaren Ideen voranbringen“, meinte Milans
Sportdirektor Adriano Galliani, der schon in den Weihnachtsferien bei
Seedorf vorgefühlt hatte. Seedorf stand länger als Wunschkandidat für die
Nachfolge Massimiliano Allegris fest. Das 3:4 bei Aufsteiger Sassuolo
beschleunigte die Prozesse.
Als „geborener Trainer“ wird Seedorf derzeit in Italien bezeichnet. Nicht
zu unrecht. Als Mittelfeldspieler war er universell einsetzbar, agierte mal
als Spielmacher vor der Abwehr, dann wieder unmittelbar hinter den Spitzen
und wich im Kurzpassspiel der Rossoneri auch häufig auf die Flügel aus. Er
dirigierte die Kollegen mit den Füßen.
## Rassismus mit anderen Mitteln bekämpfen
Abseits des Platzes sind seine fußballtheoretischen Erläuterungen Legende.
Sie brachten ihm den – nicht immer ehrenvoll gemeinten – Beinamen
„Professor“ ein. Den brüsken Abschied von Milan vor zwei Jahren führen
Insider nicht nur auf den Sparkurs von Berlusconi zurück, sondern auch auf
charakterliche Differenzen zwischen dem eher wortkargen Ironiker Allegri
und dem sich an den eigenen Worten berauschenden Seedorf.
Gegenwärtig ist die Sehnsucht nach Erklärungen im verunsicherten
Milan-Lager groß. Seedorf scheint der richtige Mann. „Der Professor macht
keine Fehler. Clarence ist eine große Persönlichkeit. Er erspürt förmlich
den Fußball. Immer, wenn ich mit ihm gesprochen habe, hatte er die
richtigen Einschätzungen zu den Spielen“, gab ihm Italiens Nationaltrainer
Cesare Prandelli reichlich Vorschusslorbeeren auf den Weg. Prandelli ist an
einem Gelingen von Seedorfs Mission stark interessiert.
Wer, wenn nicht der frühere Musterprofi Seedorf, könnte den latent
undisziplinierten Mario Balotelli auf den Pfad der Tugend führen? Und wer,
wenn nicht Seedorf, könnte besser verstehen, wie es in einem Spieler
aussieht, der von gegnerischen Fans wegen seiner Hautfarbe attackiert wird
– und ihm vermitteln, auf dem Platz die Ruhe zu bewahren, den Rassismus
aber mit anderen Mitteln zu bekämpfen? Mit Seedorfs Berufung hat der AC
Mailand auch ein neues Kapitel in der Serie A aufgeschlagen. Er trainiert
als erster Schwarzer einen Klub in der höchsten Spielklasse.
## „Krieg und Frieden“
Und er ist ein Mann, der über den Fußball hinausblickt. In seiner Heimat
Surinam rief er ein Ausbildungsprojekt für Kinder ins Leben. In einer
Interviewserie mit der New York Times nannte er den „Mangel an Transparenz“
das erste Grundübel im professionellen Fußball. Als Trainernovize will er
sich am legendären Basketballcoach Phil Jackson orientieren. Der hat den
Ballsport nicht nur um die „triangle offense“ bereichert, sondern seinen
Spielern auch Bücher zum Lesen gegeben, Shaquille O’Neal angeblich
Nietzsche.
Für Balotelli empfahl ihm die Gazzetta dello Sport Tolstois „Krieg und
Frieden“ als Impuls zum inneren Wachstum. Wenn es gut läuft, entstehen bei
Milan demnächst nicht nur Vorbilder für die Playstation, sondern echte
Persönlichkeiten.
17 Jan 2014
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
AC Mailand
Silvio Berlusconi
Fußball
Schwerpunkt Rassismus
Italien
Fußball
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