| # taz.de -- Die Wahrheit: Der Erfolgsgriesgram | |
| > Es ist alles miserabel, und man kann nur hoffen, dass man aus diesem | |
| > irdischen Jammertal recht bald erlöst wird … In Erinnerung an den | |
| > positiven Denker Arthur Lassen. | |
| Bild: Ein Arbeiter in einer afrikanischen Mine wird sich bedanken für Ratschl�… | |
| Wir kennen sie nur zu gut, die Sauertöpfe, deren Lebensäußerungen sich in | |
| einer einzigen langen Klage über die Schlechtigkeit der Welt erschöpfen – | |
| der Chef, die Frau, der Mann, die Kinder, das Cholesterin, die | |
| Verhältnisse, das Wetter, die Politiker, die Bandscheibe, das Finanzamt, | |
| die Nachbarn und der Service im Bordbistro: Es ist alles miserabel, und man | |
| kann nur hoffen, dass man aus diesem irdischen Jammertal recht bald erlöst | |
| wird … | |
| Diesem Elend hat der Erfolgscoach Arthur Lassen sein leider noch übleres | |
| Konzept des „Positiven Denkens“ entgegengestellt. „Mit seiner ansteckenden | |
| Begeisterung, seiner natürlichen Begabung und seiner fesselnden Rhetorik | |
| vermittelte der Motivationstrainer selbst die kompliziertesten Denkgesetze | |
| in begreifbaren, praxisnahen Beispielen“, heißt es in einer heute noch | |
| unter Lassens Namens verbreiteten Wohlfühlfibel mit dem Titel „Heute ist | |
| mein bester Tag“. | |
| Darin wird anhand zahlreicher schlagender Beispiele der Unterschied | |
| zwischen negativem und positivem Denken aufgezeigt. Einerseits: | |
| „Geschäftsführerin Doris E. (34) aus Berlin macht sich jeden Morgen große | |
| Sorgen, ob sie heute wohl wieder alles schaffen kann.“ Andererseits: | |
| „Geschäftsführerin Christine L. (34) aus Hanau freut sich jeden Morgen auf | |
| die Jogging-Runde mit ihrer Freundin und das schöne Frühstück danach.“ | |
| Ist das nicht unmittelbar einleuchtend? Und zudem sehr lustig? | |
| Einerseits: „Hausbesitzer Wilfried S. (50) macht sich große Sorgen um den | |
| zunehmenden Verfall seines teuren Einfamilienhauses.“ Andererseits: | |
| „Hausbesitzer Rudi H. (50) aus Kitzbühel ist stets guter Dinge; er hat | |
| gerade die Fenster seines Einfamilienhauses frisch streichen lassen.“ | |
| Einerseits: „Anton S. (32) aus Münster macht sich ständig Sorgen, da seine | |
| langjährige Partnerschaft seit Tagen auf dem Tiefpunkt angelangt ist.“ | |
| Andererseits: „Dirk H. (32) aus Hannover überrascht seine Frau oft mit | |
| lieben Komplimenten und bringt regelmäßig einen großen Blumenstrauß mit.“ | |
| So simpel und so schön könnte es sein, das Leben, wenn man nur wollte. | |
| Einerseits: „Unternehmer Ulf R. (51) aus Mainz kann seit Wochen nicht mehr | |
| gut schlafen. Er glaubt, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein.“ | |
| Andererseits: „Unternehmer Heinz-J. A. (51) aus Delbrück fährt dreimal im | |
| Jahr in den Urlaub und freut sich über seine vielen guten Ideen und | |
| Einfälle.“ | |
| ## Hauptsache, man macht was draus! | |
| Optisch unterstrichen wird der Kontrast zwischen den divergierenden | |
| Denkgesetzen durch die Bildbeigaben – schwarz-weiß fotografierte Grübler, | |
| Hypochonder und Miesepeter stehen fröhlich zupackenden Buntmenschen | |
| gegenüber. Eine Dame gähnt: „Handelsvertreterin Carla P. (50) aus Dresden | |
| ist oft müde und sie hat immer das Gefühl, den Anforderungen nicht | |
| gewachsen zu sein.“ Eine andere Dame, gleich daneben, strahlt: | |
| „Handelsvertreterin Ulla W. (50) aus Wildemann nutzt immer alle | |
| Möglichkeiten zur persönlichen und beruflichen Weiterbildung.“ | |
| Die praxisnahen Beispiele ließen sich leichter Hand vermehren, doch das | |
| Prinzip dürfte inzwischen klar geworden sein: Es kommt nicht darauf an, ob | |
| man als krebskranke Lidl-Kassiererin (49) in Quakenbrück mit dem Schicksal | |
| hadert oder als kerngesunder Rüstungslobbyist (49) an der Elbchaussee die | |
| Korken knallen lässt. Hauptsache, man macht was draus! | |
| Bedauerlicherweise hat Arthur Lassen nicht lange genug gelebt, um seine | |
| Botschaft auch in der Dritten Welt verbreiten zu können. Vielleicht würde | |
| den Sklavenarbeitern in den Diamantenminen ja das Mantra helfen, das Lassen | |
| allen Arbeitnehmern empfohlen hat: „Ich blicke voller Zuversicht in die | |
| Zukunft. Ich weiß, ich werde gebraucht. Ich bin zuverlässig, hilfsbereit | |
| und bei meinen Kollegen beliebt. Ich arbeite stets zügig und genau und mein | |
| gutes Fachwissen und mein Können geben mir Sicherheit.“ | |
| Zum guten Schluss folgt hier noch ein weiterer wunderschöner | |
| Glaubenskraftsatz für alle Mühseligen und Beladenen, für die Kindersoldaten | |
| im afrikanischen Busch, für die Zwangsprostituierten in den | |
| Militärbordellen in aller Welt, für die Putzfrauen, die in den Toiletten | |
| der Ölscheichs die Kackflecken wegmachen, für die Bettler, denen heute | |
| nacht die Zehen abfrieren, für die verhungernden Säuglinge in der Sahelzone | |
| und für alle Homosexuellen, die auf die Vollstreckung ihrer Todesstrafe | |
| warten: „Es macht mir jeden Tag mehr Spaß, Erfolg zu haben, denn ich habe | |
| mich nun ganz bewusst auf den Erfolg eingestellt. Ich bin von nun an | |
| bereit, erfolgreich zu werden, und ich denke und handle, als hätte ich | |
| bereits mein Ziel erreicht. Ich weiß, dass man meinem Äußeren und meiner | |
| Haltung ansehen kann, dass ich zu den Erfolgsmenschen gehöre.“ | |
| So wie Arthur Lassen selig, der begnadete Erfolgsmensch und Dummschwätzer. | |
| 24 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Gerhard Henschel | |
| ## TAGS | |
| Fernsehen | |
| Bistum Limburg | |
| Harz | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Wahrheit: Nichtsnutzige Frau | |
| Im Wahrheit-Talk zum Wochenende geht es dieses Mal um die Frage: Wird | |
| Frauke Ludowig nach 20 Jahren „Exclusiv“ ausgebürgert? | |
| Die Wahrheit: Protzbischof Storch | |
| Pünktlich zu Ostern: Das Bistum Limburg macht zu den derzeitigen | |
| christlichen Feiertagen endlich wieder von sich reden. | |
| Die Wahrheit: Raufe im Kern | |
| Nach Berlin, Tokio und Bad Salzuflen macht eine neue Partymetropole von | |
| sich reden. Wehrhahn-Üblarz im Ostharz punktet mit Top-Locations. |