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# taz.de -- Neues Buch von Ariadne von Schirach: Menschentier und Bärchenwurst
> Ariadne von Schirach stellte in Berlin ihr neues Buch vor. Es geht ihr um
> die ganz großen Fragen, auf die sie leider auch keine neuen Antworten
> findet.
Bild: Bärchenwurst – „wo man das zerkleinerte Tier in dessen eigenen Darm …
Nichts weniger als das Universum zieht Ariadne von Schirach heran in ihrem
neuen Buch „Du sollst nicht funktionieren“: Das Universum ist so riesig,
und der Mensch, was macht er? Er pult sich im Bauchnabel. Aber in den
Sternenhimmel zu sehen, ohne drauflos zu quasseln, welche Sternbilder er
sieht, einfach mal nur zu gucken und die Klappe zu halten, das schafft er
nicht.
Zur Buchpremiere in Clärchens Ballhaus in Berlin-Mitte sind am Montagabend
sehr viele Menschen gekommen. „Menschentiere“, wie von Schirach gern
schreibt. Sie sitzen auf dem Boden, stehen in der Tür, bis ins Treppenhaus.
Die Erwartungen sind groß. Von Schirachs erstes Buch, „Der Tanz um die
Lust“ (2007), war sehr erfolgreich. Eine intelligente Analyse der
pornographisierten Gesellschaft. Nun hat die Autorin, die 1978 geboren ist,
als Journalistin arbeitet und an der Universität der Künste lehrt, ein
zweites Buch geschrieben: [1][„Du sollst nicht funktionieren. Für eine neue
Lebenskunst.“] Darin stellt sie die allergrößten Fragen: Wie wollen wir
leben, wie miteinander, mit uns selbst und der Natur umgehen?
Von Schirach schreibt über ein Unbehagen, das durch Beschleunigung,
Globalisierung, Digitalisierung entsteht und vor allem: durch
Marktstrukturen in allen Lebensbereichen, die Allgegenwart des
Kapitalismus. „Ständige Selbstbeschau, -kontrolle und -ausbeutung sind das
Wesen des marktgewordenen Menschen.“ Dagegen stellt sie die Fragen, was
Genuss und Einzigartigkeit sind, und was es heißt, „sein eigenes Leben
wahrhaftig zu leben“.
## Gier, Geilheit und Größenwahn
Das sind keine neuen Fragen – und von Schirachs Antworten sind leider auch
nicht neu. Sie pustet die Worte „Giiier, Geiiilheit, Grööößenwaaahn“ wie
Seifenblasen in den Saal. Ihr Gestus erinnert an den älterer
Schriftsteller, die sich sicher sind, dass ihre Worte Raum brauchen, um
sich zu entfalten. Rechts vorne kippt ein Feuilletonist den letzten Schluck
Sekt runter.
Von Schirach baut ihr Buch anhand von Figuren auf. Die
Social-Media-Beraterin, die immer perfekt aussieht – „nichts als eine miese
kleine Lüge“, in Wirklichkeit ist sie essgestört. Oder der IT-Fachmann, der
keine Freundin, aber eine Kamarasammlung hat: „unreflektierte
Widersprüche“. Die Autorin diagnostiziert der Friseurin, die gern auf
Design achtet, „einen klassischen Kategorienfehler“. Von Schirach selbst
aber ist mit dem Design ihres Buchs („das kleine Grüne“) sehr glücklich.
Sie kritisiert die „verkniffenen Muttis im Bioladen, die ihren Kindern nur
Holzspielzeug kaufen“, und zugleich auch Leute, die ihre Kinder mit
Bärchenwurst füttern. Schwierig, es ihr recht zu machen.
Sie fährt Kant und Nietzsche auf, dazu Žiźek und Illouz, Heideggers „Man“
und Harry Potter. Doch bei all der Wucht an theoretischem Unterbau und
großen Fragen bleiben die Erklärungen floskelhaft. „Lieben heißt teilen.�…
„Die Zukunft geht uns etwas an.“ ‒ „Wäre es nicht möglich, dem Gegens…
zwischen Kultur und Natur eine neue Wendung zu geben? Ist es nicht das
Schöpferische, das beide vereint?“ Sätze, die der Papst oder Dalai Lama
nicht schöner sagen könnten.
Vielleicht muss ein Buch, das so große Ansprüche stellt, an sich selbst
scheitern, vielleicht kann es – und dann wäre doch alles geglückt – einfa…
nicht funktionieren.
25 Feb 2014
## LINKS
[1] http://www.klett-cotta.de/buch/Tropen-Sachbuch/Du_sollst_nicht_funktioniere…
## AUTOREN
Margarete Stokowski
## TAGS
Kapitalismuskritik
Philosophie
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