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# taz.de -- Freie Schullaufbahn: Folgenreiche Kreuzchen
> In Niedersachsen soll nicht mehr die „Empfehlung“ nach der 4. Klasse über
> den Weg aufs Gymnasium entscheiden, sondern ein Beratungsgespräch mit den
> Eltern.
Bild: Das Kreuz an der richtigen Stelle: Schulkinder freuen sich über ihre Gym…
HANNOVER taz | Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD)
will im nächsten Jahr die umstrittene „Schullaufbahnempfehlung“ abschaffen:
Dieser Anhang zum Zeugnis nach der 4. Klasse sagt voraus, ob ein Kind sich
für die Hauptschule, die Realschule oder doch das Gymnasium eigne. Diese
Empfehlung abzuschaffen hatten SPD und Grüne in Niedersachsen in ihrem
Koalitionsvertrag vereinbart.
Für Ina Korter von den Grünen ist es ein wichtiges Anliegen: „Der Wert
dieser Empfehlungen“, sagt sie, „wurde nie evaluiert.“ Dabei habe die
Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) schon 2004
herausgestellt, dass es stark von der sozialen Herkunft abhängt, welche
Empfehlung unterm Zeugnis steht. Zwar konnten niedersächsische Eltern trotz
anderslautender Empfehlung ihr Kind am Gymnasium oder der Realschule
anmelden, „bildungsferne Schichten“ glaubten aber, sich daran halten zu
müssen, sagt Korter. „Bildungsaffine setzen sich eher darüber hinweg.“
War ein Kind in der 6. Klasse vom Sitzenbleiben bedroht, konnte es auf eine
andere Schulform „abgestuft“ werden – auch das ist nicht im Sinn rot-grü…
Schulpolitik. Ministerin Heiligenstadt will die Empfehlung einem Sprecher
zufolge durch eine „intensive Beratung“ ersetzen. Die Änderung seien im
Zuge einer großen Schulgesetznovelle zum August 2015 geplant.
Diesen Weg bereits gegangen ist die parteilose Bildungsministerin Waltraud
Wende (parteilos) im Nachbarland Schleswig-Holstein, wo SPD und Grüne mit
dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) die Regierung stellen. Dort gibt
es ein Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasium und Gemeinschaftsschule – schon
deshalb entfallen die Möglichkeiten, Haupt- oder Realschule zu empfehlen.
„Es gibt ein Gespräch mit Informationen für die Eltern“, sagt Wendes
Sprecher Thomas Schunck. Das Abitur erreichen können Kinder im nördlichsten
Bundesland sowohl an Gymnasien als auch an den Gemeinschaftsschulen sowie
an den beruflichen Gymnasien.
Die Gymnasialempfehlung biete Orientierung, sagt Hamburgs Schulsenator Ties
Rabe (SPD), sie „abzuschaffen, wäre für Eltern und ihre Kinder ein
Nachteil“. Auch die Hansestadt setzt auf ein Zwei-Säulen-Schulsystem, das
aber zusehends in eine Schieflage gerät. Bei der jüngsten Anmelderunde
wählten 54 Prozent das Gymnasium und 44 Prozent die Stadtteilschule –
obwohl letztere das Abitur in 13 Schuljahren anbietet, also mit einem Jahr
mehr Zeit als am Gymnasium. Man brauche eine gute Mischung, um ein
anregungsvolles Lernmilieu zu schaffen, sagt die Hamburger
Grünen-Abgeordnete Stefanie von Berg. „Wenn im Zeugnis das Kreuz beim
Gymnasium steht, kommen Eltern gar nicht erst auf den Gedanken, die
Stadtteilschule zu wählen.“ Auch die Vereinigung der
Stadtteilschul-Rektoren und -Elternräte fordert das Aus für die
folgenreichen Kreuze.
Anders ist die Lage in Bremen: „Bei uns spielt unter der Elternschaft die
Frage, wer es auf Gymnasium schafft, nicht mehr so eine zentrale Rolle“,
sagt Behördensprecherin Christina Selzer. Dort gibt es seit jeher nur acht
Gymnasien, das sind etwa 20 Prozent der Schulen insgesamt. Zum Abitur
führen daneben auch die 33 Oberschulen sowie die Stadtteilschulen. Die Zahl
der Plätze an Gymnasien ist begrenzt, bei zu vielen Anmeldungen entscheidet
das Los. Bedingung fürs Gymnasium ist, dass das Kind in Deutsch und
Mathematik „über dem Regelstandard“ liegt.
„Es gibt auch Oberschulen, die bei Eltern einen sehr guten Ruf haben“, sagt
Selzer. Auch diese Schulen nehmen auf einem Drittel der Plätze Kinder auf,
deren Leistungen über dem Regelstandard liegen. Die übrigen Plätze werden
nach Wohnort vergeben. Das Verfahren wird bis 2019 nicht angetastet, es
herrscht „Schulfrieden“. Selzer: „Politischen Streit gibt es darum nicht.…
28 Feb 2014
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Gymnasium
Schule
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