# taz.de -- Der schreibende Hausmanm: Verloren in der Vorstadt | |
> Alexander Posch hat sich in Hamburg einen Namen mit ungewöhnlichen | |
> Leseformaten gemacht und jetzt den Roman „Sie nennen es Nichtstun“ | |
> veröffentlicht. | |
Bild: Sammelt die Splitter der Welt: Der Schriftsteller Alexander Posch. | |
HAMBURG taz | Ein Mann streift durch Hamburg-Rahlstedt. Er schaut über | |
Hecken in Einfamilienhausgärten, er überlegt, was er noch einkaufen muss | |
und was zu Hause an Arbeit auf ihn wartet, während er doch in Ruhe weiter | |
an seinen Texten schreiben will, was nichts werden wird, denn der Mann hat | |
drei Kinder, die ihn nicht nur zeitlich umfänglich beanspruchen, und der | |
Mann hat eine Frau, die arbeitet und so das Geld verdient, während er darum | |
ringt, ein Schriftsteller zu sein. | |
„Sie nennen es Nichtstun“, heißt der Roman, verfasst von Alexander Posch, | |
der wie der Mann in seinem Roman mit Frau und drei Kindern in | |
Hamburg-Rahlstedt lebt. | |
Nicht der Roman, aber Poschs Arbeit als Schriftsteller beginnt Anfang der | |
90er, da studiert er noch und findet zu einer literarischen Schreibgruppe | |
an der Hamburger Universität. Geleitet wird diese von der Lyrikerin | |
Frederike Frei, die damals mit ihren Gedichten, die sie in einem Bauchladen | |
vor sich trägt und einzeln für eine D-Mark das Stück verkauft, die oft noch | |
gewerkschaftlich orientierten alten Schriftsteller verstört – und dadurch | |
für aufstrebende Talente höchst belebend wirkt. | |
Freis Konzept: Literarisches nicht hinter einem Tisch und einem Wasserglas | |
hockend abzulesen, sondern es grell und fröhlich hinauszuposaunen, garniert | |
mit allen Albernheiten und nachträglichen Peinlichkeiten, die eben im | |
Anfang liegen. | |
Posch bleibt bei der Literatur, er schaut nach links und rechts, statt sich | |
in einer Schreibstube zu vergraben und ist folglich mit dabei, als der | |
damalige Lektor des noch eigenständigen Luchterhand-Verlages Martin | |
Hielscher mit seinem Sammelband „Ponal“ einer nachwachsenden Generation | |
junger Dichter ein erstes, verbindendes Forum bietet. | |
Posch gründet zusammen mit Michael Weins („Goldene Reiter“) 1997 den | |
„Laola-Club“, der versucht, die klassische Wasserglas-Lesung in ein | |
belebendes Club-Format zu übertragen. Entsprechend ist Posch wie auch Weins | |
vorne an, als sich drei Jahre später der „Macht Club e. V.“ gründet und | |
schnell etabliert: | |
Nach dem Huckepack-Prinzip sorgen illustre Namen literarischer Größen wie | |
Birgit Vanderbeke, Georg Klein oder Karen Duve für reges | |
Publikumsinteresse, das sich bald auf die Macht-Autoren wie Tina Übel und | |
Benjamin Maack bis zu Michael Weins, Sven Amtsberg und eben Alexander Posch | |
überträgt, deren Texte einen Vergleich mit den etablierten Gästen | |
keinesfalls zu scheuen brauchen. | |
Parallel startet Posch zusammen mit Michael Weins und Sven Amtsberg die | |
„Schischischo“: Die wird mal auf einer Barkasse ausgetragen, dann wieder | |
touren die drei durch die literarischen Spielstätten wie die Clubs der | |
Stadt und bezirzen mit ihrem Mix aus eigenen Texten, Beiträgen von Gästen | |
und Musik das Publikum. Posch tritt dabei meist in einem hasenartigen | |
Kostüm auf, aus dem er sich zum Schluss oft schwitzend befreit – wie | |
überhaupt Tiere in seinen Texten keine geringe Rolle spielen. | |
Dass es nun nach so vielen Abenteuern und schrägen Formaten zu einem | |
vordergründig geradezu traditionellen Buch gekommen ist, ist einem | |
etablierten Sujet zu verdanken: einem Stipendium. Denn Posch erhält im | |
Frühjahr 2011 ein Kurzstipendium der Hamburger Kulturbehörde, das ihn auf | |
die Insel Mallorca bringt. | |
Die Idee: dort unter der spanischen Sonne sitzend mal in Ruhe und | |
unabgelenkt etwas zu Ende schreiben zu können – oder einen neuen Stoff zu | |
beginnen. Posch aber hat in den letzten Jahren so viel geschrieben, das bis | |
auf einige Ausnahmen nie gedruckt wurde. | |
Zum Glück steht ihm ein Freund und Kollege zur Seite: der Bremer | |
Schriftsteller Martin Brinkmann, dem Posch sein Material via E-Mail | |
schickt, also das, was er in den letzten zehn Jahren verfasst hat. Nun ist | |
Kollege Brinkmann nicht nur selbst Schreiber und Herausgeber des in Bremen | |
ansässigen Literaturmagazins Krachkultur, er ist auch noch Literaturagent. | |
Durch die Agentenbrille schaut er sich Poschs loses Geschichtensammelsurium | |
an, prüft jeden einzelnen Text, wählt aus, legt auch Texte zur Seite, | |
entdeckt aber aber vor allem einen verbindenden Erzählton und bringt das | |
Auserwählte in eine dramaturgisch sinnvolle Abfolge. Posch bleibt auf | |
Mallorca die nicht eben leichte, aber zu bewältigende Aufgabe, Übergänge zu | |
schreiben, auftretende Personen auszubauen und Motive zu verstärken. | |
Nun also liegt das Ergebnis vor: ein Episodenroman aus der Welt eines | |
Familienmannes, der um Orientierung ringt, der jeden Tag aufs Neue | |
unterwegs ist, um die Splitter, in die die Welt nun mal zerfällt, | |
aufzusammeln und neu zusammenzufügen. Von alten Freunden, die über die Zeit | |
keine Freunde mehr sind, sondern nur noch Erinnerungen, wird erzählt; von | |
den Nachbarn wird berichtet, die jeden Schritt des Helden beobachten, wo | |
sie doch sonst nichts zu tun haben. | |
Drei Kinder wuseln durch die Texte, eigensinnig, anarchisch. Die Tage | |
verrinnen, man weiß nicht wie und noch weniger warum, und die einzelnen | |
Kapitel tragen Namen wie „Das richtige Leben“, „Das Kamel aufrichten“, | |
„Meine Geliebte hat mich verlassen“. | |
Wunderbar ist es, dass Posch dem schreibenden Hausmann so ein literarisches | |
Denkmal setzt, frei von allem zeitgeistigen Geplänkel, frei von jeglichem | |
Bedeutungsgetöse, das viele Männer überfällt, wenn sie mal daheim für die | |
Kinder zuständig sind. „Sie nennen es Nichtstun“ ist vielmehr eine überaus | |
lohnende, weil lesenswerte Ausbeute – die Jahre, die vergangenen, all die | |
Lesungen und Auftritte vor mal großem, mal kleinem, mal recht kleinem | |
Publikum, sie haben sich gelohnt. Für den Dichter – und auch für uns. | |
## Alexander Posch: Sie nennen es Nichtstun, Langenmüller 2014, 186 S., | |
17,99 Euro Lesung: 18. März, 19.30 Uhr, Nochtspeicher, Hamburg | |
11 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Frank Keil | |
## TAGS | |
Kurzgeschichte | |
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