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# taz.de -- Kinderschutz: Ein Job mit Bauchgefühl
> Seit drei Jahren begleiten Hebammen in Berlin besonders belastete
> Familien. Das Modellprojekt soll nun zur Regel werden – doch die Hebammen
> fordern mehr Geld.
Bild: Hebamme bei der Arbeit.
Unglück häuft sich manchmal. Die werdende Mutter: 17 Jahre alt, im Heim,
ohne Schulabschluss, ohne Ausbildung, mit Drogenerfahrung. Der werdende
Vater: ohne Arbeit und Wohnung. Weil sie trotzdem als Familie zusammenleben
wollen, entscheiden sie sich, bei der werdenden Großmutter einzuziehen. Der
wurde schon bei der eigenen Tochter mangelnde Erziehungskompetenz
bescheinigt, sie trinkt. Wo die Geburt stattfinden soll? Das weiß die
17-Jährige nicht. Dabei steht sie schon kurz vor der Entbindung.
So beschreibt Heike Schmedes-Bindra die Situation, die sie vorfand, als sie
das Paar zum ersten Mal traf. Schmedes-Bindra ist eine von zwölf
„Familienhebammen“, die seit Mai 2011 in Neukölln,
Friedrichshain-Kreuzberg, Steglitz-Zehlendorf und Mitte tätig sind. Ihre
Aufgabe ist es, zu belasteten Familien möglichst schon vor der Geburt ihres
Kindes ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, sie nach der Entbindung zu
unterstützen und, wenn nötig, weitere Hilfen zu vermitteln. So soll
verhindert werden, dass es zu Vernachlässigung oder Misshandlung kommt.
Das von der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ getragene Modellprojekt läu…
Ende des Monats aus. Am Dienstag zogen Stiftung und Hebammen öffentlich
Bilanz. Insgesamt 254 Familien hätten sie betreut, berichtet
Stiftungsgründer Adolf Windorfer, bei fast zwei Dritteln habe sich die
Situation verbessert oder stabilisiert. Vor allem die kindlichen
Bedürfnisse würden von den Eltern am Ende der Betreuung besser
wahrgenommen.
Die Zahlen beruhen auf Einschätzungen der Hebammen selbst und ihrer
Ansprechpartner in den Jugendämtern. Sicherlich seien die Bewertungen
subjektiv, räumt Windorfer ein. In anderen Bundesländern habe man aber die
Arbeit der Familienhebammen wissenschaftlich begleitet. „Man konnte zeigen,
dass ihre Einschätzung eher zu kritisch als zu wenig kritisch ist.“
Das Ende des Modellprojekts bedeutet nicht das Aus von Familienhebammen. In
Zukunft sollen sie vom Bundesfamilienministerium bezahlt werden und in
allen Bezirken tätig sein. Aber nun gibt es Streit um die Höhe der
Vergütung. Das Land hat festgelegt, dass den Familienhebammen 55 Euro pro
Stunde gezahlt werden soll. Allerdings nur für die Zeit, die sie wirklich
bei der Familie verbringen. Fahrtwege, Teamsitzung und Supervision werden
nicht honoriert.
Das rechne sich nicht, sagen die Hebammen, zumal diese Arbeit schwieriger
sei als ihre normale Tätigkeit. „Es reicht“, so Schmedes-Bindra, „zu die…
Tarif arbeiten wir nicht.“ Regina Kneiding, Sprecherin der
Gesundheitsverwaltung, weist die Kritik zurück: „Dieses Ergebnis liegt weit
über dem Durchschnitt der anderen Länder.“
Die 17-jährige Schwangere zog mit ihrem Freund tatsächlich bei ihrer Mutter
ein. Heike Schmedes-Bindra beantragte Geld beim Jobcenter, damit sie ein
Zimmer renovieren konnten. Sie suchte eine Klinik für die Entbindung und
organisierte eine sozialpädagogische Familienhilfe. Gemeinsam versuchten
sie, eine Struktur in den Tag zu bringen, erzählt die Hebamme. Sie achteten
darauf, dass die Eltern Arzttermine wahrnahmen. Im März konnte die Familie
bei der Mutter ausziehen. Sie lebt nun im betreuten Wohnen.
15 Apr 2014
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
Geburt
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