# taz.de -- Nationalparks in Kanada: Twittern aus dem Schutzgebiet | |
> Kanadas Regierung will ein kostenloses flächendeckendes WLAN in den | |
> Nationalparks einrichten. Bei vielen Naturliebhabern sind die Pläne | |
> umstritten. | |
Bild: Eben noch in der freien Natur, Sekunden später auf Facebook, Twitter, In… | |
JASPER taz | Klare Bergseen, tiefe Wälder, einsame Campingplätze: Kanadas | |
Nationalparks sind viel gerühmt wegen ihrer unberührten Natur und ihren | |
unendlichen Weiten. Sie sind Traumziele für Aussteiger, Rückzugsorte für | |
Stressgeplagte und Oasen der Ruhe für Besucher aus aller Welt. | |
Doch mit der Stille und Abgeschiedenheit könnte es in vielen Parks bald | |
vorbei sein. Statt entspannt dem Ruf der Wildnis zu folgen, droht Urlaubern | |
womöglich bald der Ruf des eigenen Chefs. Statt Bärenglocken bimmeln | |
iPhones, statt Vögeln zwitschern Twitter-Kanäle. | |
Kanada will seine Nationalparks in die Moderne führen - und dabei das | |
Internet und die drahtlose Kommunikation erstmals großflächig bis in die | |
entlegensten Schutzgebiete bringen. Das hat die staatliche Parkbehörde | |
jetzt im Rahmen einer landesweiten Ausschreibung angekündigt - und damit im | |
Land der Bären und Biber eine heftige Kontroverse ausgelöst. | |
150 so genannte WLAN-Hotspots, an denen sich Besucher drahtlos in das | |
Internet einwählen können, will die Regierung in den nächsten drei Jahren | |
in Kanadas insgesamt 44 Parks einrichten. Dort sollen Besucher nach | |
Belieben surfen, posten oder twittern können, zumeist kostenlos. Das | |
betrifft stark besuchte Parks wie Banff oder Jasper in den Rocky Mountains, | |
aber auch einsame Schutzgebiete im hohen Norden oder in der Arktis. | |
## Klingenlndes Handy im Nachbarzelt | |
Bislang ist der Mobilfunkempfang in vielen Nationalparks in Kanada | |
höchstens sporadisch und einen Internet-Anschluss gibt es nur in wenigen | |
Verwaltungsgebäuden oder Infozentren. Was viele Urlauber als willkommene | |
Auszeit empfinden, hält die Regierung für rückständig. | |
Ziel der Online-Offensive sei es, wieder mehr jüngere Menschen in die | |
Wildnis zu locken, erläuterte jetzt der Vizepräsident der kanadischen | |
Parkbehörde, Andrew Campbell. Tatsächlich sind die Besucherzahlen in den | |
Nationalparks in den letzten zehn Jahren gesunken - um knapp zehn Prozent. | |
Vor allem jüngere Kanadier begeistern sich immer seltener für's Paddeln, | |
Zelten oder Wandern - dafür umso mehr für Twitter, Facebook oder Instagram. | |
So auch Melissa Mandel. Die junge Kanadierin sitzt in einem Café im Örtchen | |
Jasper an ihrem Laptop und sagt: „WLAN? Höchste Zeit! Dann kann ich endlich | |
meine Fotos von Grizzly-Bären oder Wapiti-Hirschen in Sekundenschnelle an | |
meine Freunde senden.” Mandel kommt gerade vom Skifahren - Campen | |
allerdings war sie noch nie. Ob sich das ändert, wenn sie bald auch in der | |
Wildnis online sein kann? „Mal sehen”, gibt sie sich noch zurückhaltend. | |
Eingefleischte Naturliebhaber sind noch zurückhaltender - auch jene, die | |
sich sonst gerne in sozialen Netzwerken bewegen. „Eigentlich gehen wir | |
Campen, weil wir wenigstens einmal im Jahr komplett abschalten wollen”, | |
schrieb eine Nutzerin aus Calgary auf Facebook. Ein anderer twitterte: „Ein | |
klingelndes Smartphone im Nachbarzelt? Da bleibe ich lieber gleich zu | |
Hause!” Umweltschützer sorgen sich auch um die vielen Funkmasten, die | |
womöglich gebaut werden. | |
Die Park-Verwalter aber beschwichtigen. Niemand wolle etwa Berggipfel, | |
Gletscher oder Kanurouten mit Internet-Empfang ausstatten oder gar riesige | |
Sendetürme bauen, betonte Vizechef Campbell. Statt dessen sollten die | |
meisten Hotspots in Infozentren, nahe von Attraktionen oder auf Zelt- oder | |
Wohnmobilplätzen eingerichtet werden. „Früher saßen die Menschen am | |
Lagerfeuer und haben ihren Freunden eine Postkarte geschrieben”, erklärte | |
die Behörde trocken. „Heute senden sie Grüße über ihr Tablet – und sind… | |
WLAN angewiesen.” | |
1 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Jörg Michel | |
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