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# taz.de -- Luftverschmutzung: Gefährliche Gemütlichkeit
> Schuld an der hohen Feinstaubbelastung in Berlin sind auch Kaminöfen, wie
> sie bei vielen im Wohnzimmer stehen.
Bild: Schmutzige, bürgerliche Fantasie
Was ist das: Es wärmt behaglich, sieht toll aus, schützt das Klima und
verpestet die Luft? Antwort: ein handelsüblicher Kaminofen. Auch in Berlin
flackern mittlerweile so viele der gemütlichen Holzheizungen in Wohnungen,
dass ihr Beitrag zur Gesamtmenge an gefährlichem Feinstaub beträchtlich
ist. Zugespitzt formuliert: Wer mit Holz heizt, riskiert seine Gesundheit –
und die seiner Nachbarn.
## Hübsche kleine Öfen
Vor wenigen Wochen erst schlug das Umweltbundesamt (UBA) Alarm: Die 35 Tage
pro Jahr, an denen der EU-Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro
Kubikmeter Luft überschritten werden darf, waren an mehreren Berliner
Messstellen schon im April fast erreicht. Dafür gab es verschiedene Gründe
(siehe Interview). Im hausgemachten Feinstaubmix jedoch, der für die
Belastungsspitzen sorgt, übertreffen die Emissionen der mit Holz
betriebenen „Kleinfeuerungsanlagen“ bereits die Mengen aus dem Auspuff von
Pkws und Lastwagen. Und immer mehr der hübschen kleinen Öfen werden in
Berliner Wohnzimmern aufgestellt – nicht zuletzt, weil das Heizen mit Holz
klimafreundlich ist.
Dass hier ein Problem heranwächst, weiß man schon länger. Im Jahr 2010 hat
die Humboldt-Universität die Herkunft des Feinstaubs in der Berliner Luft
untersucht. Ergebnis: Die Holzverbrennung in Kaminöfen trug schon damals 12
Prozent zu Berlins Feinstaubemissionen bei.
Die Rede ist bei Feinstaub von der Partikelfraktion „PM10“: sehr feinen
Teilchen, die tief in die Atemwege und sogar in die Blutbahn eindringen,
Bronchialerkrankungen und auch Krebs auslösen können. Gasheizungen
emittieren praktisch gar keinen Feinstaub, und auch der Ausstoß einer
modernen Ölheizung beträgt nur einen Bruchteil dessen, was
Holzfeuerungsanlagen in die Luft entlassen. Der Feinstaub aus
Kohleverbrennung ist in den letzten 20 Jahren stark zurückgegangen, weil
kaum noch Haushalte mit Kohle heizen.
Das UBA hatte bereits 2007 vor den „Nebenwirkungen der Gemütlichkeit“
gewarnt und eine Verschärfung der Bundesimmisionsschutzverordnung angeregt.
Tatsächlich wurde die Verordnung novelliert: Seit Anfang 2010 gelten für
neue Kaminöfen erstmals Grenzwerte bei Feinstaub und Stickoxiden, die
nächstes Jahr noch einmal verschärft werden. Allerdings liegen auch diese
Werte noch weit über den Emissionen von Gas- und Ölheizungen.
Klingt nicht so gut? Es kommt noch schlimmer: Die tatsächliche
Feinstaubemission eines Kaminofens hängt ganz davon ab, ob er korrekt
betrieben wird. Das Brennholz muss möglichst trocken und unbehandelt sein,
auch die richtige Schichtung ist wichtig. Andernfalls kommt nicht nur mehr
Qualm aus dem Schornstein: „Feinstaub aus einer sehr unvollständigen
Verbrennung von naturbelassenem Holz in einem schlecht betriebenen Holzofen
weist eine rund zehnfach höhere biologische Reaktivität und rund 20-fach
höhere PAK-Gehalte auf als Dieselruß“, so das UBA. PAK – polyzyklische
aromatische Kohlenwasserstoffe – sind organische Verbindungen, die beim
Menschen unter anderem Krebs auslösen können.
Auch die Senatsumweltverwaltung hat das Problem im Grundsatz erkannt: „Aus
Sicht der Luftreinhaltung“ sei der Brennstoff Holz „problematisch“, so
Sprecherin Petra Rohland. Am Stadtrand rechne man auch mit einem
zunehmenden Anteil von Holzfeuerungen, „falls sich das Preisniveau von
Heizöl und Gas weiter deutlich erhöht“. Was die Innenstadt betrifft, gibt
man sich im Haus von Senator Michael Müller (SPD) aber gelassen:
Heizungsanlagen mit festen Brennstoffen – neben Holz vor allem Kohle –
seien dort weitgehend beseitigt. Außerdem gelte im Berliner
„Luftvorranggebiet“, einer Art erweiterter Umweltzone, dass kein Neubau
eine Heizungsanlage erhalten dürfe, die mehr Feinstaub als eine Ölheizung
emittiere. Knisternde Scheite im Townhouse sind also tabu. Dagegen, sich
einen Kaminofen in die Altbauwohnung zu stellen, spricht allerdings nichts.
Für Umweltverbände ist das Thema heikel. Immerhin handelt es sich um eine
klimaneutrale Form der Wärmeerzeugung, weil keine fossilen Brennstoffe im
Spiel sind. Im Idealfall wird also nur so viel CO2 ausgestoßen, wie
zugleich anderswo durch Pflanzenwachstum gebunden wird.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) setzt deshalb unter anderem auf eine
Verbesserung der Filtertechnik: Die Hersteller von Öfen müssten solche
Technologien optimieren und auch in die bereits erhältlichen Anlagen
integrieren, sagt Dorothee Saar, Leiterin des Bereichs Verkehr und
Luftreinhaltung der DUH. Solange die lokale Feinstaubbelastung hoch bleibe,
seien aber auch verschärfte Regelungen vor Ort sinnvoll: „Städte und
Kommunen müssen in ihre Luftreinhaltepläne Vorgaben zu Holzfeuerungen
aufnehmen, die über die Bundesimmissionsschutzverordnung hinausgehen.“
## Problematischer Trend
Um den Beitrag der Holzverbrennung zur regionalen Feinstaubbelastung besser
abschätzen zu können, führen die Umweltverwaltung und das Brandenburger
Umweltministerium zusammen mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
derzeit eine größere Studie durch. Im Herbst sollen Ergebnisse vorliegen.
Wenn sie zeigen, dass der problematische Trend anhält, könnte die
Landesregierung eine größere Keule schwingen: Möglich wäre dann die
räumliche Ausdehnung des Luftvorranggebiets, auch strengere Grenzwerte im
gesamten Stadtgebiet kämen infrage.
Solche Schritte behalte der Senat sich vor, sagt Sprecherin Rohland –
„soweit dies möglich und verhältnismäßig ist“. Am Ende ist die Frage na…
den Gefahren der Gemütlichkeit also eine politische – und da kann es
schnell ungemütlich werden.
4 May 2014
## AUTOREN
Claudius Prösser
## TAGS
Holzmarkt
Schwerpunkt Klimawandel
Krebs
Nabu
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