# taz.de -- Eishockey-WM in Weißrussland: Diktator auf Kufen | |
> Die Eishockey-WM in Weißrussland ist für den Staatschef Alexander | |
> Lukaschenko zweierlei: Propaganda-Coup und Herzensangelegenheit. | |
Bild: Puck- und Oppositionellenjäger: Alexander Lukaschenko. | |
MINSK taz | An einem normalen Tag ist der Grenzübergang zwischen dem | |
ostpolnischen Terespol und der weißrussischen Grenzstadt Brest ein Tor mit | |
sieben Siegeln. Hier endet die Europäische Union und Alexander Lukaschenkos | |
Reich beginnt. Die Wartezeiten sind legendär. Diverse | |
Lebensmitteltransporte aus Europa nach Russland machen mittlerweile große | |
Bögen um Belarus, weil – so heißt es – keine Ware mehr unverdorben in | |
Moskau ankommen könne. | |
Ewige Kontrollen, ein überteuertes Einreisevisum, Krankenversicherung und | |
Autobahngebühren – das alles ist für eine kurze Zeit passé, wenn man die | |
goldene Eintrittskarte zeigen kann. In Weißrussland beginnt heute die | |
Eishockeyweltmeisterschaft, und auf Erlass des allmächtigen Präsidenten | |
Alexander Lukaschenko soll jeder Besucher aus dem Westen, der auch nur ein | |
Ticket in den Händen hält, nur die allerbesten Eindrücke gewinnen. | |
Ganz freiwillig hat Lukaschenko, der gern als der letzte Diktator Europas | |
bezeichnet wird, sein Land allerdings nicht geöffnet. All die | |
Annehmlichkeiten für die potenziellen „Träger des Umsturzes in sein Land“ | |
sind Zugeständnisse an den internationalen Eishockeyverband IIHF und ihren | |
Chef Rene Fasél. Wegen permanenter Menschenrechtsverletzungen in | |
Weißrussland hatte das EU-Parlament gegen die Austragung der WM | |
interveniert. | |
Doch Fasél kam den in Bedrängnis geratenen Lukaschenko zu Hilfe. Der Sport | |
dürfe nicht an den Fäden der Politiker hängen, erklärte der Schweizer. Die | |
Statuten würden außerdem keine Verlegung aus politischen Gründen erlauben. | |
Lukaschenko versprach daraufhin ausverkaufte Spiele und überhaupt „die | |
beste Weltmeisterschaft aller Zeiten“. | |
## „Together we celebrate“ | |
Das sportliche Großereignis ist für den autokratisch herrschenden | |
Präsidenten, der wie 200 Gefolgsleute nicht in die EU einreisen darf, | |
allerdings nicht nur Propaganda-Coup, sondern ebenso Herzensangelegenheit. | |
Eishockey ist in Weißrussland Nationalsport Nummer eins und Lukaschenko | |
nicht nur großer Fan, sondern auch leidenschaftlicher Spieler. | |
25 Eisstadien hat er in den letzten beiden Jahrzehnten bauen lassen, und | |
seinem Lieblingsverein Junost Minsk erst kürzlich die hochmoderne | |
Tschyschouka-Arena hingestellt. Die große Halle ist nun einer von zwei | |
Austragungsorten der Eishockeyweltmeisterschaft 2014. | |
Die Hauptattraktion des Wettbewerbs ist allerdings die Minsk-Arena. 15.000 | |
Zuschauer fasst der Koloss aus Glas und Stahl. Auch Rammstein, Shakira und | |
Elton John waren schon da. Zusammen mit Eisschnelllaufhalle und Radrennbahn | |
hat der ganze Komplex 320 Millionen Euro gekostet. Für das | |
10-Millionen-Einwohnerland, das gerade durch die größte wirtschaftliche | |
Krise der vergangenen 20 Jahre laviert, eine gewaltige Investition. Ein | |
Kraftakt, der ohne die Rubelspritze der benachbarten Russen wohl gar nicht | |
möglich gewesen wäre. „Together we celebrate“, grüßt Volat, der Wisent,… | |
WM-Maskottchen in der Hauptstadt von jeder zweiten Häuserwand. | |
## 16 Teams treten an | |
Das ist ein Motto, das allerdings nicht für alle gelten wird. Zwar werden | |
die Restaurants des fast 1.000 Jahre alten Minsk auf präsidialen Beschluss | |
bis sechs Uhr morgens geöffnet sein, aber ebenso hat die Stadtverwaltung | |
öffentlich angekündigt, dass sie die Stadt von Obdachlosen, Alkoholikern | |
und Prostituierten säubern wird. | |
Den politischen Nebengeräuschen zum Trotz werden die Organisatoren der | |
Weltmeisterschaft in den kommenden 16 Tagen bemüht sein, den Fokus allein | |
auf die Eishockeyspiele zu richten. 16 Teams treten an. Das deutsche Team | |
von Bundestrainer Pat Cortina ist nach zahlreichen Absagen nur krasser | |
Außenseiter. | |
Auch Schweden und Olympiasieger Kanada kommen ohne Superstars, da noch die | |
Playoffs um den Stanley-Cup laufen. Nur die Russen treten nach dem Desaster | |
von Sotschi zur Wiedergutmachung in Bestbesetzung an. Alle Hoffnungen ruhen | |
wieder mal auf Alexander Owetschkin von den Washington Capitals, der in der | |
Vorbereitung indes kein Tor erzielte. | |
9 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Henkel | |
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