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# taz.de -- American Pie: Der Traum vom „German Gretzky“
> Der 18-jährige Leon Draisaitl wird in der NHL so hoch gehandelt wie kein
> Deutscher zuvor. Auch bei der WM in Weißrussland fällt er positiv auf.
Bild: German Hoffnung: Leon Draisaitl im Nationaltrikot.
Es war kein versöhnlicher Abschluss einer enttäuschenden Weltmeisterschaft.
Zwar unterlag die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft am Dienstag dem
US-Team im letzten Vorrundenspiel nur knapp mit 4:5, aber man verlor eben
erneut. Es war das schlechteste Abschneiden des Teams bei einer WM seit
fünf Jahren.
Das Viertelfinale hatte man schon vorher verpasst, den Abstieg aus der
Top-Division immerhin vermieden. Die einzige wirklich gute Nachricht des
Turniers: Die Zukunft des deutschen Eishockeys könnte heller sein, als es
die Gegenwart ist. In Weißrussland feierten einige vielversprechende
deutsche Talente ihre WM-Premiere.
Fraglich allerdings ist es, ob Torhüter Philipp Grubauer (22) oder die
beiden Stürmer Tobias Rieder (21) und Marcel Noebels (22) bei künftigen
Weltmeisterschaften überhaupt fürs deutsche Team aufs Eis gehen werden.
Denn alle könnten demnächst bei ihren Klubs in Nordamerika den Durchbruch
schaffen – und solange dort um den Stanley Cup gespielt wird, erhalten nur
Profis, deren Mannschaften bereits aus den NHL-Playoffs ausgeschieden sind,
die Freigabe für das zweitklassige Welt-Championat.
Vor allem aber Leon Draisaitl, der nach glänzenden Vorstellungen bei der WM
gegen die USA auch sein erstes Tor erzielte, scheint eine große Karriere in
der besten Eishockey-Liga der Welt bevorzustehen. Der Stürmer ist zwar erst
18 Jahre alt, wird aber als größtes deutsches Talent aller Zeiten
gehandelt. Seine Begabung ließ der gebürtige Kölner in den letzten Tagen in
Weißrussland immer wieder aufblitzen. Beim knappen Auftakterfolg gegen
Kasachstan wurde er zum besten deutschen Spieler gewählt.
## Mit 16 nach Kanada
Das Talent dürfte er vom Vater geerbt haben. Der spielte in den 80er und
90er Jahren für die Adler Mannheim, wurde mit den Kölner Haien Deutscher
Meister und 146 Mal in der Nationalmannschaft eingesetzt. Sohn Leon ging
schon mit 16 Jahren nach Kanada. Im Mutterland des Eishockeys spielt er
seitdem bei den Prince Albert Raiders in der Western Hockey League, einer
der renommiertesten Nachwuchs-Ligen. In der abgelaufenen Spielzeit schoss
er für den in in einem 35.000-Einwohner-Städtchen in der Provinz
Saskatchewan beheimateten Klub in 64 Spielen 38 Tore und gab 67 Vorlagen.
Grund genug für die Talentspäher, dem vor allem als Center einsetzbaren
Draisaitl eine grandiose Zukunft zu prophezeien. Die namhaftesten
Scouting-Agenturen und Experten stufen den Modellathleten als viertbesten
Spieler dieses Jahrgangs ein, einige andere listen ihn immerhin noch auf
Rang sieben.
Wie auch immer: Wenn am 27. und 28. Juni in Philadelphia der Draft ansteht,
bei dem die Rechte an den Nachwuchskräften unter den NHL-Klubs verteilt
werden, dann wird Draisaitl mit allergrößter Sicherheit so früh gedraftet
werden wie kein deutscher Eishockey-Spieler vor ihm. Diese Ehre gebührt
bislang noch Marcel Goc, der 2001 als Nummer 20 ausgewählt wurde.
## Der Mann mit den „exzellenten Händen“
Eine solch hohe Draft-Position, wie sie für Draisaitl erwartet wird,
bedeutet einen gut dotierten Vertrag, aber auch hohe Erwartungen. Um die zu
erfüllen, besitzt er mit seinen auf 1,89 Meter verteilten 90 Kilogramm
zumindest schon einmal die körperlichen Voraussetzungen. Neben den Maßen
eines NHL-Profis attestieren ihm die Scouts zusätzlich „exzellente Hände“
und „eher Spielmacher- als Torjägerqualitäten“. Draisaitl, schreiben die
Experten, sei zwar nicht der Allerschnellste, aber besitze eine für sein
Alter erstaunliche Übersicht, Ruhe am Puck und Spielkontrolle.
Allesamt Qualitäten, die auch einen gewissen Wayne Gretzky auszeichneten.
Als „German Gretzky“ werde Draisaitl in Nordamerika bereits gehandelt oder
mit Jaromir Jagr verglichen, meldeten einige deutsche Medien, nachdem
Draisaitl bei den WM-Vorbereitungsspielen sein Debüt in der
Nationalmannschaft gefeiert hatte. Auch Bundestrainer Pat Cortina ließ sich
zu der Aussage hinreißen: „Vielleicht wird er sogar besser als Gretzky.“
Solch eine Einschätzung ist vor allem patriotisch verstärktes Wunschdenken.
Draisaitl selbst ist immerhin selbstbewusst genug, den Vergleich mit Wayne
Gretzky, dem besten Eishockeyspieler aller Zeiten, als nur „ein bisschen
übertrieben“ zu kommentieren.
20 May 2014
## AUTOREN
Thomas Winkler
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