| # taz.de -- Peter Halley stellt in Jena aus: Gefängnis trifft auf Las Vegas | |
| > Wie Form und Farbe wirken: Im Alten Straßenbahndepot in Jena sind 34 | |
| > „Prison“-Gemälde des New Yorker Künstler Peter Halley zu sehen. | |
| Bild: Peter Halley zwischen zwei seiner „Prison“-Gemälde. | |
| Bei ihm gerinnt Foucault zu Kunst. Peter Halley, Jahrgang 1953, setzt sich | |
| in seiner seriellen Kunstreihe „prisons and cells“, also Gefängnisse und | |
| Zellen, seit den frühen 1980er Jahren intensiv mit Foucaults Vorstellungen | |
| von einer sich immer stärker erweiternden Kontrollgesellschaft auseinander. | |
| 1975 hatte der französische Poststrukturalist mit „Überwachen und Strafen“ | |
| jene mittlerweile weltberühmte Studie vorgelegt, die den Weg der Moderne | |
| von einer Straf- in eine Disziplinar- und Kontrollgesellschaft | |
| nachzeichnet. | |
| Im Zentrum steht dabei das Gefängnis, dessen Strukturmodell der Überwachung | |
| auch in Schulen und Industriehallen Anwendung findet. An diese Ideen knüpft | |
| der amerikanische Künstler Peter Halley mit seinen Zellen und Gefängnissen | |
| an. 34 dieser Werke, die zwischen 1998 und 2012 entstanden sind, bilden nun | |
| die Ausstellung „Prisons“ der Universität Jena, die im Alten | |
| Straßenbahndepot, das ansonsten als Straßenbahnmuseum dient, bis zum 27. | |
| Juli zu sehen ist. Insgesamt hat der Künstler seit den frühen 1980er Jahren | |
| rund 200 dieser Bilder produziert. | |
| Die ausgestellten Werke zeigen sehr klar das Grundprinzip der Arbeit | |
| Halleys mit dem Motivtyp der abstrakten Kunst. Im Zentrum steht jeweils ein | |
| Quadrat oder Rechteck, über dem ein dreigliedriges Gitter zu liegen | |
| scheint, sodass es in vier Teile zergliedert wird: das Kernmoment des | |
| Gefängnisses. Außen herum ist eine rau strukturierte Gipsmasse aufgetragen | |
| und darum wiederum ein Hintergrund, sowie eine Art Bodenblock. Das | |
| Besondere an diesen Bildern ist die Farbgebung. | |
| Halley experimentiert in allen diesen sehr ähnlichen Motiven mit der | |
| Wirkung von verschiedenen Farben und bewegt sich damit in der Tradition von | |
| Künstlern der klassischen Abstraktion wie Piet Mondrian, Kasimir S. | |
| Malewitsch oder Barnett Newman, die allesamt die Frage der Harmonie und | |
| Wirkung von Form und Farbe in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt haben. | |
| ## Neonfarben und glänzende Momente | |
| In seinen Prisons nimmt Halley diesen Faden auf. Auch er sucht in immer | |
| neuen Konstellationen Wirkungen zwischen Farbflächen und Kontrasten. Als | |
| Ausgangspunkt, so schildert er es im Gespräch, dient dabei immer das | |
| riffelige Rahmenviereck um die Zelle. Dazu kombiniert der New Yorker | |
| zumeist Neonfarben oder besonders glänzende Momente, wie sie etwa in der | |
| Werbung eingesetzt werden, in scharfen Kontrasten, sodass es bisweilen | |
| wirkt, als würden die Elemente aus dem Bild heraustreten. Sein Ziel sind | |
| Farbtöne, die dem industriell erzeugten Licht nahe kommen, um ihr | |
| Verhältnis zur Umwelt zu untersuchen. | |
| Damit aktualisiert er nicht nur die Fragen von farblichen Harmonien, | |
| sondern integriert zeitgenössische Farbästhetiken etwa der Werbung und | |
| Neoreklame, was wiederum die Verbindung von Kunst und Lebenswelt neu | |
| thematisiert. Gefängnis trifft auf Las Vegas, das vielleicht selbst nur | |
| eines ist. Die Farben blenden den Betrachter geradezu, die Kontraste führen | |
| bisweilen zu Sinnestäuschungen, die eine Tiefe erfahren lassen, wo aber nur | |
| zwei dünne Acrylfarbschichten nebeneinander existieren. | |
| ## Die Neutralität der Geometrie wird in Frage gestellt | |
| ## | |
| Zugleich stellt Halley von Anbeginn dieser Kunststrategie die Prämisse der | |
| Neutralität der Geometrie infrage, indem er die angeblich reinen Formen des | |
| Quadrats und Rechtecks zu Symbolen der dieser Gesellschaft inhärenten | |
| Repression gestaltet. Hier wandelt er auf den Spuren der französischen | |
| Philosophie, denn erst die geometrische Anordnung der Elemente ordnet den | |
| Raum dem Effizienz- und Kontrollgedanken unter. In seinen Cells, die in | |
| Jena nicht zu sehen sind, geht er denn auch einen Schritt weiter. | |
| Diese Zellen sind durch wie korrespondierende Kanäle wirkende Flächen | |
| verbunden und Halley möchte hier die zunehmende Vereinzelung des Menschen | |
| zeigen. Er bilanziert: „Wir sind eingeschlossen und getrennt voneinander. | |
| Kommunikation findet nur noch über Technologie statt.“ Zugleich behauptet | |
| er einen Minimalismus in der Kunst, mit dem er sich von der zunehmenden | |
| Tendenz zum Spektakel in der Kunst distanziert: „Kunst muss ein Wille sein, | |
| sich in der Gesellschaft zu engagieren.“ | |
| Doch bei aller inhärenten Gesellschaftskritik wird auch bei Halley die Form | |
| in der permanenten Wiederholung zum künstlerischen Selbstzweck. Dennoch | |
| lässt sich durch die Fülle der Werke hier sehr gut die unterschiedliche | |
| Wirkung der Farbkontraste und Farben auf den Betrachter erleben – etwa bei | |
| der Reihe der vier „Red Prisons“, die zwischen 2005 und 2009 entstanden | |
| ist. Die Extremfarbsuche hat auch Nebenfolgen: Der Katalog zur Ausstellung | |
| muss aufgrund von Halleys Farbenwahl im aufwendigen 15-Farb-Druck | |
| erscheinen. | |
| 23 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Torben Ibs | |
| ## TAGS | |
| Ausstellung | |
| Sexismus | |
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