# taz.de -- Kommentar Zweitwohnungssteuer: Die Zweitwohnungsfalle | |
> Die Liste der MdBs, die keine Zweitwohnungssteuer gezahlt haben, wird | |
> immer länger. Daraus einen neuen Hoeneß-Skandal zu machen, hilft auch | |
> nicht. | |
Bild: Immer schön korrekt auf alles achten. Sonst kommt das Finanzamt. | |
Klar, die Abgeordneten hätten Bescheid wissen können über die Sache mit der | |
Zweitwohnungsteuer. Schließlich bekamen sie ja kurz nach ihrer Wahl in den | |
Bundestag einen weißen DIN-A4-Umschlag von der Bundestagsverwaltung | |
zugesteckt. | |
Ein „Starterpaket“ – darin ein Faltplan des Regierungsviertels, ein | |
Handbuch in Taschenbuchformat mit allerlei nebensächlichen Informationen | |
von der Bundestagsbibliothek bis zur Parlamentsärztin sowie eine Broschüre | |
über die finanziellen Leistungen. Darin, heißt es aus der | |
Bundestagsverwaltung, finde sich auch ein Hinweis auf die | |
Zweitwohnungssteuer in Berlin – und zwar „im Kontext“ der sogenannten | |
„Kostenpauschale“. | |
Die Frage ist nur: Was erwarten wir uns eigentlich vom idealen | |
Volksvertreter? Dass sie oder er sich nach monatelangem Wahlkampf in der | |
Berliner Zweitwohnung, die er womöglich gerade noch sucht, auf die Couch | |
setzt, die es noch nicht gibt, und sich als erstes alle Ratgeber der | |
Bundestagsverwaltung reinzieht? | |
Es gibt schwerwiegende Verfehlungen und es gibt ärgerliche Versäumnisse. In | |
der Aufgeregtheit des Berliner Politikbetriebs verwischen schon mal die | |
Grenzen zwischen beiden Kategorien. Gefragt sind moralische Perfektion und | |
ein Privatleben frei von Verfehlungen. So wird nun auch die | |
Bild-„Enthüllung“ über die wachsende Zahl von Abgeordneten, die keine | |
Zweitwohnungssteuer an das Land Berlin entrichtet haben, zum | |
bundespolitischen Skandal hochgespielt. | |
## Hofreiter am Pranger | |
Sobald die Steuerhinterzieher öffentlich ihr Versäumnis bereuen, wie | |
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, legt manch ein Kommentator ihnen das | |
noch als „Unverschämtheit“ und „Selbstgerechtigkeit“ aus. Schließlich | |
hätten doch genau sie im Fall des Ex-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß noch | |
lautstark mehr Steuerehrlichkeit gefordert. Tenor: Wer im Glashaus sitze, | |
solle nicht mit Steinen werfen. | |
Natürlich fragt man sich, warum die betroffenen Abgeordneten von der grünen | |
Atompolitikerin Sylvia Kotting-Uhl bis zum CDU-Hinterbänkler Tankred | |
Schipanski keine gut informierten Assistenten oder Steuerberater | |
beschäftigten, die sie auf die Zweitsteuerregel hinwiesen und zum | |
Einwohnermeldeamt schickten. Gerade Anton Hofreiter hätte klar sein müssen, | |
dass mit dem Aufstieg an die Spitze der Grünen-Fraktion auch das Interesse | |
steigen dürfte, ihm private Fehltritte nachzuweisen. | |
Trotzdem lohnt ein Blick auf die Größenordnungen, die in der | |
Zweitwohnungs-Debatte nun zuweilen verglichen werden: Hoeneß hinterzog | |
mindestens 28,5 Millionen Euro Steuern – der nun an den Pranger geratene | |
Hofreiter soll dem Fiskus über neun Jahre insgesamt 2.475 Euro vorenthalten | |
haben, also rund 300 Euro im Jahr. Eine Summe, für die wohl kein gut | |
verdienender Bundespolitiker vorsätzlich seinen Ruf riskieren würde. | |
Bundestagsabgeordnete werden für ihren stressigen Job anständig bezahlt, | |
sie müssen sich deshalb zu Recht genau auf die Finger schauen lassen. Aber | |
wer sie mit schiefen Vergleichen um jeden Preis zum korrupten Abzocker | |
stempelt, tut der Demokratie auch keinen Gefallen. | |
15 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Astrid Geisler | |
## TAGS | |
Anton Hofreiter | |
Steuerhinterziehung | |
Steuerbetrug | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Grüne melden weitere Steuersünder: Fraktionschef Hofreiter ist nicht allein | |
Knapp ein Fünftel der Grünen-Fraktion im Bundestag hat die | |
Zweitwohnungssteuer nicht oder nicht korrekt gezahlt. Das gab die Partei am | |
Mittwoch bekannt. |