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# taz.de -- Die Wahrheit: Im Biotop der PKK
> Neue Serie, Euro-Urne (1): Heute erklärt uns Wenzel Storch, warum er
> niemals die Sozialdemokratische Partei Deutschlands wählen würde.
Bild: „Klingelstreich“: Die letzte politische Äußerung des SPD-Verweigere…
Wir lebten damals, Mitte der Achtziger, in einem von Disteln und
Brennnesseln umringten, märchenhaft schönen Backsteinhaus, das um die
Jahrhundertwende einmal eine hochmoderne Postkutschenstation gewesen sein
soll. Innen sah es aus wie in einer Rumpelkammer, und lebhaft erinnere ich
mich daran, dass man aus der einen Wand – der Wand, die Richtung Küche
führte – den Schimmel wie aus einem Joghurtbecher herauslöffeln konnte.
Das Haus war bundesweit als Zentrale der PKK bekannt. PKK war das Kürzel
für Pissende Kuh Kassetten, ein damals beliebtes Kassetten-Label, das Bands
wie The Hinnerks, Schweine im Weltall und Die Titten unter Vertrag hatte.
Unten im Keller – eigentlich war es kein Keller, eher ein düsteres Kabuff –
war ein Tante-Emma-Laden untergebracht, vor dem sich die Trinkerszene des
Viertels täglich ihr Stelldichein gab, um sich bis Einbruch der Dunkelheit
zu zulöten.
Hinter dem Haus war unser kleiner Garten, der den Stammkunden als
Gemeinschaftstoilette diente. Hier dämmerten mehrere Generationen von
Schrottautos, von glücklosen Autoschraubern abgestellt, ihrer letzten Ruhe
entgegen. Und hier durfte in allen Variationen geschifft, gepisst und
gestrullt werden. Das also war unser kleines Biotop, und wir lebten dort
glücklich und zufrieden.
Und jetzt kommt der Grund, warum ich niemals SPD wählen würde. Eines Tages
veranstaltete der Ortsverein Nordstadt dieser feinen Partei eine Begehung
unseres Viertels, auf der Suche nach Missständen. Die gabs zuhauf, zum
Beispiel direkt vor unserer Haustür zwei nicht fertig gebaute Brücken, die
seit Jahren sinnlos in die Gegend ragten.
## „Sport im Dritten Reich“
Drei Tage später druckte ein hier vielgelesenes Anzeigenblättchen eine
Titelstory, in der unser Haus – unser geliebtes Häuschen – zum „Schandfl…
der Stadt“ gekürt wurde. In der Umgebung unserer Bleibe sei es nicht nur
unbeschreiblich schmutzig, es fänden sich dort auch ganze Berge von
Schluck- und Kräuterlikörfläschchen. Kurz und gut: Die Stadt Hildesheim
hatte ein Einsehen, kaufte das Haus und schmiss uns raus.
Trotzdem habe ich wenig später Werbung für die SPD gemacht. In „Sommer der
Liebe“, einem Super-8-Langhaarigen-Report, der die wahre Geschichte des
Conny Kramer erzählt, raucht der Held Willy Brandts Nasenhaare, um auf dem
Höhepunkt des Rausches auszurufen: „Ich wähle nur noch SPD!“
Der Film wurde dann etwas später von einem vermummten
"Frauen/Lesben"-Kommando aus einem Göttinger Kino entführt. „Wegen
Sexismus, Rassismus, Faschismus und so weiter“, wie die taz meldete. Über
Nacht war ich zum Spielball politischer Mächte geworden – und ließ mir das
eine echte Lehre sein. Nur noch einmal habe ich mich politisch geäußert: in
dem nie ganz fertiggestellten und deshalb auch nie veröffentlichten,
opulenten Kulturfilm „Sport im Dritten Reich“, dessen Storyboard-Reste ich
den taz-Lesern an dieser Stelle sehr gerne vorlege.
17 May 2014
## AUTOREN
Wenzel Storch
## TAGS
Europawahl 2014
Wahlkampf
SPD
Hildesheim
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