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# taz.de -- Räumung geplant: Das Camp der Armen
> Seit vier Wochen leben rund 30 Menschen aus Rumänien und Bulgarien in
> Zelten im Nobistorpark in Hamburg-Atona. Unter ihnen sind auch Kinder und
> Schwangere.
Bild: Vorübergehendes Zuhause für etwa 30 Menschen: Zeltlager am Nobistor
„Die Obdachlosen? Meinen Sie unsere Nachbarn, die mich nerven?“, sagt die
Frau durch den Lärm der vollen Anlaufstelle Alimaus am Nobistor. Seit knapp
einem Monat schlafen im Nobistorpark zwischen 20 und 30 Menschen aus
Rumänien und Bulgarien in Zelten und Autos. Unter ihnen Familien,
Schwangere, kleine Kinder.
Vor ein paar Tagen hat die Hamburger Diakonie Alarm geschlagen: Offenbar
plant der Bezirk Altona nun, das Lager zu räumen. Es seien vermehrt Klagen
von Anwohnern eingegangen. Auch die Frau in der Alimaus, die nebenan wohnt,
hat sich beschwert. „Sie hören nachts laute Musik, sie schreien rum, und
wenn man durch den Park spaziert, wird man von Kindern angebettelt“, regt
sie sich auf. „Das kann so nicht weitergehen.“
Nebenan auf der sonnendurchfluteten Wiese stehen zwei Frauen, eine hat ein
Tuch um den Kopf geschlungen, die andere trägt ein Kind auf dem Arm und
schichtet Holzscheite auf einen dürftig zusammengezimmerten Grill. Am Boden
liegen Decken ausgebreitet, weiter hinten im Park sieht man einzelne Zelte
unter den Bäumen.
Sie wollten keine Fragen beantworten. „Warum sollten wir mit jemandem reden
wollen?“, sagt die Frau mit dem Kind auf dem Arm. „Uns hilft sowieso
keiner.“ Bereits fünf Leute seien heute vorbeigekommen, hätten Fragen
gestellt. „Was sollen wir sagen? Wir haben nichts. Ich habe nicht einmal
Windeln für mein Kind.“ Vor rund einem Monat seien sie aus Bukarest hierher
gekommen. „Dort ist es Schlimmer als hier.“ In Rumänien seien alle Menschen
arm.
## Hoffnung auf Arbeit
Seit dem 1. Januar dürfen Menschen aus Rumänien und Bulgarien im Rahmen des
Freizügigkeitsabkommens nach Deutschland reisen. Und manche tun es in der
Hoffnung, hier Arbeit und ein besseres Leben zu finden. Doch viele finden
keinen Job, müssen betteln oder Flaschen sammeln, um zu überleben.
In einem Hinterzimmer der Anlaufstelle Alimaus sitzt Schwester Clemensa,
und blickt betrübt aus dem Fenster in den Park. In der Alimaus bekommen die
Obdachlosen etwas zu essen. Doch für Schwester Clemensa steht fest, dass
der aktuelle Zustand nicht haltbar ist. „Ich weiß nicht, was die Lösung
ist“, sagt sie. Es sei Sache der Stadt, für diese Menschen eine Lösung zu
finden.
Die Stadt aber schiebt die Verantwortung weiter – die Ordnung im
öffentlichen Raum sei Sache des Bezirks. Stadtweite Vorgaben, wie mit dem
Obdachlosenlager umzugehen sei, existieren nicht, die Bezirksämter hätten
das im Rahmen der geltenden Gesetzeslage selber zu entscheiden.
## Duldung nicht möglich
Aus dem Bezirksamt Altona heißt es, dass eine längerfristige Duldung des
Lagers nicht möglich sei. Man prüfe derzeit, wie es zu einer
„gruppenspezifischen und der Situation angemessenen Klärung kommen kann.“
Bezirks-Sprecherin Kerstin Godenschwege stellt fest, dass die Obdachlosen
keinen Anspruch auf öffentliche Unterbringung hätten.
Für Dirk Hauer von der Diakonie kann eine Räumung des Lagers indes keine
Lösung für das Problem sein: „Die Obdachlosen werden einfach in ein anderes
Stadtviertel wandern“, sagt er. „Oder sie gehen zurück nach Rumänien und
werden zwei Monate später wieder kommen.“ Die Stadt solle den Menschen ein
Dach über dem Kopf geben und prüfen, ob die Obdachlosen Anspruch auf
Sozialhilfe hätten. „Es kann nicht sein, dass die Stadt diese Menschen
einfach vertreibt“, sagt Hauer.
Doch auch das lehnt der Bezirk ab: „EU-Bürger, die sich im Rahmen der
Freizügigkeit bewegen, haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen oder eine
öffentliche Unterbringung“, heißt es. In Stein gemeißelt ist das indes
nicht. „In etwa der Hälfte der Fälle haben Gerichte zugunsten der
Antragsteller entschieden“, sagt Hauer. Zwei davon liegen derzeit beim
Europäischen Gerichtshof; das für Ende Jahr angesetzte Urteil soll Klarheit
schaffen, welchen Anspruch EU-Bürger auf deutsche Sozialhilfe haben.
13 Jun 2014
## AUTOREN
Meret Michel
## TAGS
Lager
Hamburg
Rumänien
Obdachlosigkeit
Bulgarien
Hamburg
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