| # taz.de -- Die Wahrheit: Man muss auch mal seine Oma töten | |
| > Trotz Abwesenheit der irischen Mannschaft bei der WM laufen die | |
| > Fußballexperten der grünen Insel zur verbalen Hochform auf. | |
| Die Iren sind bei der Fußball-Weltmeisterschaft nicht dabei. Aber sie haben | |
| die unterhaltsamste Expertenrunde, die nach den Spielen jede Aktion | |
| gnadenlos analysiert – und zwar seit das Fernsehen erfunden wurde. Der | |
| Moderator Bill O’Herlihy, der im Nebenjob als Lobbyist für die | |
| Tabakindustrie arbeitet, ist 75, seine Experten Johnny Giles und Eamon | |
| Dunphy sind um die 70, Liam Brady ist mit knapp 60 Jahren das Küken. Alle | |
| drei waren früher mehr oder weniger erfolgreiche Profis und erfolglose | |
| Trainer, und ihr Sachverstand stammt aus einer Zeit, als Fußballer 7,50 | |
| Pfund in der Woche verdienten. | |
| Ihre Helden sind Eusébio, Pelé und Bobby Moore. Von der heutigen Generation | |
| halten sie wenig. Portugals Cristiano Ronaldo zum Beispiel habe zwar | |
| Talent, bescheinigte ihm Dunphy, aber ein großer Fußballer werde er nie, | |
| denn er hängt an seiner Oma. Der legendäre Stürmer Bobby Collins von Celtic | |
| Glasgow hingegen hätte seine Oma und seinen Opa getötet, um ein Spiel zu | |
| gewinnen, weiß Dunphy. Solche potenziellen Großelternmörder fehlen der | |
| englischen Mannschaft, findet er, und deshalb sei sie ausgeschieden. | |
| Dadurch ist den Fernsehzuschauern einiges erspart geblieben. Dunphy hatte | |
| nämlich angedroht, in einem Kleidchen zu erscheinen, sollte England das | |
| Viertelfinale erreichen. | |
| Das versetzte seine Mitstreiter am Mikrofon in Angst. Diese Experten sind | |
| ohnehin tief zerstritten, und wenn sie sich gegenseitig anbrüllen, steigt | |
| der Unterhaltungswert. Vor allem, wenn er betrunken ist, gelingt es Dunphy | |
| immer wieder, den humorlosen Brady zu provozieren. Sehr schön funktionierte | |
| das, als Giovanni Trapattoni noch Trainer des irischen Teams war. Dunphy | |
| forderte regelmäßig seinen Kopf, während Brady mit wutrotem Gesicht auch | |
| das schlimmste Debakel schönredete. Er war schließlich Trapattonis | |
| Assistent. Giles lässt sich von Dunphy ebenfalls recht leicht auf die Palme | |
| bringen. Er hat stets grottenschlechte Laune, und wenn er doch mal lacht, | |
| sieht es aus, als ob er die Zähne fletsche. | |
| Für die Fußball-Expertenrunde im englischen Fernsehen hat Dunphy nur Spott | |
| übrig: „Sie reden Schrott. Sie haben diese Karikaturenwelt geschaffen, in | |
| der alle wie Lineker reden, ohne etwas zu sagen.“ Gary Lineker, der frühere | |
| Saubermann des englischen Fußballs, ist als Moderator so übervorsichtig, | |
| dass Studiogäste und Fernsehzuschauer stets wegdösen. Schimpfworte sind ihm | |
| fremd. Dunphy hingegen hat keine Hemmungen in dieser Richtung. Bei der | |
| Analyse des ersten Brasilienspiels rutschte ihm zur Familiensendezeit | |
| zweimal das Wort „fucking“ heraus. Er hatte geglaubt, die Liveübertragung | |
| sei wegen Werbung unterbrochen. Es sei das erste Mal seit 36 Jahren, dass | |
| er geflucht habe, log er. | |
| Nach der Weltmeisterschaft ist es leider vorbei. O’Herlihy hängt das | |
| Mikrofon an den Nagel, und Dunphy überlegt, es ebenfalls zu tun. Als | |
| gleichwertiger Ersatz kommt nur Trapattoni infrage. Erstens ist er alt | |
| genug für den Job, und zweitens sind seine Wutausbrüche auch in | |
| rudimentärem Englisch höchst unterhaltsam. | |
| 22 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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