| # taz.de -- US-Soziologe über USA – Deutschland: „Wer will denn da der Ric… | |
| > Andrei S. Markovits ist sich sicher, dass es keine neue „Schande von | |
| > Gijon“ geben wird. Der Soziologe meint, die werde in Deutschland ohnehin | |
| > überbewertet. | |
| Bild: Algerische Fans bei der „Schande von Gijon“. Der 1:0-Sieg Deutschland… | |
| taz: Herr Markovits, Deutschland spielt im letzten Gruppenspiel gegen die | |
| USA. Ihr Tipp? | |
| Andrei S. Markovits: Deutschland gewinnt überzeugend. Es hat einfach die | |
| besseren Spieler auf allen Positionen. Die deutsche Mannschaft wird sich | |
| keinen zweiten Umfaller gegen ein Team minderer Qualität leisten. | |
| Was? Deutschland wird siegen? Hierzulande befürchten viele eine Neuauflage | |
| der „Schande von Gijon“. | |
| Ich war damals, 1982 in Gijon, im Stadion. Das war ein schlimmes Hin- und | |
| Hergeschiebe. Fürchten das wirklich viele Menschen in Deutschland jenseits | |
| des taz-Milieus? Ich glaube nicht. | |
| Die Ausgangssituation lässt das zumindest zu. Außerdem sind Jogi Löw und | |
| Jürgen Klinsmann gute Freunde. | |
| Es tut mir leid, aber Ihre Fragen sind viel zu moralistisch. Eine solche | |
| Perspektive ist für Fans unbedeutend. | |
| Wirklich? Die Fußball-WM hat in den USA sehr gute Einschaltquoten. Wäre da | |
| nicht ein Hin-und-her-Schieben des Balls wie bei der WM 1982 in Spanien im | |
| Spiel zwischen Deutschland und Österreich ein Desaster für alle Versuche, | |
| den Soccer in den USA populärer zu machen? | |
| Nein. Zum einen hat der Begriff „Schande von Gijon“ in den USA für keinen | |
| Menschen irgendeine Bedeutung – das ist eine rein deutsche, eventuell nur | |
| noch österreichische Geschichte. Zum anderen ist für die Entwicklung des | |
| Fußballs in den USA der Erfolg der Männernationalmannschaft von zentraler | |
| Bedeutung. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Weiterkommen des Teams, | |
| wenn es durch ein Remis erreicht wird, allgemein begrüßt wird. | |
| Meinen Sie, dass Gijon kein Thema wäre, wenn Deutschland 1982 das Finale | |
| gegen Italien gewonnen hätte? | |
| Klar. Nehmen Sie die WM vor 60 Jahren: War es nicht Betrug, als die | |
| Deutschen 1954 die Ungarn in der Vorrunde 8:3 gewinnen ließen, um ihnen | |
| ihre Unterlegenheit vorzutäuschen? Wegen des späteren Finalsiegs, des | |
| „Wunders von Bern“, nimmt das keiner als Betrug wahr. Trainer Herberger | |
| wird im Gegenteil bei den Deutschen als Genie und schlauer Fuchs gehandelt. | |
| Der Fußball wird bei so einem Gegurke völlig unattraktiv! | |
| In Gijon war die Schieberei offensichtlich. Aber wer sagt Ihnen, dass die | |
| Mannschaften heute Abend nicht taktisch und strategisch spielen? Was würde | |
| passieren, wenn es in der 75. Minute unentschieden steht und die Spieler | |
| dann einfach das Resultat über die Bühne bringen? Wäre das Betrug? Wer will | |
| denn da der Richter sein? | |
| Wissen deutsche Fußballfans, dass in Palermo, bei der WM 1990, Irland und | |
| die Niederlande ihr 1:1 ab Mitte der zweiten Halbzeit in voller Eintracht | |
| über die Runden brachten, als sie das ihnen beide genehme Ergebnis des | |
| England-Ägypten-Spiels erfuhren? Ich will damit sagen, dass Gijon nicht | |
| eine derartige Ausnahmesituation ist, wie dies jetzt in Deutschland | |
| kolportiert wird. Und niemand würde von einem Betrug sprechen, wenn die | |
| Deutschen schon durch wären und mit der B-Elf gegen die USA aufliefen. Das | |
| wäre dann einfach taktisch und strategisch klug. | |
| Wie soll denn in den USA ein Sport populär werden, der als hochgradig | |
| anfällig für Betrug und Korruption erscheint? | |
| Fans lieben einen Sport nicht wegen seiner vermeintlich lupenreinen Moral. | |
| Die Zukunft des Fußballs in den USA hat überhaupt nichts damit zu tun, | |
| welche Machenschaften es dort gibt. Die gibt es in jeder Sportart, die in | |
| einer Kultur hegemonial wirkt. Um im nordamerikanischen Sport zu bleiben: | |
| Im Baseball, Basketball, Football und Eishockey ist das Gleiche wichtig wie | |
| im Fußball: das Gewinnen und, eng damit zusammenhängend, das Geld. | |
| 26 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Krauss | |
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