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# taz.de -- Ticketskandal bei der WM: Fifa über dem Gesetz
> Die Fifa kooperiert mit einer Firma, die verdächtigt wird, illegal mit
> Tickets zu dealen. Die kurzzeitige Festnahme eines Managers wird nun zum
> Politikum.
Bild: Ray Whelan bei seiner Festnahme.
RIO DE JANIERO dpa | Der WM-Ticketskandal entwickelt sich zu einem
ungewöhnlichen Kräftemessen zwischen den brasilianischen Behörden und der
Maschinerie rund um den einflussreichen Fifa-Partner Match AG. Mit
erstaunlicher Vehemenz kritisierte die Vermarktungsfirma, die für den
Fußballweltverband den Vertrieb von Tickets und sogenannten
Hospitality-Paketen organisiert, den Umgang der Polizei von Rio de Janeiro
mit ihrem unter Betrugsverdacht stehenden Topmanager Ray Whelan. Die
vorläufige Festnahme des Briten wurde in einer Pressemitteilung als
„willkürlich und illegal“ bezeichnet.
Fast schon ehrabschneidend für die Ermittlungsbehörden war die weitere
Match-Behauptung: „Der 18. Polizeibezirk von Rio macht Annahmen ohne eine
saubere Untersuchung und mit einem minimalen Verständnis, wie das System
zum Verkauf von Ticket- und Hospitality-Paketen wirklich funktioniert.“ Mit
diesem Vorwurf attackiert der einflussreiche Wirtschaftspartner Match
Services des Fußball-Weltverbands in einer Weise die Sicherheitsbehörden im
WM-Gastgeberland, die die Fifa nicht unberührt lassen kann.
Bislang hat sich die Fifa aus den Ermittlungen so gut es eben ging
herausgehalten, Kommentare mit Verweis auf laufenden Ermittlungen
abgelehnt. Nun droht ein dauerhafter Schatten auf die WM zu fallen – nicht
auf den sportlichen Wettbewerb, der von den Machenschaften um die
VIP-Pakete unberührt bleibt, aber auf die Fifa als Turnierveranstalter
allemal.
Wie sensibel die brasilianischen Gastgeber auf eine Bevormundung durch die
in Brasilien keinesfalls wohlwollend verfolgte Fifa reagieren, war deutlich
geworden, als Generalsekretär Jérôme Valcke im Laufe der schleppenden
Stadion-Bauphase den Brasilianern in einem unüberlegten Moment einen Tritt
in den Allerwertesten verpassen wollte. Nun wird von Geschäftsfreunden von
Fifa-Chef Joseph Blatter die staatliche Autorität attackiert.
## Alles wie gehabt
Ob die Fifa für die Zukunft lernt, ist fraglich. Verträge mit Match sind
bis 2022 unterzeichnet. Wieder einmal ist es nach dem Debakel mit der
Pleite- und Bestechungsfirma ISL zum Jahrtausendwechsel der
Vertriebspartner für die Exklusivpakete, der den Weltverband mit in Verruf
bringt. Durch die Ermittlungen, egal welchen Ausgang sie nehmen werden,
wird ein System offenbar, das auf maximalen Gewinn ausgerichtet und weit
entfernt ist von der fröhlichen Party der zigtausenden Fans aus den
WM-Ländern in und außerhalb der Stadien.
Für den einfachen Fan bleibt vorerst hängen, dass die Fifa sich mit einer
Firma eingelassen hat, die im Dunstkreis der Fußball-Mächtigen Geschäfte
treibt – auch mit dubiosen Figuren wie dem Algerier Lamine Fofana, einem
der schon in der Vorwoche festgenommenen elf Verdächtigen.
## Plädoyer: nicht schuldig
Match-Manager Whelan wurde von seinen Chefs von jedem Vorwurf
reingewaschen. Wen wundert's, ist doch Co-Firmenboss Enrique Byrom mit
Whelans Schwester verheiratet. Nach einer Nacht in Polizeigewahrsam kam der
64-jährige Brite wieder frei. Seine WM-Akkreditierung gab er ab, jetzt will
er mit den Behörden kooperieren und so seine Unschuld beweisen.
Der Furor der Ticketvertreiber richtet sich gegen die Polizei, weil diese
Originalmitschnitte eines vermeintlich belastenden Telefonats zwischen
Whelan und Fofana an die Medien weitergereicht haben soll. Unter anderem
sendete TV Globo exklusiv Teile davon.
Whelan habe lediglich versucht, ein nicht verkauftes Ticketkontingent von
Match Hospitality zu regulären Bedingungen zu veräußern. Dass Match
Hospitality den möglichen Käufer Fofana für Geschäfte gesperrt habe, sei
Whelan nicht bekanntgewesen, hieß es von dem Unternehmen.
Fofana ist Chef der Firma Atlanta Sportif Management, mit der Match
Services mehrere Ticketdeals abschloss. Die Polizei hatte 900 Telefonate
zwischen Fofana und Whelan seit WM-Beginn registriert. Die Fifa hatte ihre
Telefonliste mit den Daten von Whelan den Behörden zur Verfügung gestellt.
Die Pressestelle der Polícia Civil (Kriminalpolizei) wies darauf hin, dass
der ermittelnde Beamte Fábio Barucke den Untersuchungsbericht über das
illegale Ticketsystem am Mittwoch der Staatsanwaltschaft übergeben habe.
Zugleich habe er gegen zwölf Personen Anzeige erstattet wegen der Vergehen
des illegalen Tickethandels und der kriminellen Vereinigung. Nach lokalen
Medienangaben hat die Staatsanwaltschaft fünf Tage Zeit, um zu entscheiden,
ob sie Anklage erhebt oder nicht.
In Whelans Suite im Copacabana Palace waren bei seiner Festnahme unter
anderem 83 Tickets, ein Computer und persönliche Unterlagen beschlagnahmt
worden. Die Eintrittskarten seien in der Mehrzahl von vergangenen Spielen
und zu Erinnerungszwecken aufgehoben worden, hieß es von Match Services.
Nach Polizeiangaben sollen durch illegale Ticket-Schiebereien pro Spiel bis
zu zwei Millionen Reais (666.000 Euro) umgesetzt worden sein.
10 Jul 2014
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WM 2014
Fifa
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Schwerpunkt Korruption
Bestechung
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