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# taz.de -- Viertel-Institution unter Verdacht: Kleingärtner unter Druck
> Trotz Ärgers mit dem Stadtamt und laufender Ermittlungen hat Udopea im
> Viertel wieder geöffnet. Ein „Sündenbock für verfehlte Drogenpolitik“,
> sagen Piraten.
Bild: Vorläufig wieder geöffnet: Udopea im Viertel.
Am Mittwoch-Nachmittag wurden beim Udopea-Headshop am Sielwallecks die
Rollläden wieder hochgezogen. Eine Woche lang war der Laden auf Anweisung
des Stadtamts dicht und der Onlineshop nicht erreichbar – „zum Schutz der
Allgemeinheit“, wie es in der Begründung heißt.
Seit über 30 Jahren ist dort Rauchzubehör erhältlich, dazu Blumenerde,
Dünger und Belüftungsanlagen für die Indoorzucht – von Cannabis, wie der
Name des Geschäfts suggeriert, aber auch legale andere Kräuter.
Um die Rückstände solcher Kräuter geht es: Zwei gebrauchte Pfeifen und
Kräutermühlen hatte die Polizei in den Aufenthaltsräumen der
MitarbeiterInnen sichergestellt. Außerdem „augenscheinlich für den Verkauf
bestimmte“ arzneilich wirksame Substanzen.
Funde, die Udopea-Begründer Ekkehard Böhme erklären kann: die Gerätschaften
seien Kundenreklamationen, die ungesäubert zurückgegeben wurden, sagt er.
Die verdächtigen Kräutermischungen lagen in einer Papiertüte in einer
Abstellkammer. Ob sich tatsächlich strafrechtlich relevante Substanzen
unter den Kräutern befunden haben, ist derweil noch unklar. Die
Ermittlungen laufen und Böhme selbst weiß nicht mal mehr, was genau er da
eigentlich entsorgen wollte: „Wir haben diese Mischungen schon vor Jahren
aus dem Sortiment genommen, weil sie nicht gut gelaufen sind“, sagt er.
Auch bei vorerst wieder geöffneten Türen ist die Gewerbeuntersagung nicht
vom Tisch. Allerdings habe ein Eilantrag der Betreiber laut
Stadtamtsleiterin Marita Wessel-Niepel ergeben, dass eine Duldung der
Geschäftstätigkeiten bis zur endgültigen Klärung vertretbar sei.
Die strafrechtliche Verfolgung seht auf einem anderen Blatt und betrifft
nicht nur Udopea: Ebenfalls im Juni durchsucht wurden die Geschäftsräume
des „Grasshoppers“ in der Langemarckstraße. Auch die Kleingärtner machen
sich Sorgen. Die Polizei habe Kundendaten mitgenommen, sagt Böhme, und
berichtet von Bekannten, die nach der Razzia von der Polizei aufgesucht
worden seien. Noch ist das laufende Verfahren schwer zu durchschauen.
Udopeas Anwalt Björn Schüller hat erst seit Mittwoch Akteneinsicht und kann
sich noch nicht umfassend äußern. Auf den ersten Blick aufgefallen seien
ihm aber umfassende Observationsmaßnahmen: abgehörte Telefone und verwanzte
Fahrzeuge. Gemessen am üblichen Bremer Vorgehen sei das ein gewaltiger
Aufwand.
Polizeipräsident Lutz Müller hatte bereits im vergangenen Jahr [1][zur
geplanten Neuausrichtung des Kampfs gegen Drogenkriminalität gesagt],
Cannabis gehöre genauso geächtet wie Heroin. Zumindest Böhme sieht in den
Ermittlungen ein politisches Signal an die Szene.
Mit Udopea steht nicht nur eine Viertel-Institution zur Verhandlung,
sondern auch Arbeitsplätze: drei festangestellte Mitarbeiter arbeiten bei
Udopea, dazu vier Auszubildenden und ein Praktikant. Einer von ihnen ist
Kolja Harmuth. Als er von der vorübergehende Duldung erfährt, ist ihm die
Erleichterung anzusehen. Große Sorgen habe er sich allerdings nicht
gemacht. „Ich weiß ja, dass hier keine krummen Sachen gelaufen sind“, sagt
er. Auch die Kundschaft freut sich: keine fünf Minuten nach der Öffnung
steht einer im Laden und erkundigt sich nach dem passenden Dünger für seine
Pflanzen. „Ich tue hier nichts Illegales“, sagt er selbstbewusst. Die
Schließung habe ihn zwar überrascht, aber „eigentlich ist das doch nur
peinlich“. Auch auf Facebook wird eigenwillig gratuliert: „Endlich wieder
Ladendiebstahl“, schreibt einer.
Politische Rückendeckung bekommen die Geschäftsinhaber von Marvin Pollock,
dem Kreisvorsitzender der Stadtbremer Piraten. Er vermutet, dass weniger
die benannten Einzelfälle hinter der Schließung stecken, sondern ein den
Behörden unbequemes Geschäftsfeld. Anstatt Udopea als Sündenbock zu
kriminalisieren, solle Politik sich lieber für aufklärende Drogenarbeit
einsetzen.
Für Udopea geht es derweil um konkrete Zukunftssicherung. Die Rechnung über
250 Euro für die Gebühren der Gewerbeuntersagung sind dabei vermutlich ein
eher nachrangiges Problem.
16 Jul 2014
## LINKS
[1] /Polizeipraesident-Lutz-Mueller/!112811/
## AUTOREN
Jan-Paul Koopmann
## TAGS
Ermittlungen
Cannabis
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