| # taz.de -- Die Wahrheit: Brodlose Kunst | |
| > Wie Max Brod sich einmal selbst Trost zusprach. Die schönsten | |
| > Dichter-Anekdoten der Welt – mit echten Kalauern. | |
| Bild: Ernst Rowohlt (l.) pafft, Max Brod (r.) wird symbolhaft vertreten. | |
| „Alles, was ich unternehme, wird nie etwas anderes sein als reine | |
| Brodarbeit“, sinnierte einmal der Dichter und Kafka-Kumpel Max Brod vor | |
| sich hin, „andererseits wird es sich aber nie um brodlose Kunst handeln.“ | |
| Dergestalt aufgebaut, setzte er sich wieder an den Schreibtisch. | |
| *** | |
| Wahr ist bekanntlich, dass der deutsche Politiker Herbert Wehner (SPD) im | |
| März 1980 im Deutschen Bundestag (Bonn) seinen in seine Rede | |
| hineinstörenden Kollegen bzw. Kontrahenten Helmut Kohl (CDU) in die | |
| Schranken wies, indem er diesem zurief: „Lassen Sie mich doch ausreden, Sie | |
| Düffeldoffel da!“ Unwahr ist hingegen vermutlich das Gerücht, der deutsche | |
| Dichter John von Düffel habe sich erst nach langem Abwägen von der Idee | |
| verabschiedet, als Pseudonym den Künstlernamen John von Düffeldoffel zu | |
| wählen. | |
| *** | |
| Als Christi Himmelfahrt vor der Tür stand, erhielt der morphiumsüchtige | |
| Autor Hans Fallada eine Postkarte seines zigarrensüchtigen Verlegers Ernst | |
| Rowohlt, der anfragte, ob man nicht angelegentlich des Feiertags einen | |
| gemeinsamen Ausflug unternehmen wolle. Postwendend kabelte der | |
| Angeschriebene eine Depesche: „Im Frühtau zu Berge wir ziehn. Fallada.“ Er | |
| konnte mitunter sehr albern sein. | |
| *** | |
| „Das ist mal wieder typisch“, grummelte der Detmolder Dichter Christian | |
| Dietrich Grabbe und verließ verbittert die Buchhandlung. „Meine | |
| Dramatischen Dichtungen – ein halbes Jahr auf dem Markt und schon als | |
| ,Mängelexemplar' auf dem Grabbe-Tisch!“ | |
| *** | |
| Als Günter Grass eines lauen Sommerabends einmal durch die Lübecker | |
| Fußgängerzone flanierte, sprach ihn ein Passant an und bat um die Uhrzeit. | |
| „Kurz vor sechs“, antwortete Grass. | |
| *** | |
| Als der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger | |
| (CDU) im Jahre 1978 nach langem Hin und Her wegen seiner vom Schriftsteller | |
| Rolf Hochhuth aufgedeckten Nazi-Vergangenheit zurücktreten musste, konnte | |
| es natürlich nicht ausbleiben, dass irgendein Schelm kommentierte: | |
| „Hochhuth kommt vor dem Fall.“ | |
| *** | |
| Einmal traf der schwermütige Lyriker Günter Kunert seine Kollegin Sarah | |
| Kirsch nicht auf ihrem idyllischen Anwesen in Tielenhemme | |
| (Schleswig-Holstein) an. Nachdem er einige Male die Türklingel betätigt, | |
| das Haus umrundet und durch alle Fenster des Erdgeschosses gelinst hatte, | |
| entdeckte er die Kirsch schließlich auf der Wiese des angrenzenden | |
| Grundstücks, wo sie, umgeben von Schäf- und Kätzchen, mit den Nachbarn | |
| unter den alten Obstbäumen saß und plaudernd eine Tasse Kaffee trank. „Sieh | |
| an“, sprach Kunert, nachdem er umständlich über den Zaun geklettert war, | |
| „die Kirsch in Nachbars Garten.“ Aber wie üblich verstand keiner, was der | |
| Lyriker gemeint hatte. | |
| *** | |
| Am Anfang war für Nestroy noch der gesamte Rest neu. | |
| *** | |
| Wie immer zum Abschluss ihrer sonntäglichen Spaziergänge durch das | |
| Appenzeller Land saßen der Ex-Dichter und Heilanstaltsinsasse Robert Walser | |
| und sein Vormund, der Schriftsteller Carl Seelig („Wanderungen mit Robert | |
| Walser“), im Buffet des Bahnhofs Herisau und nahmen einen kleinen Imbiss | |
| ein. Hin und wieder startete Seelig bei derartigen Gelegenheiten den | |
| Versuch, seinen Schützling zu ermuntern, doch wieder mit dem Schreiben zu | |
| beginnen, was den eigentlich grundgütigen Walser irgendwann auf die Palme | |
| brachte. Er möge nun endlich die Aussichtslosigkeit seiner Vorstöße | |
| akzeptieren, forderte Walser ungewohnt barsch von seinem Freund, um | |
| grummelnd zu schließen: „Seelig ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern | |
| ist.“ Danach widmete er sich wieder mit Hingabe seinen Rösti. | |
| *** | |
| Zeitlebens konnte der Romancier und Lektor Jakob Wassermann nicht recht | |
| ergründen, warum er sich ausgerechnet in der Gesellschaft von Josef | |
| Weinheber und Otto Julius Bierbaum immer derart überflüssig vorkam. | |
| 19 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Schaefer | |
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