# taz.de -- Neue Eels-Platte: Kauzige Konstante im Pop | |
> Mark Oliver Everett ist mit einem neuen Album zurück. Er hat schon alles | |
> gesagt, der Sound ist wie gehabt und doch ist diesmal etwas anders. | |
Bild: Mark Oliver Everett – auch „E“ genannt – beim 48. Montreux Jazz F… | |
Mit Eels-Alben ist es so eine Sache: Eigentlich hat Mark Oliver Everett in | |
den ersten vier Werken seines Bandprojekts bereits alles gesagt. Das Debüt | |
„Beautiful Freak“, erschienen 1996, war perfekter Pop, die darauf folgende | |
Platte „Electro-Shock Blues“ die Erfindung der Eels’schen Depression. Mit | |
„Daisies of the Galaxy“ etablierte Everett dann die Verbindung aus | |
todtraurigen Texten und naiv-fröhlichen Melodien als seinen künstlerischen | |
Fingerabdruck. Auf „Souljacker“ schließlich schepperten erstmals die | |
Cock-Rock-Anleihen – augenzwinkernd, eh klar. | |
Alles, was danach kam, klang wie die fortwährende Variation eines einzigen | |
Eels-Songthemas. Das neue Album „The Cautionary Tales of Mark Oliver | |
Everett“ ist dabei im ersten Moment keine Ausnahme. Das Kinderpiano, die | |
Geisterorgeln, die filigranen Flöten- und Streichersätze – man hat das | |
alles schon gehört. Es ist die bekannte Eels-Klaviatur, auf der Everett da | |
spielt. Trotzdem klingt er auf dem neuen Album anders, intimer, | |
zerbrechlicher. | |
Die fiependen Gitarrenverstärker und Feedback-Höllen, die er auf dem | |
Vorgängeralbum „Wonderful, Glorious“ beschworen hat, bleiben diesmal vor | |
der Studiotür. Stattdessen spinnt Everett seine Geschichten wahlweise um | |
Akustikgitarre oder Klavier. Hier noch ein Cello, da noch ein Orgelton, der | |
durch den Raum wabert: Derart reduziert hat man den „Man called E“ selten | |
gehört. Nur vereinzelt zieht es ihn und seine Band in traditionalistische | |
Folk-Herrlichkeit („Where I’m From“) oder in Richtung Kammerpop („Lockd… | |
Hurricane“, „Agatha Chang“). Ansonsten gilt: bloß kein Ton zu viel. | |
## Nackt und direkt | |
Die Reduktion steht den 13 Stücken auf „The Cautionary Tales of Mark Oliver | |
Everett“ gut. Ungeschminkt und ohne Schnörkel bleibt übrig, wofür die Eels | |
einst bekannt wurden: eingängige Songs, die dieser Everett immer wieder | |
aufs Band bringt. Kein Songwriter seiner Generation beherrscht den simplen, | |
aber gewitzten Dreiminüter so wie er. Dass Everett nackt und direkt | |
daherkommt, liegt wohl an der Vorgeschichte des Albums. Kurz bevor er sich | |
mit seiner Live-Band an die Aufnahmen machte, ging seine Ehe in die Brüche. | |
Unverblümt macht er seinen privaten Scherbenhaufen zum Thema, sinniert über | |
allerlei Fehler und hat vor allem eins: ein schlechtes Gewissen. Darum will | |
er das Album als eine Art Lehrstück verstanden wissen. „Damit andere von | |
meinen Fehlern lernen können“, wie er auf der Homepage seiner Band | |
schreibt. „Thought we were the lonely type / On an island of the lost / But | |
it was only me / Because you got off“, singt er in „Dead Reckoning“. Noch | |
deutlicher wird er bei „Gentlemen’s Choice“: „The life that I’ve led … | |
better unsaid / The world has no use for my kind.“ | |
Auch das ist eine Eigenheit des Bandleaders: Man nimmt Everett solche Sätze | |
ab, wo sie bei anderen schnell nach traniger Befindlichkeitslyrik klingen. | |
Das Leben ist dem 51-Jährigen oft genug als Arschloch begegnet. Seinen | |
Vater verliert er mit 19. Seine Schwester beging Selbstmord, zwei Jahre | |
später stirbt die Mutter an Krebs. Und als am 11. September eine Boeing im | |
Pentagon einschlägt, sitzt seine Cousine an Bord. Kein Wunder, dass | |
Eels-Songs immer auch vertonte Vergangenheitsbewältigung sind. | |
Dass Everett über alledem seinen Humor nicht verloren hat, bedeutet umso | |
mehr. Den lässt er immer wieder aufblitzen, vor allem bei den | |
Live-Konzerten. Genüsslich kultiviert Everett dort seine Weirdness, tritt | |
mal im Trainingsanzug, mal in Hausmeisterkittel auf. Nie aber ohne den | |
talibanesken Vollbart, den er sich seit Jahren stehen lässt. | |
Mark Oliver Everett ist zu einer kauzigen Konstante im Popzirkus geworden. | |
Missen möchte man ihn nicht. Gute Songs werden schließlich nicht | |
langweilig. | |
22 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Josef Wirnshofer | |
## TAGS | |
Folk | |
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