# taz.de -- Sexuelle Gewalt in Sri Lanka: Vergewaltigung als Alltagsphänomen | |
> Nach Ende des Kriegs werden tamilische Frauen immer wieder von | |
> singhalesischen Soldaten sexuell missbraucht. Die Regierung wiegelt ab. | |
Bild: Eine Frau aus dem Ort Aluthgama, nördlich von Colombo. | |
Die Stadt Jaffna im Norden Sri Lankas ist auch fünf Jahre nach dem Krieg | |
noch voller Soldaten. Männer in Khakiuniformen fahren mit Gewehren auf | |
Fahrrädern an den brüchigen Mauern des Forts entlang. Auf Schildern grüßt | |
die Sri Lankan Navy, auf den Straßen fahren weiße Busse, auf deren | |
Zielanzeige in Schwarz „Sri Lankan Army“ prangt. | |
2009 endete der jahrzehntelange Krieg gegen die Separatistenbewegung | |
„Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE), die für einen Tamilenstaat | |
kämpfte, mit deren Niederlage. Noch immer steht das Militär im Norden. Die | |
Menschenrechtsaktivistin Sabiya Mendis sagt dazu: „Das Militär nimmt | |
Menschen fest, lässt sie verschwinden, vergewaltigt und foltert. Besonders | |
gefährdet sind alleinstehende tamilische Frauen.“ | |
Auf sexuelle Übergriffe von Soldaten gegen tamilische Frauen weisen | |
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch schon länger hin. Die | |
Zahl der Kriegswitwen im Norden und Osten wird auf 40.000 bis 90.000 | |
geschätzt. Immer wieder tauchen Videos auf, die sri-lankische Soldaten | |
zeigen, wie sie Frauen missbrauchen. | |
Meist zweifelt die Regierung die Videos an, nennt sie bedauerliche | |
Einzelfälle oder tut sie als Propaganda der Tamil Tigers ab. Einen | |
Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Vergewaltigungen und der | |
Militärpräsenz sieht das Verteidigungsministerium nicht. Mendis ist da | |
anderer Meinung. „Insbesondere Ex-LTTE-Kämpferinnen sowie Witwen von | |
Kämpfern müssen sich noch heute monatlich in Militärcamps oder | |
Polizeistationen registrieren – auch wenn sie Rehabilitierungsprogramme | |
mitgemacht haben“, berichtet sie. Diese Frauen werden auch häufig zu Hause | |
aufgesucht. | |
Dass sri-lankische Soldaten vergewaltigen, lässt sich angesichts der | |
Häufung der Vorwürfe kaum leugnen. Ob sie jedoch systematisch | |
vergewaltigen, lässt sich kaum beweisen. Aus juristischer Perspektive hat | |
das Militär zu viel Spielraum. So kritisiert die Genderexpertin Anna von | |
Gall vom European Center for Constitutional and Human Rights in Berlin den | |
1979 während des Kriegs eingeführten „Prevention of Terrorism Act“. | |
## Folter als Rache | |
Laut dem können Straftatverdächtige einfach festgenommen und längere Zeit | |
ohne Gerichtsverfahren inhaftiert werden. „Dieses Gesetz dient häufig der | |
Legitimation, um alleinstehende Frauen unter irgendwelchen Vorwänden zu | |
kontrollieren“, sagt von Gall. Die südafrikanische Anwältin Yasmin Sooka | |
hat für einen Bericht über Folter und sexuelle Gewalt von 2009 bis 2014 | |
vierzig unabhängig voneinander erstellte Berichte von ins Ausland | |
geflüchteten Tamilen gesammelt und durch psychologische und | |
rechtsmedizinische Gutachten ergänzt. | |
Das Fazit: Wer der LTTE angehörte, mit ihr sympathisierte oder im Verdacht | |
stand, es zu tun, wurde gefoltert. Die Opfer wurden kopfüber aufgehängt und | |
mussten Chilirauch einatmen. Zigaretten wurden auf ihnen ausgedrückt, sie | |
wurden mit Bügeleisen verbrannt, geschlagen und vergewaltigt. „Ich kenne | |
Frauen, die über Jahre vergewaltigt wurden und für die es keinen Ausweg | |
gibt. Sie kommen zu uns und wollen nur eine medizinische Behandlung ihrer | |
Wunden oder abtreiben – was in Sri Lanka illegal ist“, sagt Mendis. Für | |
viele Frauen sei die Situation nach dem Krieg noch schwieriger geworden, | |
denn sie könnten nicht flüchten. | |
Aus Angst, auch von der eigenen Gemeinschaft geächtet zu werden, sprächen | |
die meisten Frauen nicht über ihre Erlebnisse. Ähnlich wie im Nachbarland | |
Indien ist die Thematisierung von Vergewaltigungen tabu. Alleinstehende | |
Frauen seien nicht nur von Soldaten bedroht, sondern erlebten auch in den | |
eigenen Gemeinschaften Gewalt. „Vergewaltigungen sind nach dem Krieg ein | |
Alltagsphänomen geworden“, sagt Mendis. Sie spricht von einer „Kultur der | |
Straflosigkeit“. So sieht ein Gesetzentwurf des Familienministeriums vor, | |
dass vergewaltigte Frauen zu ihrer Rehabilitierung die Möglichkeit bekommen | |
sollen, ihre Täter zu heiraten. | |
27 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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