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# taz.de -- Künstlerleben: „Schön, mal in Ruhe nichts zu tun“
> In der Ausstellung „Regionale 2“ in Lübeck stellen sich die Stipendiaten
> der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein vor. Ein Blick in die
> Welt der Kulturförderung.
Bild: Schleswig-Holstein will mehr sein als Asphalt und Gras und fördert Werke…
LÜBECK taz |Alexandra Gauss hat erstmal ihren Aushilfsjob bei einem Frisör
für ein paar Monate ruhen lassen. Stattdessen hat sie gemalt und gemalt,
hat sich zwischendurch aber auch mal hingesetzt – und nichts produziert.
„Es war schön, mal in Ruhe gar nichts zu machen und stattdessen die Dinge,
die einen bewegen, sacken zu lassen“, sagt sie. Ermöglicht haben ihr das
6.000 Euro, überwiesen als Arbeitsstipendium für bildende Kunst der
Kulturstiftung des Landes Schleswig Holstein. „Ich habe das Gefühl, dass
ich willkommen bin, dass meine Arbeit einen Wert hat und dass sie mit
großem Interesse verfolgt wird“, kommentiert sie ihre Förderung.
Gauss, Jahrgang 1986, in Flensburg aufgewachsen, lebt nach dem Studium an
der Muthesius Hochschule weiterhin in Kiel und steht am Anfang ihres
künstlerischen Werdegangs. Vordergründig anders Volker Tiemann, der bereits
mit Einzelausstellungen in der Stadtgalerie Kiel und auf dem Flensburger
Museumsberg vertreten war: „Ich bin jetzt 50 Jahre alt, aber für mich wäre,
was meinen Alltag als Künstler betrifft, die Situation auch nicht besser,
wäre ich 35.“
## Geld gibt Zeit
Auch Tiemann ist Stipendiat des Landes Schleswig Holstein, wobei die
bewilligte Summe ihm geholfen hat, zwei größere, bereits verabredete
Ausstellungen zu realisieren: eine im Marstall in Ahrensburg und eine im
fernen Kunstverein Pforzheim. „Ich hätte das irgendwie auch so hinbekommen,
aber es war sehr praktisch und gut, dass ich so beide Projekte in Ruhe und
entspannt vorbereiten konnte, neben all dem, was man als Künstler Tag für
Tag zu erledigen hat“, sagt er.
Zugleich habe ihm das Geld ermöglicht, das Angebot eines
Arbeitsaufenthaltes im Museum der Westküste auf Föhr anzunehmen – eine
zunächst unbezahlte Tätigkeit, die sich aber nun durch den Ankauf eines
seiner Werke durch das Museum ins absolut Positive gewendet und auch
gelohnt habe. Er sagt: „Das Stipendium ist nun nicht so viel Geld, dass man
in Saus und Braus leben könnte; aber es ist auch nicht so wenig, dass man
es nicht merkt.“
Gauss und Tiemann, beide sind sie mit Werken in der Ausstellung „Regionale
2“ in der Overbeck Gesellschaft in Lübeck vertreten, eine Art Schaufenster,
in dessen Auslage der Bürger betrachten kann, welche Stipendiaten in den
letzten drei Jahren gefördert wurden: Gauss ist mit beeindruckend
farbintensiver Malerei vertreten, die uns nicht nur das nächtliche,
menschenleere Bahnhofsviertel Flensburgs nahebringt; Tiemann überzeugt auch
mit einer listigen, skulpturalen Arbeit, die er Foto-dokumentarisch im
nächsten Schritt kommentiert: Der Künstler sitzt sinnierend mit
rätselhafter Bänder-Skulptur auf dem Schoß auf einem geflickten
Wirtschaftsweg vor nordfriesischer Wolkenkulisse.
Auch die geförderten Mitstreiter und Mitstreiterinnen lohnen einen Besuch:
Da lässt Martin Hoener Konfetti, das er aus dem 42. Kapitel von „Moby Dick“
gestanzt hat, wie Popcorn tanzen; da zeigt Toshi Winschermann zwei
Fotoarbeiten aus seiner Reihe „Spring Rain“, für die er Familien besuchte,
die von der Reaktorkatastrophe in Fukushima betroffen sind. Dabei ist auch
das Kieler Multitalent Jimok Choi mit seinen zersägten und neu
zusammengefügten Bildern und Bilderrahmen.
## Keine Eintagsfliegen
Die Stipendiaten der Sparten Literatur, Musik und Theater wie die
Schriftstellerin Mareike Krügel, die Theaterautorin Katrin Ammon oder der
Komponist Thomas Reifner bestreiten dazu ein umfangreiches, abendliches
Rahmenprogramm. Ein gemeinsamer Katalog, der nächster Tage erscheint, soll
eine weitere Plattform bieten, um die Künstler kennenzulernen – und nicht
so schnell wieder zu vergessen.
Zugleich versteht sich die „Regionale 2“ keinesfalls nur als eine aktuelle
Auswertungsschau, sie ist zugleich als Klammer gedacht, um in der Zukunft
fortlaufend über das Stipendiatenprogramm (Gesamtumfang pro Jahr 40.000
Euro) und seine Ausbeute zu berichten, so wie für das übernächste Jahr die
„Regionale 3“ bereits verabredet ist.
Das Land Schleswig Holstein hat zuletzt einiges an Anstrengungen
unternommen, seine unterschiedlichsten Fördertöpfe und strategien zu
analysieren und zu ordnen – von der dauerhaften institutionellen Förderung
von Museen, Musikbühnen und Kunsthäusern bis zur temporären Kultur und
Kunstförderung Einzelner. Alles mündete schließlich in die Leitlinien
„Kulturperspektiven für Schleswig Holstein“, deren einzelne Arbeitsschritte
umfangreich auf der Website [1][www.schleswig-holstein.de] dokumentiert
sind.
Immer wieder wird dabei auf die angespannte Haushaltslage und auf die
knappen kommunalen Kassen hingewiesen; ausdrücklich wird das unbezahlte
Ehrenamt hervorgehoben und sehr gelobt. Entsprechend ist eine der
Zielvorgaben durchaus dringlich zu nennen: „Die rechtlichen und sozialen
Arbeitsbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern und sonstigen
Kulturakteuren dürfen nicht verschlechtert werden.“
Wie man die zu fördernden einzelnen Künstler seinerseits sozialökonomisch
einordnet, verrät ein weiterer Passus: „Förderungen des Landes werden nur
gewährt, wenn der gesetzliche Mindestlohn eingehalten wird.“ Es geht also
für Menschen wie Alexandra Gauss und Volker Tiemann in den Monaten ihrer
Förderung um ein Dasein zwischen Gebäudereiniger und Saisonarbeiter in der
Landwirtschaft, aber noch besser gestellt als der Zeitungszusteller.
Dass so ganz offiziell der prekäre Status der Kunst und Kulturschaffenden
festgeschrieben ist, hat die kulturpolitisch Verantwortlichen um
Kulturministerin Anke Spoorendonk nicht davon abgehalten, immer wieder
wortreich ins Schwärmen zu geraten, wenn es Schleswig Holstein als
Kulturstandort zu beschwören galt. Und so spannt man am Ende einen großen
Bogen von der Pflicht zur Bewahrung des kulturellen Erbes bis hin zur
Präsentation und Vermittlung von Gegenwartskultur und kunst. Gerade hier
werden Neuerungen und originäre Ideen gefordert: „Kulturelle Angebote, die
nur Klischees transportieren, werden bei Nutzerinnen und Nutzern keinen
tieferen Eindruck hinterlassen und keine Lust auf eine weitere Entdeckung
der Region wecken.“ Stattdessen solle eine eigene „landesweite Kulturmarke�…
entwickelt werden, mit Rückgriff auf die bisherige, allgemeine „Dachmarke“.
Und die lautet schließlich: „Schleswig Holstein. Der echte Norden“.
## Die Ausstellung „Regionale 2“ in der Lübecker Overbeck-Gesellschaft
läuft bis zum 7. September
4 Aug 2014
## LINKS
[1] http://www.schleswig-holstein.de/MJKE/DE/Kulturpolitik/Kulturdialog/kulturd…
## AUTOREN
Frank Keil
Frank Keil
## TAGS
Schleswig-Holstein
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