| # taz.de -- Archaische Seelensuche: Das Ich des Adlers | |
| > Zu viel Experiment, zu abstrakt: Die frühen Werke von Richard Haizmann | |
| > waren den Nazis zu modern. Jetzt zeigt ihn das Hamburger Museum für Kunst | |
| > und Gewerbe. | |
| Bild: Wie Abdrucke von Felszeichnungen aus lang vergangener Zeit: "Stier" aus d… | |
| HAMBURG taz | Der sehr stilisierte Porträtkopf von Max Sauerlandt, schmal | |
| wie ein in den Raum gedrehtes Relief, öffnet am Beginn dieser | |
| Ein-Raum-Ausstellung im [1][Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe] ein | |
| Kapitel norddeutscher Kunstgeschichte. Denn der hier im Eisenguss verewigte | |
| Kunsthistoriker, der von 1919 bis 1933 Direktor des Hauses war, war auch | |
| ein großer Förderer des Künstlers Richard Haizmann: Er richtete dem | |
| Autodidakten 1926 eine Ausstellung aus, nur zwei Jahre nachdem dieser | |
| begonnen hatte, Kunst zu machen. So knüpft die Ausstellung von dessen | |
| frühen Zeichnungen und Skulpturen im kleinen Ausstellungsraum des Museums | |
| (Haspa-Galerie), in dem stets Teile der Sammlung einer Hamburger Sparkasse | |
| gezeigt werden, an gute Tradition an. | |
| ## Das innere Feuer | |
| Richard Haizmann wurde 1895 in Villingen im Schwarzwald in einer | |
| tiefreligiösen Familie geboren. Direkt nach dem Gymnasium ging er 1914 als | |
| Freiwilliger in den Weltkrieg. 1917 bis 1920 verbrachte er in französischer | |
| Kriegsgefangenschaft. Dort im Lager lernte er einen Kreis kunstbeflissener | |
| Offiziere kennen, die sein weiteres Leben stark beeinflussten. | |
| In Hannover wurde er Mitarbeiter einer Galerie, dann ging er nach Hamburg | |
| und eröffnete 1922 seine eigene Galerie, das „Graphische Kabinett“. Gleich | |
| zu Beginn stellte er unter anderem Vincent van Gogh und Emil Nolde aus. | |
| Doch immer stärker spürte er ein „inneres Feuer“ und beschloss nach zwei | |
| Jahren, selbst als Künstler zu arbeiten. | |
| Schon über seine ersten Zeichnungen von eiförmig vereinfachten Köpfen mit | |
| meditativ geschlossenen Augen sagte Max Sauerlandt: „Das sind Wesen einer | |
| frühen Kultur, die noch ganz mit Gott verbunden war. Geheimnisvoll, aber | |
| nah und fern zugleich. Nie habe ich so etwas gesehen.“ Ganz sicher trifft | |
| hier der Begriff „archaisch“ zu, speziell im Verweis auf diese frühe Form | |
| altgriechischer Plastik. Auch ein Einfluss asiatischer Kunst scheint | |
| anzuklingen. Doch es gibt noch eine weitere, eher religiöse Inspiration: | |
| Eine strenge schwarze Maske von 1928, genannt „Das geistige Porträt Rudolf | |
| Steiners“, verweist auch darauf, wie weitgehend Haizmann von der Theosophie | |
| und Anthroposophie beeinflusst war. So sind die stark formalisierten Köpfe | |
| seiner zahlreichen Pastelle nicht nur damals zeitgemäße Formreduktionen, | |
| ihr geisterhafter Eindruck ist durchaus inhaltlich gemeint, war Haizmann | |
| doch auf der Suche nach der Darstellung des „Astralleibes“, jener | |
| eigentlich unsichtbaren Erscheinungsform der Seele. | |
| Immer wieder sind auch Tiere Thema für ihn. Er möchte einer geheimnisvollen | |
| „inneren Form“ dieser Wesen nachspüren, versucht dem „Ich des Adlers“ | |
| Ausdruck zu geben. Zwar ist die so betitelte Metallplastik von 1931 ein | |
| Entwurf für ein Gefallenen-Denkmal zum Ersten Weltkrieg, doch die weich | |
| geschwungene Form ist zeitlos. Und, wie manche der kleineren Tierplastiken, | |
| durchaus mit den Skulpturen von Hans Arp und Constantin Brancusi, ja mit | |
| Henry Moore vergleichbar. | |
| Neu in damaliger Zeit waren auch die Materialdrucke, bei denen | |
| Alltagsfundstücke benutzt wurden. Haizmann erstellt damit vage an abstrakte | |
| Tierdarstellungen erinnernde Flächen, die wie Abdrucke von Felszeichnungen | |
| aus grauer Vorzeit wirken. Eine Wand füllen acht Lithographien von 1925 mit | |
| Tiercharakteren, die zugleich eine Mustermappe für Wege der Abstraktion | |
| sein könnten: Da gibt es eine aus einem fast krakeligem Liniengeflecht | |
| entwickelte Katze, ein aus fünf Strichen fragil angedeutetes großes Insekt | |
| und einen Elefanten, dessen grobe, rein flächig verstandene Form mit | |
| weiteren, den Umriss aufnehmenden Linien ausgefüllt ist. Ein massiger Stier | |
| wird dagegen in erdig rotbraunen Flächen gegeben, fragile | |
| Schwarz-Weiß-Formen bilden ein graziles Reh. | |
| ## Zu neugierig für die Nazis | |
| Besonders ungewöhnlich ist der „Laufende Vogel“, der zwischen aus dem | |
| Hintergrund ausgesparten weißen Wolken dargestellt ist und dessen gerade | |
| Form vom Schnabel über den Rücken bis zum Schwanz hier in der Nähe der | |
| Design-Abteilung des Museums auch an einen Entwurf für einen Tisch denken | |
| lässt. | |
| Bei dieser Experimentierlust und metaphysischen Suche, bei dieser | |
| Modernität, die in den 30er-Jahren einen internationalen Vergleich nicht | |
| scheuen musste, ist es naheliegend, dass die Nationalsozialisten die Werke | |
| von Richard Haizmann für „entartet“ erklärten. Max Sauerlandt war gleich | |
| 1933 entlassen worden, er konnte nicht mehr verhindern, dass 1937 auch 39 | |
| Arbeiten Haizmanns aus dem Museum beschlagnahmt wurden. | |
| Richard Haizmann zog sich nach Nordfriesland zurück, in die Nachbarschaft | |
| von Emil Nolde. Wie viele der ab 1933 verfemten Künstler konnte er nach | |
| 1945 aber nicht mehr an die früheren Erfolge anknüpfen. Er starb 1963 in | |
| Niebüll. Dort ist im ehemaligen, 1927/28 erbauten Rathaus seit 1986 das | |
| Richard-Haizmann-Museum untergebracht, das sich um den Nachlass kümmert. | |
| ## Richard Haizmann – Frühe Zeichnungen und Skulpturen: Dienstag bis | |
| Sonntag, 10 bis 18 Uhr; Donnerstag, 10 bis 21 Uhr, Hamburger Museum für | |
| Kunst und Gewerbe, Steintorplatz. Bis Mai 2015 | |
| 12 Aug 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.mkg-hamburg.de/de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Hajo Schiff | |
| ## TAGS | |
| Skulptur | |
| Entartete Kunst | |
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