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# taz.de -- "Kontaminiertes" Urteil: Nazi-Drohungen „irrelevant“
> Nach Kirchweyhe-Prozess ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen
> Falschaussagen. Das Gericht weist den Vorwurf der Intransparenz zurück.
Bild: Ein bedrohter Richter, acht Zeugen, die wegen Falschaussage angeklagt wur…
BREMEN taz | Der Präsident des Landgerichts Verden weist die Kritik der
zwei Verteidiger am Kirchweyhe-Prozesses zurück. Die Anwälte beschwerten
sich, dass sie über die Drohungen von Neonazis gegen den Vorsitzenden
Richter nicht informiert wurden. Sie nannten das Urteil deshalb
„kontaminiert“ und beantragten Revision. Davon unabhängig ermittelt die
Staatsanwaltschaft gegen acht Zeugen wegen Falschaussagen.
Im Februar war der Angeklagte Cihan A. vor dem Landgericht Verden wegen
Körperverletzung mit Todesfolge zu fünf Jahren und neun Monaten
Jugendstrafe verurteilt worden. Das Gericht sah als erwiesen an, dass er im
März 2013 den 25-jährigen Daniel S. nach einem Diskobesuch in Kirchweyhe zu
Tode getreten hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre gefordert,
die Verteidiger wollten einen Freispruch. Bis heute missbrauchen Neonazis
den Fall wegen des Migrationshintergrunds von Cihan A. für ihre Propaganda.
Dass Neonazis auch den Richter massiv persönlich bedrohten, hatten die
Verteidiger durch einen Hinweis erst nach dem Ende des Prozesses erfahren.
„Wenn wir das frühzeitig gewusst hätten, hätten wir unser Prozessverhalten
darauf eingestellt“, sagte Verteidiger Jürgen Meyer. Landgerichtspräsident
Rüdiger Lengtat erklärte nun: „Diese Position ist nicht nachvollziehbar.“
Weiter wollte er das nicht kommentieren. In einem Brief hatte er den
Verteidigern bereits mitgeteilt: „Von mir angeordnete Maßnahmen haben
nichts mit Ihrer Verteidigung zu tun.“
Laut Nicola Petriconi, Sprecherin des Landgerichts, handelte es sich „um
Beschimpfungen und Bedrohungen, dass der Vorsitzende Richter den Tag der
Urteilsverkündung nicht erleben werde“. Und sie erklärt weiter: „Der
Angeklagte ist mit Sicherheit ebenso bedroht worden, durch wen ist
allerdings unbekannt, die Bedrohungen erfolgten im Internet.“
Laut Gerichtssprecherin Petriconi seien die Sicherheitsmaßnahmen im Prozess
nach dem 29. Januar 2014 verstärkt worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte das
Gericht in einem Zwischenfazit eine Anklage wegen Mordes oder Totschlages
ausgeschlossen, weil kein Vorsatz erkannt werden konnte. Das hatte in
rechten Kreise für Aufregung gesorgt, sie wollten Cihan A. hinter Gittern
sehen. Laut den Verteidigern sei die private Adresse des Richters samt
Wegbeschreibung veröffentlich worden, um sich an ihm im Falle eines zu
milden Urteils zu rächen. Das wollte Petriconi nicht bestätigen.
Aber: „Es wurden durchgehende Einlasskontrollen angeordnet, die auch dem
Schutz des Angeklagten dienen sollten“, so die Gerichtssprecherin. Außerdem
sei an der Tür des Richterzimmers das Namensschild entfernt und die
Türklinke durch einen Knauf ersetzt worden. Damit, dass sie das alles nicht
wussten, begründen die Verteidiger nun auch ihre Revision.
Der Prozess selbst war von Anfang an durch den Verdacht der Beeinflussung
geprägt: Zeugen widersprachen sich, hatten große Erinnerungslücken.
Staatsanwältin Annette Marquardt vermutet dahinter eine Beeinflussung
zugunsten des Angeklagten und hatte schon während des Prozesses mit
Konsequenzen gedroht. Nach Angaben eines Sprechers der Staatsanwaltschaft
sind mittlerweile tatsächlich acht Verfahren wegen Falschaussagen
eingeleitet worden, eines wurde eingestellt, in einem weiteren gibt es eine
rechtskräftige Verurteilung. Ein Hinweis auf eine Bedrohung allerdings habe
bislang nicht nachgewiesen werden können. Für ein Verfahren wegen der
Drohungen gegen den Richter sah die Staatsanwaltschaft keinen
Anfangsverdacht.
12 Aug 2014
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Kirchweyhe
Prozess
Revision
Schwerpunkt Neonazis
Kirchweyhe
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eines milden Urteils mit Rache gedroht haben.
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