# taz.de -- Bestsellerautorin im Schanzenviertel: So authentisch! | |
> Für ihren jüngsten Roman hat sich Ildikó von Kürthy im Hamburger | |
> Schanzenviertel eingemietet. Was sie von dort nach Hause schrieb? | |
> Exklusiv in der taz. | |
Bild: Ganz unten in der Schanze: Ildikó von Kürthy | |
Liebes Mamili! | |
ich habe nach dem vielen Hin und Her mit meinem Verlag endlich meine Idee | |
für das Setting meines nächsten Romans durchsetzen können. Nicht, dass | |
Rowohlt meint, mir etwas sagen zu können, schließlich schreibe ich Bücher, | |
die sich sechs Millionen mal verkaufen und nicht diese kleinen, knuddeligen | |
Lektoren, mit denen man um jede ausschweifende Sexszene kämpfen muss wie | |
die Sylter um jeden Krümel Sand. | |
Der Verleger hatte mir 75.000 Euro mehr geboten, wenn ich meine nächste | |
Geschichte in meinem Milieu spielen lasse. Aber Mami, ich bin | |
Eppendorf-Winterhude-Rotherbaum und auch die Elbvororte sooo leid! Es mag | |
ja das passende Umfeld sein, um die Kinder auf den richtigen Weg zu bringen | |
– aber schöpferisch?!? Das Spannungsfeld liegt schneller am Boden als ich | |
beim Schlittschuhlaufen! Zumal ich ja über Scheitern und Abstieg schreiben | |
möchte. Deswegen ist mir das Schanzenviertel als Kulisse so wichtig. | |
Meine Protagonistin wird aus ihrem Milieu gekegelt (also, im Kern ist die | |
Handlung die Übliche. Viel Push-up- und Diät-Witze, die Frau, das ewig | |
scheiternde, selbstzweifelnde Wesen, der Mann, der sich eine Andere sucht…) | |
und sie muss ganz unten wieder anfangen. Aber eher so | |
Bionade-Style-ganz-unten, so „arm aber sexy“– sonst müsste ich meine | |
Gefallene ja nach Billstedt ziehen lassen, was für einen Rowohlt-Roman dann | |
doch zu asozial ist. | |
Die Sternschanze ist da genau die richtige Umgebung! Alles ein wenig | |
runtergekommen, Häuser, die seit Adenauer nicht renoviert wurden, lauter | |
kreative Leute, die zu einem Witzlohn arbeiten, für den ich nicht einmal | |
den Stift heben würde und die ihr Gemüse beim Türken kaufen. Die Türken | |
sind tatsächlich sehr nett – ich war in den letzten Tagen viel im | |
Schanzenviertel unterwegs. Die Gemüseläden sind zwar nicht so gepflegt, wie | |
die rund um die Alster, aber immerhin gibt es Flugmangos. Und, sie machen | |
die Schanze (so heißt das Viertel unter den Insidern) menschlicher. | |
Als ich meinen Cayenne nur mal gaaanz kurz vor der Einfahrt von so´nem | |
Lesbentreff abgestellt hatte, war sofort ein Reifen zerstochen. Noch bevor | |
ich mein Phone aus meiner Kelly-Bag gefischt hatte, war Erkan schon da und | |
hat mir den Reifen gewechselt. Ich wollte ihm 50 Euro für seine Mühe geben, | |
aber er wollte das Geld partout nicht annehmen! (Wobei ich mich frage, ob | |
es vielleicht auch daran lag, dass er meinen 200-Euro-Schein nicht wechseln | |
konnte?) | |
Dieses Erlebnis ist eine super Inspiration für mich. Ich habe wirklich sehr | |
tolle Gemüsetürken kennengelernt. Sie sind wahnsinnig nett, wenn man | |
langsam mit ihnen spricht und sie haben mir versprochen, Ihre Kinder brav | |
in die Schule zu schicken. Auch die Mädchen. | |
Ein wenig kenne ich das Viertel ja auch noch aus meinen Anfangstagen als | |
Journalistin. Erinnerst Du Dich noch an Jürn, mit dem ich damals zusammen | |
war? Der hat in der Bartelstraße gewohnt. Mit dem bin ich immer zu | |
„Noodles“ gegangen. Einen Riesenteller Pasta für 2,50 Mark! Unglaublich! | |
Dafür bekommt man heute nicht mal eine Jacobsmuschel. | |
Ich habe mir überlegt, ich werde diesen netten Menschen in meinem Buch ein | |
Denkmal setzen. Ein Türke wird es sein, der meiner Heldin in einer total | |
peinlichen Situation begegnet und ihr hilft. Obwohl sie so weit über ihm | |
steht. Sex wird sie allerdings nicht mit ihm haben, dass wäre dann etwas | |
sehr krass und holt meine Leserin nicht ab. | |
Wunder Dich bitte nicht, Mumamski, wenn Du mich momentan nicht so gut | |
erreichst. | |
Ich bin viel für die Recherche unterwegs und muss mich aktuell doch sehr um | |
die Kinder kümmern. Gestern ist die Adressliste von Gábors neuer | |
Schulklasse gekommen. Ich will nachher mal die Häuser abfahren und schauen, | |
welches Kind zu ihm passt. | |
So, ich muss jetzt los, Leonard zum Hockey-Yoga bringen, Kuss Mamili! | |
Deine Illi | |
2 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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