| # taz.de -- Überschwemmungen in Bosnien: Die Menschen leben wieder in Angst | |
| > Weniger als ein halbes Jahr nach dem letzten großen Hochwasser sind die | |
| > Dörfer um Prijedor schon wieder von Fluten bedroht. | |
| Bild: Wasserschäden im bosnischen Dorf Topcic Polje im August. | |
| PRIJEDOR taz | Die Blicke der Menschen richten sich angstvoll gen Himmel. | |
| Wieder sind tiefgraue Wolken aufgetaucht, das nächste Gewitter ist im | |
| Anzug. „Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, bin jede Stunde | |
| rausgegangen und habe den Fluß Sana beobachtet“, sagt Sudbin Music, dessen | |
| Haus in Ufernähe steht. Das Wasser steht im Garten, hat aber die | |
| Türschwelle noch nicht erreicht. | |
| Vor vier Monaten stand das Wasser schon einmal meterhoch und überflutete | |
| das Erdgeschoss. Monate brauchten die Mutter und die Schwester des | |
| 43-jährigen Sudbin, gemeinsam das Haus wiederherzurichten. Ein neuer | |
| Fliesenboden wurde mithilfe von Exilbosniern aus Graz gelegt, die das | |
| Material mitgebracht hatten. Die Waschmaschine funktioniert immer noch | |
| nicht, das neue Sofa und die Sitzecke sind ebenfalls eine Spende. Nur die | |
| Straße trennt das Flussbett von den Häusern hier in Carakovo, einem Dorf | |
| fünf Kilometer von der westbosnischen Stadt Prijedor entfernt | |
| . Hier leben meist arbeitslose bosniakische Rückkehrer, viele von ihnen | |
| sind Überlebende der ethnischen Säuberungen von 1992 und waren Insassen der | |
| Konzentrationslager Omarska, Keraterm und Trnopolje. Ihre Häuser wurden | |
| damals von serbischen Extremisten niedergebrannt. Als sie sich nach Jahren | |
| entschlossen, in ihre Heimat zurückzukehren, fanden sie nur Ruinen vor. In | |
| mühevoller Arbeit haben sie ihre Häuser wiederaufgebaut. | |
| ## Seit Monaten regnet es jeden Tag | |
| So auch Fikret, der mit Frau, Mutter und dem halbwüchsigen Sohn weiter | |
| unterhalb des Flusses lebt. Die Straße ist hier schon zum Teil weggespült, | |
| und die reißenden Fluten sind nur noch drei Meter von der Hauswand | |
| entfernt. „Seit Monaten regnet es jeden Tag, der Boden ist vollgesaugt mit | |
| Wasser, das Grundwasser steht sehr hoch, jeder Regenschauer lässt den Fluss | |
| anschwellen. Vielleicht müssen wir das Haus räumen.“ | |
| In der 100.000 Einwohner zählenden Stadt Prijedor selbst hat die Sana | |
| erneut die Altstadt erreicht. Sogar das beliebte Restaurants Papa Joe ist | |
| vom Wasser bedroht, das Häuschen von Emina ist von den Wassermassen | |
| umschlossen. Die alleinstehende Mutter ist verzweifelt und weiß wie die | |
| meisten serbischen Nachbarn nicht mehr, was sie machen soll. | |
| ## Der Wasserpegel von Sava und Donau steigt | |
| Weiter unterhalb, in der Sava- und Donauebene, sieht es noch schlimmer aus. | |
| Die Regenfälle in Südösterreich und Slowenien haben die Flüsse Sava und | |
| Donau in Kroatien und Serbien wieder bedrohlich ansteigen lassen. 2.000 | |
| Menschen aus der Gegend um Karlovac wurden evakuiert, in Serbien hat es | |
| sogar wieder ein Todesopfer gegeben. | |
| Noch hat das neue Hochwasser nicht die Höhe des Jahrhunderthochwassers vom | |
| Mai erreicht, doch die meisten der knapp zwei Millionen Menschen, deren | |
| Häuser damals überschwemmt worden waren, leben heute wieder in Angst. Und | |
| für Tausende hat sich in den letzten Tagen die Geschichte wiederholt. | |
| Sudbin Music, der sich in der Menschenrechtsorganisation „Prijedor 1992“ | |
| engagiert, versucht, obwohl selbst von der Flut betroffen, Hilfe für seine | |
| Nachbarn zu organisieren. Doch nur ein einziger aus Österreich stammender | |
| Vertreter der Evangelikalen aus Sarajevo steht bereit, einigen Familien zu | |
| helfen. | |
| 16 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
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