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# taz.de -- Finanziell ratlose Berater: Kein Geld für Beratungsstellen
> Die Verbraucherzentralen im Norden erhalten eine geringe
> Basisfinanzierung, den Großteil müssen sie durch Projektmittel
> bestreiten.
Bild: Weniger Geld für mehr Arbeit: Verbraucherzentralen im Norden.
KIEL taz | Sie berät andere – ist aber selbst zunehmend ratlos: Die
Verbraucherzentrale in Schleswig-Holstein steckt in finanziellen Nöten.
Auch in anderen norddeutschen Ländern ist die Entwicklung ähnlich, wie ein
Gutachten zeigt. Die Opposition im Kieler Landtag sieht die unabhängigen
Beratungsstellen in Gefahr, das Wirtschaftsministerium mahnt zur Ruhe. Doch
eine Lösung hat niemand. Das Gutachten rät, „Undenkbares zu denken“.
Gut 54.000 Mal klingelten im vergangenen Jahr in den fünf Beratungsstellen
in Schleswig-Holstein die Telefone – oft genug aber fand sich niemand, der
den Hörer abnahm. Denn trotz steigendem Beratungsbedarf zu Themen von
Altersvorsorge über Energiesparen bis Versicherungen mussten die
Verbraucherzentralen ihre Öffnungszeiten reduzieren. Gab es im Jahr 2000
noch in 23 Orten in Schleswig-Holstein Verbraucherzentralen, sind heute nur
noch größere Orte wie Kiel, Norderstedt und Lübeck besetzt.
## Kürzen und Knapsen
Auch andere Nord-Länder knapsen und kürzen: Bremen etwa gab 2013 über
40.000 Euro weniger für Personalkosten aus als noch im Vorjahr – das
bedeutet weniger Beschäftige und weniger Beratung. „Derzeit gibt es sechs
Stellen für 550.000 Einwohner im Land Bremen; das sind 0,00001 Stelle pro
Einwohner“, hat Geschäftsführerin Irmgard Czarmecki für den jüngsten
Jahresbericht ausgerechnet.
Während die Landesregierungen von Bayern oder Baden-Württemberg bis zu 50
Prozent der jährlichen Kosten für Personal, Räume und Material als
Basis-Förderung zahlen, sind es in Niedersachsen 40 Prozent, in
Schleswig-Holstein und Bremen um 20 und in Hamburg sogar nur 13 Prozent.
Den Rest müssen sich die norddeutschen Verbraucherzentralen selbst
erarbeiten, wobei durch Honorare aus Beratungen nur geringe Beträge
hereinkommen, schließlich sind die vergleichsweise niedrigen Preise Teil
des Selbstverständnisses: 135 Euro kostet ein ausführliches Gespräch zur
Altersvorsorge, offizielle Musterbriefe gibt es schon für einen Euro.
Der Großteil der Jahresbudgets stammt inzwischen aus Projekt-Mitteln, deren
Beschaffung Arbeitskraft bindet und die nur befristet gezahlt werden. Endet
ein Projekt, müssen die Beschäftigten gehen – etwa in Bad Segeberg, wo die
Finanzierung einer Schuldnerberatungsstelle nur bis Ende 2015 sicher ist.
## Von der Hand in den Mund
Die Belegschaft fühle sich ständig unter einem Damoklesschwert, heißt es im
Gutachten, das die Beratungsagentur Rosenberger und Partner im Auftrag des
Kieler Wirtschaftsministeriums erstellt hat, um neue Perspektiven für die
Verbraucherberatungen zu entwerfen. Bis 2017 haben die Beratungsstellen
eine gewisse Sicherheit, weil das Land ihnen einen festen Jahresbetrag von
700.000 Euro zugesagt hat – bei einem Gesamtbudget von 2,4 Millionen Euro.
In Bremen ist die Lage ähnlich: Der Anteil an Projektmitteln betrage das
Vierfache der Basisförderung, heißt es im Jahresbericht 2013.
„Durch diese Form der Projektitis leben ganze Bereiche der sozialen Arbeit
nur noch von der Hand in den Mund“, sagt Ulrich Schneider,
Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes: „Sei es in der
Jugendhilfe oder bei Beratungseinrichtungen, Integrationshilfen für
Migrantinnen und Migranten oder Beschäftigungsangeboten für
Langzeitarbeitslose.“
In Schleswig-Holstein wollen Wirtschaftsministerium und Verbraucherzentrale
in den kommenden Wochen über Konzepte sprechen, um die Beratung zu sichern.
Dass die Basisfinanzierung erhöht wird, scheint angesichts des klammen
Landeshaushalts wenig wahrscheinlich. Eher wird es darum gehen, die
Aufgaben weiter zu reduzieren.
23 Oct 2014
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Verbraucherzentrale
Schleswig-Holstein
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