# taz.de -- Überkapazitäten in Kitas: Mal kürzer, mal länger | |
> Eine Erhebung zeigt: Eltern schöpfen bewilligte Betreuungszeiten in Kitas | |
> nicht voll aus. Der Finanzsenator will die Kapazitäten besser nutzen. | |
Bild: Stiefelträger, seid ihr alle da? | |
Jetzt ist es amtlich: Eltern von Kindern zwischen drei und sechs Jahren | |
nutzen die Kita-Betreuung, die das Land für sie bezahlt, nicht vollständig | |
aus, sondern holen ihren Nachwuchs auch mal früher ab. Das ist das Ergebnis | |
einer Erhebung im Auftrag des Senats, für die im Sommer drei Wochen lang | |
die Anwesenheit der Kinder in den Kitas kontrolliert und mit den | |
finanzierten Betreuungszeiten abgeglichen wurde. Nachdem einige Zahlen | |
bereits durchgesickert waren, machte der Paritätische Wohlfahrtsverband | |
gemeinsam mit dem Dachverband der Kinder- und Schülerläden (DaKS) die | |
Studie am Mittwoch öffentlich. | |
Kinder haben je nach Arbeitszeit der Eltern unterschiedliche Ansprüche auf | |
Betreuung. Jungen und Mädchen mit einem Anspruch auf 5 bis 7 Stunden | |
verbringen laut der Studie im Mittelwert 6 Stunden und 39 Minuten in der | |
Einrichtung. Kinder mit einem Anspruch auf 7 bis 9 Stunden sind im Schnitt | |
7,5 Stunden da, Kinder, denen mehr als 9 Stunden bezahlte Betreuung | |
zustehen, knapp 8,5 Stunden. Nur die Eltern, die ihre Kinder halbtags, also | |
4 bis 5 Stunden lang, betreuen lassen, nutzen das auch ganz aus: Ihre | |
Zöglinge verbringen laut der Erhebung im Schnitt etwas über 5 Stunden in | |
der Kita. | |
## Kostenlose Kita ab 3 Jahren | |
Hinter der Studie steht die Kostenfrage: Früher mussten die Eltern, nach | |
Einkommen gestaffelt, einen Teil der Betreuung selbst bezahlen. Seit 2011 | |
ist der Kitabesuch in Berlin für alle Kinder ab drei Jahren kostenfrei. Bei | |
der Umstellung gab es in der Finanzverwaltung die Befürchtung, dass Eltern | |
sich nun mehr Betreuung bezahlen lassen könnten, als sie tatsächlich | |
nutzen, da sie nichts mehr zuschießen müssen. | |
Die Studie zeigt zwar, dass die Betreuungszeiten nicht ausgeschöpft werden, | |
gleichzeitig entkräftet sie diese Befürchtung. Denn Kinder unter drei | |
Jahren werden im Schnitt ähnlich lange in der Kita gelassen wie ältere | |
Jungen und Mädchen – obwohl die Eltern hier noch mitbezahlen. „Die Beiträ… | |
scheinen keinen Einfluss auf das Nutzungsverhalten zu haben“, so Martin | |
Hoyer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. | |
Hoyer und seine Kollegen haben die Daten ausgewertet. Sie glichen die | |
Anwesenheit der Kinder mit der Anwesenheit der ErzieherInnen ab und | |
stellten annähernde Deckungsgleichheit fest. „Im Mittelwert sind die | |
Erzieherinnen in der Woche pro Gruppe 10 Minuten länger da als die Kinder“, | |
so Hoyer. | |
Das klingt zunächst wie eine gute Nachricht, reicht aus Sicht der | |
Kita-Träger aber nicht aus. Denn außer für Beaufsichtigung und Förderung | |
der Kinder müssten Erzieherinnen auch Zeit haben für Elterngespräche, | |
Fortbildung und Dokumentation, so Hoyer. Zudem seien die Einrichtungen | |
gehalten, lange zu öffnen. Auch in diesen Randzeiten müssten Erzieherinnen | |
anwesend sein. Sein Fazit: „Der Schlüssel von einer Erzieherin auf neun | |
Kinder kann in der Praxis nicht eingehalten werden. Wir brauchen eine | |
Neubewertung der gesetzlichen Grundlage.“ | |
Die Finanzverwaltung kommt nach Durchsicht der Studie zu einem ganz anderen | |
Schluss. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) hofft offenbar, mehr | |
Kinder in den bestehenden Einrichtungen unterbringen zu können. „Es kann | |
nicht sein, dass viele Familien auf Kitaplätze warten müssen, weil fast ein | |
Viertel der vorhandenen und bezahlten Kapazitäten ungenutzt bleiben“, sagte | |
er zur taz. Das Land gebe aus gutem Grund 1,2 Milliarden Euro für die | |
Kitabetreuung aus. „Dieses Geld muss den Familien mit Kindern zugutekommen | |
und darf nicht in ungenutzte Kapazitäten fließen.“ | |
Von der Senatsverwaltung für Bildung wiederum kamen beschwichtigendere | |
Töne: „Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass die Flexibilität der Eltern | |
nicht eingeschränkt wird“, sagte Sprecher Ilja Koschembar. Die | |
Lebensrealität sehe eben so aus, dass man sein Kind mal länger und mal | |
kürzer in der Kita lasse. Koschembar: „Wir wollen nicht, dass es hier | |
Einschnitte gibt.“ | |
12 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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