# taz.de -- Hausprojekt Rathausstern in Berlin: „Wir waren Versuchskaninchen�… | |
> Im Vergabeverfahren für die ehemalige Polizeiwache in Lichtenberg kam die | |
> Hausprojektgruppe "Rathausstern" in die Endrunde - und verlor. Warum? | |
Bild: Die Initiative Rathausstern wollte eine ehemalige Polizeiwache in Lichten… | |
taz: Frau Rosenthal, Ihre Initiative hat sich mehr als zwei Jahre lang | |
darum bemüht, die ehemalige Polizeiwache in der Lichtenberger Rathausstraße | |
zu kaufen, um dort ein Hausprojekt zu realisieren. Letztendlich ist Sie | |
leer ausgegangen. Wie haben Sie den Prozess erlebt? | |
Caroline Rosenthal: Wir wollten dieses Gelände unbedingt, und wir haben | |
sehr, sehr viel ehrenamtliche Arbeit in dieses Projekt gesteckt. Man kommt | |
da in so eine Art Spielerlogik: Je mehr man investiert, desto schwieriger | |
wird es, noch auszusteigen. Umso bitterer ist es, dass es am Ende nicht | |
geklappt hat. | |
Sie haben sich als Initiative immer dafür eingesetzt, dass der landeseigene | |
Liegenschaftsfonds das Grundstück in einem Konzept- und nicht in einem | |
Bieterverfahren vergibt. War das Konzept der Wohnungsbaugesellschaft | |
Howoge, die den Zuschlag bekam, einfach besser? | |
Auch wenn das Verfahren offiziell so genannt wurde – ein echtes | |
Konzeptverfahren war das nicht. Erstens war nicht transparent, wer was | |
entscheidet und welche Konzepte überhaupt eingereicht wurden, denn diese | |
dürfen auch geheimgehalten werden. Außerdem haben sich die | |
Entwicklungsziele für das Grundstück zwischen der Ankündigung des | |
Verfahrens und dem eigentlichen Start sehr verändert. | |
Inwiefern? | |
Von den ursprünglich angedachten Kriterien für die Nutzung blieben nur die | |
Schaffung von Wohnungen und einer Kita übrig. Alles andere Nutzungen für | |
eine soziokulturelle Rendite, also zum Beispiel die Einrichtung eines | |
Kiezcafés oder eines Gemeinschaftsgartens, wurden am Ende gar nicht | |
bewertet. Auch unser Konzept für dauerhafte Mietbindung und | |
Selbstorganisation der Mieter wurde nicht berücksichtigt. Wir wollten für | |
80 bis 90 Prozent der Wohnungen eine Mietpreisbindung; die Howoge lediglich | |
für 25 Prozent und das auch nur für fünf Jahre. Da die Howoge aber die | |
Möglichkeit hat, insgesamt viel mehr Wohnungen zu bauen als wir und alle | |
anderen Faktoren praktisch keine Rolle mehr gespielt haben, haben wir am | |
Ende den Kürzeren gezogen. | |
Wir erklären Sie sich diese Veränderung des Verfahrens? | |
Ich glaube, wir sind da einfach Opfer einer politischen Entwicklung | |
geworden. Als wir antraten, gab es großes Interesse an einem originellen | |
Konzept für das Gelände, eine Offenheit für unsere Ideen. Während der zwei | |
Jahre hat sich die Situation in Berlin aber insgesamt geändert: Die | |
Wohnungsnot wird immer größer, das Land muss etwas dagegen tun. Also lautet | |
die Maxime jetzt: So viele Wohnungen wie möglich bauen, irgendwie. | |
Soziokulturelle Angebote sind erst mal egal. Das ist nicht langfristig | |
gedacht, aber trotzdem sehr mächtig. | |
Hätten Sie Ihr Konzept nicht an die veränderten Vorgaben anpassen können? | |
Zum Teil haben wir das ja, und immer wieder darüber diskutiert haben wir | |
auch. Aber es gab bei uns einfach Grenzen: Zum einen hatten wir das Gefühl, | |
uns als Initiative unglaubwürdig zu machen, wenn wir ständig unsere gerade | |
noch enthusiastisch präsentierten Vorstellungen über Bord werfen. Zum | |
anderen wäre das auch für uns als Gruppe nicht möglich gewesen: Die | |
Motivation kam ja gerade da her, dass wir von unserem eigenen Konzept | |
überzeugt waren. Hätten wir zum Beispiel das Kiezcafé gestrichen, wären | |
diejenigen ausgestiegen, die gerade von dieser Idee so begeistert waren. | |
Arbeiten Sie als Gruppe auch nach der Niederlage weiter? | |
Wir haben eine Aufarbeitungs-AG gegründet, die gerade dabei ist, unseren | |
gesamten Schriftwechsel mit den verschiedenen Akteuren und alle Unterlagen | |
für eine Veröffentlichung aufzubereiten. Dabei geht es uns nicht darum, | |
irgendjemanden anzuschwärzen. Sowohl vom Bezirk als auch vom | |
Liegenschaftsfonds aus ist man uns durchaus hilfsbereit begegnet. Wir | |
wollen aber zeigen, dass diese Art von Vergabeverfahren strukturelle | |
Nachteile für kleinere, ehrenamtlich arbeitende Initiativen hat. | |
Welche Nachteile denn? | |
Das geht bei den oft viel zu knappen Fristen los, bei der mangelnden | |
Transparenz weiter und hört bei den hohen Kosten, überhaupt an einem | |
solchen Verfahren teilzunehmen, noch nicht auf. Insgesamt haben wir etwa | |
20.000 Euro in dieses Projekt gesteckt, hauptsächlich für Notarkosten, | |
Bankgutachten, den unbedingt notwendigen Anwalt und die Architekten – | |
unsere eigene Arbeitszeit natürlich nicht eingerechnet. Zum Glück haben wir | |
Spenden von Privatpersonen und Geld von Stiftungen bekommen, sonst hätten | |
wir das niemals aufbringen können. Ohne die Unterstützung und Expertise des | |
Mietshäuser Syndikats hätten wir den Arbeitsaufwand außerdem nicht stemmen | |
können. | |
Wie ist die Stimmung in Ihrer Gruppe – sich zurückziehen oder woanders | |
weiterkämpfen? | |
Es gibt schon einige von uns, die jetzt einfach frustriert sind und sich | |
zurückziehen wollen. Andererseits sehen wir aber auch eine Verantwortung, | |
unsere Erfahrungen an andere Initiativen weiterzugeben. Wir waren ja so | |
eine Art Versuchskaninchen: Das erste groß angelegte Konzeptverfahren des | |
Liegenschaftsfonds – da hat es nicht nur uns an Erfahrung gefehlt, würde | |
ich mal behaupten. Das heißt aber auch, dass die Entwicklung dieses | |
Verfahrens noch nicht abgeschlossen ist, dass man sich da einbringen kann. | |
Das wollen wir weiter tun, und wir wollen andere dazu ermutigen. Wenn | |
Berlin engagierten Initiativen wie unserer, die sich um die Schaffung | |
preisgünstigen, attraktiven Wohnraums kümmern wollen, Anreize geben will, | |
müssen landeseigene Immobilien nach einem Verfahren vergeben werden, bei | |
dem Gruppen wie unsere zumindest eine Chance haben. | |
Dieses Interview ist Teil des aktuellen Wochenendschwerpunkts der | |
taz.Berlin zu Hausprojekten in Lichtenberg. In der Printausgabe außerdem: | |
Ein Essay und eine Reportage von der Baustelle. In Ihrem Briefkasten und am | |
Kiosk. | |
15 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
## TAGS | |
Berlin | |
Alternatives Wohnen | |
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