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# taz.de -- Coffeeshop für die Schanze gefordert: Standortfaktor Dope
> Der Stadtteilbeirat Sternschanze will die Dealer vor Hamburgs Roter Flora
> weghaben und fordert stattdessen den legalen Cannabis-Verkauf.
Bild: Soll endlich wieder dealerfreie Zone werden: der Flora-Park
HAMBURG taz | Eine Kolonne aus vier Kinderwagen schiebenden Müttern
spaziert an Matratzenbergen, Müll und Schlafsäcken vor der Roten Flora
vorbei. Ein Mann trinkt einen Kaffee in der Sonne. Tagsüber ist es am
früheren Haupteingang des besetzten Kulturzentrums ruhig. Nicht einmal die
Dealer stehen hier, obwohl sie sonst beinahe zum Stadtbild gehören. „Die
kommen raus, sobald es dunkel wird“, sagt eine Kellnerin in der Bar „Katze�…
gegenüber, die ihren Namen zum Thema Drogen lieber nicht in der Zeitung
lesen möchte.
In den vergangenen Wochen sollen es immer mehr Dealer und auch Kunden
geworden sein – trotz verstärkter Polizeipräsenz, sagt ein Polizeisprecher.
Der Handel breite sich vom Park hinter der Flora bis zu den Läden am
Schulterblatt aus.
Um die Drogengeschäfte auf der Straße einzudämmen, setzt sich der
Stadtteilbeirat, ein beratendes Gremium aus Anwohnern, fürs legale Kiffen
ein. In einem Coffeeshop sollen über 18-Jährige wie in den Niederlanden
weiche Drogen kaufen können, berichtet der NDR. Ein ähnliches Modellprojekt
wird gerade in Berlin-Kreuzberg geprüft. Für eine Legalisierung müsste
jedoch das Betäubungsmittelgesetz auf Bundesebene geändert werden.
„Die Umsetzung wird schwierig“, sagt Gregor Werner von der Altonaer
SPD-Fraktion. Trotzdem fände er das Pilotprojekt sinnvoll. Es könne „ein
Baustein zur Verbesserung der Situation sein“. Gleichzeitig müssten aber
auch Aktionen mit den Anwohnern stattfinden, um den Drogenhandel zu
verdrängen. So gastierte im vergangenen Jahr ein Zirkusprojekt im
Flora-Park, Schulkinder pflanzten Blumen und die Freiwillige Feuerwehr
Altona übte für den Ernstfall. „Die Menschen in der Schanze sollen den Ort
wieder gerne nutzen und sich sicher fühlen“, sagt Werner. Dafür stellt die
Bezirksversammlung im kommenden Jahr 30.000 Euro bereit – ein runder Tisch
soll konkrete Projekte diskutieren.
In der Bürgerschaft wird die Idee eines Coffeeshops kontrovers diskutiert.
Im Gegensatz zu seinem Genossen aus Altona spricht sich Martin Schäfer
(SPD) gegen die Legalisierung von Cannabis aus. „Ich habe etwas dagegen,
den Konsum zu verharmlosen.“ Ein Coffeeshop sei das falsche Signal für
Jugendliche und zudem kein geeignetes Instrument, um die Dealer
loszuwerden. „Die Jungs, die da dealen, die haben nicht bloß Cannabis im
Gepäck.“
## Mehr Polizeipräsenz
Auch der Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Gladiator (CDU) ist strikt gegen
die Abgabestelle und warnt vor „einer Kapitulation vor Kriminalität und
Drogen“. Statt einer Legalisierung setzt er auf die Suchtselbsthilfe und
mehr Polizeipräsenz: „Eine höhere Kontrolldichte führt aller Erfahrung nach
zu Erfolgen.“
Diese konservative Sicht aufs Kiffen ärgert Kersten Artus von der
Linken-Fraktion. „Wir müssen aufhören, Drogen in gut und böse zu
unterteilen.“ Dennoch tauge eine Insellösung wenig, die nur für einen
Stadtteil gelte. Sie plädiert für eine völlige Legalisierung. „Sonst kommen
die ganzen Yuppies am Wochenende, um sich ihr Dope zu kaufen und die
Schanze kollabiert.“
Deshalb brauche es sehr klare Regeln für den Verkauf von Cannabis, findet
Antje Möller von den Grünen. Die Kunden sollten registriert werden,
Präventionskampagnen weiterlaufen. „Aber man muss sich manchmal einfach
trauen“, sagt Möller. Schließlich seien auch Fixerstuben zunächst ein
umstrittenes Modellprojekt gewesen, das sich als sinnvoll erwies.
Das sieht auch der FDP-Bürgerschaftskandidat, Daniel Oetzel, so. Das
Cannabis-Verbot hält er für gescheitert: „Der Konsum ist gesellschaftliche
Realität.“ Die Debatte um den Coffeeshop sei ein erster Schritt, um das
Thema endlich aus der Schmuddelecke zu holen.
Die Katzen-Kellnerin jedenfalls fände Gras aus dem Coffeeshop „ideal“,
besser wäre nur „home grown“. Ein Ex-Anwohner, der sich Karl nennt, sieht
das ähnlich: „In Amerika klappt es doch auch.“ Es gebe so viele Kiffer, die
würden dann entkriminalisiert und auch chronisch Kranke könnten sich
endlich die Therapie leisten.
Nur bitte nicht alle in der Schanze, hofft Katrin Reiß vom Café
Schmidtchen. Sie bezweifelt, dass die Dealer verschwinden würden, wenn sich
alle Freunde des Cannabis in der Schanze tummeln: „Wer dann Cannabis
möchte, würde herkommen. Die Eppendorfer würde es vielleicht freuen.“
Aber die Schanze sei auch ein Wohn- und nicht nur ein „Empathieviertel“,
sagt Reiß, die mit ihrer Familie nahe der Flora lebt und oft mit dem
Kinderwagen an den Matratzenbergen vorbeispaziert. „Man fühlt sich schon
bedrängt, wenn man mit zwei Kindern auf dem Arm angesprochen wird.“
29 Nov 2014
## AUTOREN
Theresa Glöde
Andrea Scharpen
## TAGS
Cannabis
Hamburg
Dealer
Coffeeshop
Hamburg Schanzenviertel
Cannabis
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