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# taz.de -- Die Wahrheit: Erlösung durch Suppe
> Neues von den seltsamsten Religionen der Welt. Von der Südsee bis nach
> Österreich sind die Ausformungen des Glaubens faszinierend.
Für die meisten Menschen ist es selbstverständlich, dass verborgene Mächte
in das Dasein hineinwirken und durch geheime Fäden das Leben lenken.
Vernünftigerweise stellt man sich mit diesen arkanen Kräften, ob sie nun im
Himmel ansässig sind oder in der Schlafzimmerwand wohnen und Geräusche
machen, gut. Aber wie? Die Wahrheit hat mit investigativer Kraft einige
Ideen aus dem weltweiten Geglaube zusammengetragen.
Die Medizinmänner der am äußersten Rand Zentralafrikas heimischen Iwo
durchstechen sich die Trommelfelle, um anstelle des trügerischen irdischen
Lärms mit dem inneren Gehör Gott zu lauschen. Mit Stentorstimme verkünden
sie dann den Mitmenschen Gottes Wort.
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Du musst es 3.333-mal sagen! An diese goldene Regel halten sich die überall
in Sibirien siedelnden Ostsibirier, damit ein Wunsch in Erfüllung geht. Wem
er versagt bleibt, wird sich verzählt haben.
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„Die süße Perle der einzigen Wahrheit“ hieß die erste, 115 Kilo schwere
Offenbarungsschrift der Prophetin Elfriede Scheuermann, der sie als zweite
das 168 Kilo wiegende Evangelium „Die noch süßere Perle der noch einzigeren
Wahrheit“ folgen ließ, bevor ihr der Arzt eine strenge Diät verschrieb und
sie mit „Die Gurke der ganz anderen Wahrheit“ (55 Kilo) eine ganz neue
Glaubensrichtung begründete.
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Die Halbindianer im nördlichen Südbrasilien glauben, dass alles eins ist,
und sind daher der Auffassung, dass ein Mensch niemals „Ich“ denken und
sagen darf. Ihm widerfährt sonst ein persönlich auf ihn zugeschnittenes
individuelles Unglück.
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Die Anhänger der weltweiten Uri-Geller-Gemeinschaft ernähren sich von
Fingerfood und Suppe, weil in ihrem Haushalt jede Gabel verbiegt, die sie
anfassen.
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Gott besitzt einen Körper mit Fell und Pfoten und wohnt in einer Hundehütte
auf dem Hundsstern im Sternbild Großer Hund: Das lehrt die Religion der
Kanoiden, die in einem eigenen US-Hundestaat leben und einen strengen
Sittenkodex befolgen, der den Gang auf zwei Beinen als gotteslästerlich
untersagt und das Stöckchenholen als höchste Form des Gebets achtet. Der
Lohn: Am Ende aller Tage, so steht es in ihrer „Bibell“, wird der Hundesohn
auf die Erde zurückkehren und alle erlösen, die gotteshündisch gelebt
haben.
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Eine Leiter, die von links an einer schwarzen Katze dreizehnmal
vorbeigetragen wird, bringt überall in der Welt Glück, wenn man zuvor ein
vierblättriges Kleeblatt und einen großen Geldschein gefunden hat.
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Da ihr Messias den Erlösungstod für die sündige Menschheit auf sich nahm
und zwischen den Beinen einer Kurtisane starb, ist es für die frommen
Angehörigen der Ejakulistenkirche in Niederoberösterreich Pflicht, ihr
Hochfest einmal im Jahr im besten Bordell der Stadt und des Erdkreises zu
begehen. Diesem Zweck dient ihre Kirchensteuer.
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Im Orden der Unbeschuhten Brüder besteht das Hochamt im Kitzeln der
Fußsohlen, wodurch das Denken ausgeschaltet wird und sie Gott nahekommen.
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Fort mit dem artfremden Christentum! Das fordert die noch sehr kleine
Religionsgemeinschaft der Aboriginen Germanoiden, die als Kern ihres
Glaubens die wahre heilige Dreifaltigkeit errichtet hat, wie Vater Wotan
Meier, Tochter Freia und Schäferhund Thor aus Wolfsburg-Kreuzheide
glaubhaft versichern.
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Alles ist Gott, und alles wird letztlich ausgeschieden, so lautet die
pantheistische Weltsicht der kreuzweisen Fäzesianer.
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Wenn sich glaubensstarke Christenfamilien einen Papagei halten, kann er
tatsächlich schon bald das Tischgebet und sogar das Vaterunser mitsprechen.
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Der im China des 4. und 13. Jahrhunderts entstandenen Religion der Fu-dschi
zufolge ist die Welt in Wahrheit ein Nichts. Da die Welt Ausdruck Gottes
ist, ist Gott ebenfalls ein Nichts. Die Fu-dschi glauben daher absolut
nichts.
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„Religion ist Gotteslästerung!“ Mit diesem Schlachtruf hat eine Sekte in
Nawasistas begonnen, den reinen, von keinem Wort, keinem Begriff, keinem
Bild und keinen Mythen entstellten Glauben an den unendlichen und
unfassbaren Gott zu predigen. Ihn mit Gebeten zu traktieren, halten sie für
menschliche Vermessenheit, das Erfinden von Enzykliken und Fatwas in seinem
Namen für todeswürdige Anmaßung. Daher verfolgen sie alle traditionell
Gläubigen mit eben jenen Strafen, die deren Religionen für Blasphemie
vorsehen.
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Die meeresumtosten Mythen der Südsee-Pygmäen auf den Andinen lehren, dass,
wenn die Zwerge größer werden als die Riesen, die Welt zu klein wird und
untergeht.
16 Dec 2014
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Religion
Aberglaube
Spiritualität
Sprachkritik
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Schach
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