# taz.de -- Volksheld-Revival: Zum Fest wird’s behäbig | |
> Damit der ARD-Weihnachts-Zweiteiler „Till Eulenspiegel“ ins | |
> Kinderprogramm passt, mussten die Autoren seine Sprache abschwächen und | |
> ihm eine Tochter andichten. | |
Bild: Schmucke, mittelalterliche Märchenwelt: Die meisten Szenen wurden in nor… | |
MÖLLN taz | Tagesschau, Tatort und der Weihnachts-Zweiteiler bleiben die | |
verlässlichen Größen der ARD. In diesem Jahr werden die Kinder mit der | |
Verfilmung eines Jugendbuchklassikers beschert. Mit diesen Zweiteilern | |
lässt sich zwar kein Grimme-Preis gewinnen, sie können aber traditionell | |
mit einer aufwendigen Ausstattung oder mindestens einem großen Namen | |
aufwarten. In den vergangenen Jahren wurden „Nils Holgersson“ und „Baron | |
Münchhausen“ mit Jan Josef Liefers und „Pinocchio“ mit Mario Adorf | |
verfilmt. In diesem Jahr ist der mythologische Volksheld Till Eulenspiegel | |
dran. | |
Das Autorenpaar Dieter und Leonie Bongartz hat einige der bekanntesten | |
Legenden um den mittelalterlichen Schalk zu einem Abenteuer | |
zusammengefasst. Der Zweiteiler spielt nicht etwa in der Eulenspiegel-Stadt | |
Mölln, sondern in Lübeck, Erfurt und Schwerin. Damit sind die Autoren | |
volksmythologisch auf sicherem Boden. So gibt es etwa in der Sammlung von | |
Eulenspiegel-Abenteuern, die Hermann Bote im 16. Jahrhundert in | |
Braunschweig schrieb, eine Episode darüber, „wie man Eulenspiegel in Lübeck | |
henken wollte und wie er mit behender Schalkheit davonkam“. Eulenspiegel | |
bat sich mit dem Strick um den Hals als letzten Wunsch aus, dass sein | |
Richter und sein Henker ihn nach seinem Tod drei Tage lang küssen sollten | |
und zwar „mit dem Mund in den Arsch“. | |
## Deftige Sprache etwas abgeschwächt | |
Diese deftige Sprache haben die Autoren fürs Kinderprogramm etwas | |
abgeschwächt. So wird der Arsch bei ihnen mit einem Ort umschrieben, an dem | |
die Sonne niemals scheint, aber ansonsten haben sie die Episode in ihr | |
Drehbuch übernommen. Ebenso Eulenspiegels Seiltanz, bei dem er die linken | |
Schuhe der Zuschauer einsammeln ließ und sie aus einem Sack über ihren | |
Köpfen ausschüttete oder seine Arbeit als Bäckergeselle, bei der er statt | |
Brot „Eulen und Meerkatzen“ buk. | |
Ein Holzschnitt aus einem Eulenspiegel-Buch von 1515 zeigt, wie der Held in | |
einem Bienenstock versteckt fortgetragen wird, die beiden Träger zwickt und | |
stößt, sodass sie miteinander in Streit geraten. Für den Film wurde diese | |
Szene recht detailgetreu inszeniert. Nur sitzt nicht Eulenspiegel im Korb, | |
sondern seine Tochter, die in keiner der Legenden erwähnt wird. Die Autoren | |
haben die etwas unpassend zeitgemäß wirkende Rahmenhandlung der | |
alleinerziehenden Mutter und ihrer blitzgescheiten Tochter entwickelt. Am | |
Ende des Films entpuppt sich das Mädchen in einer rührend erzählten Szene | |
als Eulenspiegels Kind. | |
Einfallsreicher waren die Autoren bei den historischen Anspielungen, mit | |
denen sie den Film gespickt haben. So ist Eulenspiegels großer Gegenspieler | |
Bürgermeister Claas Wüllenwever von Lübeck der historischen Figur Johann | |
Wittenborg nachempfunden. Wittenborg versuchte im 14. Jahrhundert als | |
Bürgermeister von Lübeck, im Namen der Hanse einen Krieg gegen die Dänen zu | |
führen, scheiterte und wurde geköpft. Im Film wird daraus Wüllenwever von | |
Lübeck, ein machtbesessener Politiker, der die Goldreserven der Stadt klaut | |
und Eulenspiegel hängen sehen will, weil dieser ihn mit einem Streich | |
gedemütigt hat. Diesen Streich haben die Autoren bei Hans Christian | |
Andersen Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ abgekupfert. Dann treten noch | |
Prof. Kopernikel auf, der ein „heliozentrisches Weltbild“ entwickelt, die | |
Äbtissin Dorothea Leporin, die sich mit Kräutern so gut auskennt wie | |
Hildegard von Bingen und der Schlosser Dietrich, der Eulenspiegel einen | |
Schlüssel gibt, der jede Tür öffnet. | |
Als Erkennungszeichen für Lübeck ist alle paar Minuten eine Totale vom | |
Holstentor mit ein paar Statisten in historischen Kostümen zu sehen. Bei | |
den in Schwerin spielenden Sequenzen wurde Ähnliches versucht. Das Ergebnis | |
ist ein seltsamer Anachronismus, denn die Skyline der angeblich | |
mittelalterlichen Stadt wird vom im 19. Jahrhundert erbauten Schweriner | |
Schloss beherrscht. Gedreht wurden die meisten Szenen in Museumsdörfern in | |
Norddeutschland und in Lüneburg. | |
Der Regisseur Christian Theede hat grundsolide und ein wenig behäbig | |
inszeniert. Beim Weihnachts-Zweiteiler muss man aber auch von einem vom | |
vielen Essen müden Publikum ausgehen. Sein Film spielt in einer schmucken, | |
mittelalterlichen Märchenwelt, in der jedes Fachwerkhaus frisch gestrichen | |
glänzt und die Bremer Stadtmusikanten gleich um die Ecke kommen könnten, | |
ohne dass es groß auffiele. Als eine filmtechnische Torheit, die kaum | |
dramaturgischen Sinn ergibt, gibt es eine Computeranimation, in der eine | |
von Eulenspiegels Spielkarten sich in die Lüfte erhebt und über die | |
Landschaften bis nach Lübeck fliegt. | |
## Zottelhund gibt’s dazu | |
Die Titelrolle spielt Jacob Matschenz mit einem sympathisch jungenhaften | |
Mutwillen. Seinem Eulenspiegel macht es sichtlich Spaß, die Leute an der | |
Nase herumzuführen. Nur wenn er edel sein soll und etwa eine verführerische | |
Wirtin stehen lässt, weil es der kleinen Tochter so gefällt, nimmt man ihm | |
dies nicht wirklich ab. Die zehnjährige Jule Hermann wirkt als | |
Eulenspiegels töchterlicher Sidekick in einigen Szenen etwas überfordert, | |
aber die Kamera mag sie und für das Zielpublikum ist sie eine blonde und | |
freche Identifikationsfigur. Als Zugabe gibt es noch einen zotteligen Hund. | |
Am meisten Spaß macht es, Devid Striesow dabei zuzusehen, wie er als | |
Bürgermeister Klaas Wüllenwever einen finsteren Schurken gibt, der eine | |
Mischung aus Räuber Hotzenplotz und Gerd Fröbes Goldfinger ist. Er ist | |
Eulenspiegels perfektes Opfer. Allein wegen der Szene, in der dieser ihn | |
dazu bringt, sich vor ihm im Rathaus nackt auszuziehen, lohnt es sich, den | |
Film anzusehen. | |
## 25. + 26. Dezember, 16.15 Uhr, Das Erste | |
17 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
## TAGS | |
Mölln | |
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