# taz.de -- Im Januar kommt der Mindestlohn: Ein echtes Fortschrittchen | |
> Rund 200.000 Berliner profitieren von der Einführung des Mindestlohns. | |
> Zumindest auf dem Papier. Experten fürchten Schlupflöcher. | |
Bild: Schneiden und Föhnen soll bald anständig bezahlt werden | |
Für rund 200.000 Berlinerinnen und Berliner soll das neue Jahr eine | |
Verbesserung bringen: Sie profitieren nach einer Schätzung der | |
Senatsverwaltung für Arbeit von der Einführung des gesetzlichen | |
Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde. Das sind immerhin zirka 14 Prozent | |
aller Berliner Beschäftigten. „Der Mindestlohn schafft endlich einen | |
anständigen Lohn für anständige Arbeit“, freut sich Arbeitssenatorin Dilek | |
Kolat (SPD). Mit dem Gesetz werde sich auch die Zahl der Aufstocker | |
reduzieren, sagte die Senatorin der taz. „Das Gesetz entlastet die | |
öffentlichen Kassen.“ | |
Neben angestellten Beschäftigten sind Kolat zufolge auch rund 70.000 | |
Minijobber von der Neuregelung betroffen. Wer bislang für einen niedrigeren | |
Stundenlohn eine feste Stundenzahl arbeitete, kommt bei 8,50 Euro | |
möglicherweise über die Verdienstgrenze von 450 Euro. Ab Januar dürfen | |
Minijobber also maximal knapp 53 Stunden im Monat arbeiten, da sonst die | |
Beschäftigung sozialversicherungspflichtig wird. Sie verdienen dann zwar | |
nicht mehr, müssen aber für ihr Geld weniger ackern. | |
Spürbar werden dürfte der Mindestlohn vor allem in Niedriglohnbranchen wie | |
dem Einzelhandel, bei Taxifahrern oder Floristen. In der in Berlin | |
allgegenwärtigen Gastronomie sowie in Hotels wurden bislang ebenfalls | |
häufig weniger als 8,50 Euro die Stunde gezahlt. Viele Kellner oder | |
Putzkräfte sind Minijobber. „Die dürfen in Zukunft nur noch 53 Stunden | |
arbeiten – oder verlieren ihren Job, weil man dann vielleicht doch lieber | |
eine festangestellte Vollzeitkraft nimmt“, sagt Thomas Lengfelder, | |
Geschäftsführer des Unternehmensverbands Dehoga Berlin. | |
Lengfelder ärgert am Mindestlohn vor allem der administrative Aufwand: „Es | |
müssen in Zukunft genau Anfang und Ende der Dienstzeiten notiert werden. | |
Für viele kleinere Betriebe ist das eine Belastung.“ | |
Für Verdi-Sprecher Andreas Splanemann ist die Einführung des Mindestlohns | |
nur ein „Fortschrittchen“. Er bezweifelt, dass die 8,50 Euro ab Januar | |
tatsächlich wie vorgeschrieben gezahlt werden. „Die Arbeitgeber werden im | |
Graubereich kreativ werden“, so seine Prognose. Zuschläge könnten in den | |
Mindestlohn miteingerechnet, Schlupflöcher genutzt werden. Bei Friseuren | |
sei es schon jetzt gängige Praxis, die Mitarbeiter als Selbstständige zu | |
beschäftigen. Auf diese Weise könne auch der Mindestlohn umgangen werden. | |
Berlin gilt als Hauptstadt der prekären Beschäftigung. Das wird sich | |
Splanemann zufolge noch verschärfen: „Freiberufliche Tätigkeiten, Projekt- | |
und Werkverträge werden zunehmen, weil die Unternehmen die Leute lieber | |
ausgliedern, als den Mindestlohn zu zahlen. Damit verlagert sich das | |
Problem nur.“ | |
Hinzu kommt dem Verdi-Sprecher zufolge die Personalknappheit beim Zoll, der | |
für die Kontrolle des Mindestlohns zuständig ist. „Es ist jetzt schon | |
absehbar, dass die Einhaltung kaum kontrolliert wird“, sagt Splanemann. | |
Viel werde davon abhängen, wie die Beschäftigten selbst sich verhalten – ob | |
sie sich organisieren und gegebenenfalls bereit sind zu klagen. | |
## Genug Personal beim Zoll | |
Der Chef der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft, Klaus Leprich, hatte | |
schon im Frühjahr gewarnt, dass die Beamten die Kontrolle der Mindestlöhne | |
aufgrund von Personalknappheit nur „nebenbei“ erledigen können. Beim | |
Hauptzollamt Berlin weist man diesen Eindruck zurück. Die Zollverwaltung | |
habe bereits seit Jahren ein Auge auf Mindestlöhne in bestimmten Branchen, | |
so Sprecher Michael Kulus. Die „vorhandenen Ressourcen und Fachkompetenz | |
können genutzt werden, um ab Januar die Einhaltung der | |
Mindestlohnregelungen prüfen zu können“. Derzeit seien in Berlin rund 230 | |
Mitarbeiter zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung | |
eingesetzt. In den nächsten Jahren werde um rund 75 weitere Arbeitskräfte | |
aufgestockt. | |
28 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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