| # taz.de -- Kolumne Macht: Autobahnpolizei kannste vergessen | |
| > Nötigung auf der Überholspur. Todesangst. Anzeige. Und der | |
| > Polizeihauptmeister fragt, ob man nicht lieber weiterfahren wolle. | |
| Bild: Von unseren Steuergeldern! Dienstwagen der Autobahnpolizei. | |
| Die Staatsmacht kann erschreckend sein, wenn sie tätig wird. Sie kann auch | |
| erschreckend sein, wenn sie nicht tätig wird. Mittelfristig ist das sogar | |
| vielleicht bedrohlicher. Vor zwei Wochen, am 20. Dezember 2014, versuchte | |
| ich, bei der Autobahnpolizei im thüringischen Schleifreisen eine Anzeige zu | |
| erstatten. Ob mir das gelungen ist, weiß ich nicht. Jedenfalls bin ich bei | |
| dem Versuch gescheitert, den Sachverhalt zu Protokoll zu geben. | |
| Der wäre eigentlich schnell erzählt gewesen: Ein Drängler war auf der | |
| Autobahn so dicht an meinen Wagen herangefahren, dass ich das vordere | |
| Drittel seines Fahrzeugs im Rückspiegel nicht mehr sehen konnte, und zeigte | |
| mit der Lichthupe, dass er gern an mir vorbeifahren wollte. Ich fuhr mit | |
| Tempo 170 im Überholvorgang auf der linken Spur. | |
| Es ist nicht mein Hobby, andere Leute anzuschwärzen. Aber der Fahrer des | |
| gegnerischen Autos – anders kann man das ja wohl kaum bezeichnen – hatte | |
| meine Beifahrerin und mich absichtlich in Lebensgefahr gebracht. Ich finde, | |
| das sollte jemand nicht ungestraft tun dürfen. | |
| Die Polizei sieht das offenbar anders. „Wollen Sie das wirklich zur Anzeige | |
| bringen? Das geht doch aus wie’s Hornberger Schießen.“ Warum? „Na ja, wie | |
| wollen Sie das denn beweisen?“ Müssen wir nicht. Wir sind nicht Partei, | |
| sondern Zeuginnen. Und die Entscheidung, ob ein Verfahren eröffnet wird, | |
| liegt weder bei der Polizei noch bei uns, sondern beim Staatsanwalt. Was | |
| die Beamten eigentlich wissen sollten. „Dass so etwas strafbar ist, das ist | |
| gar nicht so im Bewusstsein der Öffentlichkeit“, erklärte ein | |
| Polizeihauptmeister. „Wirklich nicht?“, fragte meine Beifahrerin. „Dann i… | |
| es doch wunderbar, dass wir das alle gemeinsam ändern können.“ | |
| ## Das kann dauern | |
| Die Polizisten teilten die Begeisterung nicht. Wir wurden aufgefordert zu | |
| warten. Dann kam der Polizeihauptmeister: „Wissen Sie überhaupt, wo das | |
| genau passiert ist und wann?“ Ja. Uhrzeit, Kilometerstein, Autonummer des | |
| anderen Fahrzeugs. Alles aufgeschrieben. Also: Wir hatten es | |
| aufgeschrieben. Der Polizist schrieb gar nichts auf. Sondern fragte erneut: | |
| „Ihnen ist klar, dass das hier sehr lange dauern wird?“ Nein. „Also | |
| mindestens eine halbe Stunde pro Person.“ Wir hatten Zeit. Wir warteten | |
| weiter. | |
| „Leider ist der Vernehmungsraum besetzt. Das kann noch dauern.“ Nein, hier | |
| könne er kein Protokoll aufnehmen, hier gebe es keinen Computer. Und | |
| dorthin, wo es einen gebe, dürfe er uns nicht mitnehmen. „Dann hören Sie ja | |
| den ganzen Funkverkehr.“ Ob wir nicht doch lieber weiterfahren wollten. | |
| Wollten wir eigentlich nicht. Wir einigten uns schließlich darauf, dass der | |
| Polizeihauptmeister wenigstens unsere Personalien aufnahm und uns ein | |
| Aktenzeichen mitgab. Wir würden Post bekommen, versprach er, und könnten | |
| unsere Aussage ja dann schriftlich machen. Bisher warten wir vergebens. | |
| „Ich begreife das nicht“, sagte ich draußen zu meiner Beifahrerin. „Rolf | |
| ist kürzlich dasselbe passiert, und er hat es auch angezeigt. Ohne | |
| Probleme.“ Sie schaute mich an: „Du verstehst es wirklich nicht, oder? | |
| Natürlich nehmen sie es ernst, wenn sich ein 30-jähriger Mann über einen | |
| Drängler beschwert.“ Und? „Du bist eine Frau und 58 Jahre alt. Sie halten | |
| dich für hysterisch.“ | |
| Wahrscheinlich hat sie recht. Wie schön, dass wir nur einen Verkehrsrowdy | |
| anzeigen wollten. Und keinen Vergewaltiger. | |
| 5 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Gaus | |
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| Privatisierung | |
| Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
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