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# taz.de -- Mord in Darmstadt: Am Parkplatz abgelegt
> In Darmstadt hat ein Vater seine 19-jährige Tochter erwürgt, weil er
> ihren Heiratswunsch ablehnte. Es ist unklar, ob die Tat im Affekt
> geschah.
Bild: Die Polizei sichert den Fundort der Leiche in Darmstadt.
BERLIN taz | Auf einem Parkplatz unweit von Darmstadt, der an ein beliebtes
Naherholungsgebiet grenzt, war am Mittwochmorgen die Leiche eines
19-jährigen Mädchens entdeckt worden. Nur zehn Autominuten entfernt hatte
das Opfer mit seinem Eltern in einem Wohnblock im Stadtteil Kranichstein
gelebt. Ein Café, Restaurant, Biergarten und ein Teich, an dem im Sommer
Paddelboote ausgeliehen werden können, befinden sich in der Nähe.
Am Freitag gestand ihr 51-jähriger Vater, die junge Frau erwürgt zu haben,
sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nina Reininger. „Die Mutter
hat die Tat von Anfang an mitgetragen und beim Abtransport der Leiche
geholfen.“ Die Eltern sitzen nun wegen Mordverdacht in Untersuchungshaft.
Beide stammen ursprünglich aus Pakistan.
Auch der 39-jährige Onkel und die 36-jährige Tante der jungen Frau waren
zunächst verhaftet worden. Sie hatten aber wohl nichts damit zu tun, glaubt
die Polizei jetzt. Das Motiv der Tat war offenbar der Heiratswunsch der
jungen Frau. Sie wollte einen jungen Deutschen pakistanischer Herkunft
heiraten, mit dem sie seit Längeren eine Beziehung hatte. Wahrscheinlich
wurde das Mädchen in der Nacht zum Mittwoch in der Wohnung der Eltern
erwürgt. Anschließend soll sie mit dem Rollstuhl der Großmutter zu einem
Wagen gebracht worden sein.
Die Nachbarn der Familie sind fassungslos. „Der Vater war ruhig, ist im
Anzug rumgelaufen, mit Schlips“, zitiert die Agentur dpa einen Nachbarn.
„Die Mutter war immer im Schleier, der lange Rock ging bis auf die Erde.“
Die Tochter habe Kopftuch getragen.
## Vermeintlich verletzte Familienehre
Noch ist unklar, ob die Tat im Affekt geschah oder geplant war. Die
Tatsache, dass die Leiche achtlos eine Böschung heruntergestoßen und nicht
versucht wurde, die Tat zu vertuschen, spricht aber nicht für kühl
kalkulierte Planung.
Unklar ist damit auch, ob es sich um einen Ehrenmord im engeren Sinne
handelt. Spätestens seit dem Mord an der Deutschkurdin Hatun Sürücü, deren
Tod sich im Februar zum zehnten Mal jährt, ist der Begriff allgemein
geläufig für einen Mord, der begangen wird, um die vermeintlich verletzte
Familienehre aufrechtzuerhalten.
In patriarchalen Gesellschaften wird der Status einer Familie am
normgerechten Verhalten ihrer Angehörigen, insbesondere der Frauen
gemessen. Die Tat wird in der Regel vom Vater, Bruder, Onkel oder Ehemann
begangen. Diese sehen ihr Verbrechen als legitim an und sind womöglich noch
stolz darauf. Klassischerweise wird diese Tat aber auch geplant und nicht
im Affekt begangen.
Dass ein Vater seine volljährige Tochter ermordet, weil er ihren
Heiratswunsch nicht akzeptiert, oder ein Bruder seine Schwester, weil er
ihren Lebensstil ablehnt, mutet im Deutschland von heute archaisch und
fremd an. Solche Fälle erhalten dadurch besonders große mediale
Aufmerksamkeit. Dass ein herkunftsdeutscher Ehemann seine Frau aus
Eifersucht ersticht oder seine Kinder ermordet, mutet im Vergleich weniger
exotisch an, kommt aber nicht seltener vor.
Mehr als 500 Menschen kommen in Deutschland jedes Jahr durch Mord oder
Totschlag ums Leben. Die Hälfte der Opfer sind Mädchen und Frauen. Die
meisten davon werden von einem Familienangehörigen oder einem Bekannten
ermordet.
30 Jan 2015
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Gewalt
Verbrechen
Mord
Schwerpunkt Türkei
Integration
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