# taz.de -- „Superwelt“ auf der Berlinale: Mama ist die Beste | |
> In Karl Markovics’ „Superwelt“ durchbricht eine Frau die Schallmauer | |
> ihres fantasielosen Alltags. Ein Film mit gnadenlos guten Dialogen. | |
Bild: Gabi, erstarrt in den Klauen traditionell weiblicher Care-Arbeit. | |
Alles ist hässlich. Stumpf und immer gleich. Die Arbeit von Gabi Kovanda | |
beginnt in „Superwelt“ damit, dass sie ihren hässlichen Nissan vor dem | |
Supermarkt parkt, Waren einsortiert und sie an der Kasse über den Scanner | |
schiebt. Hässlich sind die Produkte, und idiotisch sind die Slogans, mit | |
denen für sie geworben wird. Selbst das Obst kann nicht einfach sein, was | |
es ist; als traute man ihm nicht, treten Hochglanzfotos gegen die echten | |
Äpfel an. | |
Wenn Gabi danach in den Wagen steigt und losfährt, zeigt sich am Asphalt | |
die Reifenspur des immer gleich geparkten Autos. Zu Hause kocht sie für | |
Mann und Sohn, der beim Militär ist und nach Dienstende in seiner | |
abgedunkelten Kammer Krieg spielt. Sie macht die Wäsche und kämpft mit der | |
Waschmaschine, wenn die davonspazieren möchte. Dann setzt sie sich hin und | |
trinkt Tee aus einem lächerlich großen Becher mit der Aufschrift: „Mama ist | |
die Beste“. | |
Doch es gibt eine Erlösung, jedenfalls für Gabi. Die hält plötzlich inne, | |
Stimmen im Kopf steuern sie geradewegs durch die Schallmauer ihres Alltags; | |
zuerst noch verwirrt, nimmt sie bald selbst Anlauf in die Verrücktheit und | |
steuert in die freie Natur. Die Ausgesetztheit zwischen Straßen und | |
Autobahnen, allein und ohne zu wissen, wohin das alles führt, vergessen in | |
einer Kappelle, gottlos, wo es zuvor noch hieß, es sei Gott, der sie | |
geführt hätte. Doch selbst mit dem rechnet sie am Ende ab: „Ich hab ja nie | |
nach einer Bedeutung gefragt! Aber dass ich mich jetzt auch noch zum Deppen | |
mache, danke!“ | |
Bei aller Verrücktheit scheint sie immer noch halb bei Vernunft zu sein, | |
was bewirkt, dass sie einem nie ganz entrückt, dass man sie liebt und | |
zugleich befreit zuschauen kann, was auch an der großartigen Leistung der | |
Darstellerin Ulrike Beimpold liegt. Regisseur Karl Markovics scheint sich | |
wenig für Strukturen oder Ideologien zu interessieren, die Menschen vom | |
Leben entfremden lassen. Er findet in der Fantasielosigkeit genügend Spuren | |
ihrer selbstverschuldeten Apathie. | |
Gegen diese Einfallslosigkeit schafft es kein Frühling, kein Blitz, kein | |
Wolkenbruch anzugehen. Doch weil es nicht ein System ist, das Gabi gefangen | |
hält, sondern sie selbst, kann ein Hirnriss sie wieder zum Leben erwecken. | |
Wieder einmal zeigt ein österreichischer Film, dass selbst im größtmöglich | |
gelebten Stumpfsinn gnadenlos gute und lebensnahe Dialoge möglich sind, mit | |
aberwitzigen Repliken. | |
11 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Maxi Obexer | |
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