Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Karneval in der Hauptstadt: Olle Kamellen? Nicht in Berlin!
> Karneval? Wird in Berlin doch immer zu Pfingsten gefeiert. Mit dem
> Fasching tut sich Berlin schwer: Der Aschermittwoch gilt so als Höhepunkt
> der Narrenzeit.
Bild: Nein, die beiden sind natürlich nicht in Berlin fotografiert worden, son…
Am Freitag sind Peter V. und Christiane I. nach Potsdam geflohen, und am
heutigen Nelkensamstag reist das diesjährige Berliner Prinzenpaar noch
weiter nach Südwesten: Der Mainzer Karneval gewährt ihm Asyl, bis zum
kommenden Faschingsdienstag. Dort dürfen der Prinz mit dem amtlichen
Schnauzer im Gesicht – im zivilen Leben Schlosser bei der Bahn – und seine
blonde Prinzessin, die seit 25 Jahren im Personalbereich tätig ist,
schunkelnd und winkend auf dem Rosenmontagszug mitlaufen. Vor allem aber
dürfen sie eines: ihre karnevalfeindliche Heimatstadt verlassen.
Berlin und der klassische Karneval – nur wenige Galaxien sind sich so fern
wie diese beiden: Wer dieser Tage in der Weltmetropole von Party, Glitzer
und heiterer Promiskuität den Karneval im Internet sucht, stößt auf
Senioren-Feten im Neuköllner Pflegeheim und Kinderfasching im
Nachbarschaftshaus Lichtenberg. Ein Verein haut während der närrischen
Hochzeit gleich geschlossen nach Essen ab. Zwar residieren in Berlin
beachtliche 21 Karnevalsklubs, deren Programm allerdings ist überschaubar,
um nicht zu sagen: eine Kapitulation. Was hat dieser Stadt nur dermaßen die
fünfte Jahreszeit ausgetrieben?
Eigentlich hat der Karneval ja auch hier eine gewisse Tradition, sagt
Klaus-Peter Heimann, Präsident des Festkomitees Berliner-Karneval e. V.,
der Dachorganisation der Berliner Narrenklubs: „Der Karneval kommt aus
Preußen.“ Schon im 15. Jahrhundert sollen hier närrische Umtriebe
stattgefunden haben.
Die „Hauptschuld“ an der neuzeitlichen Faschingsmuffelei der Berliner sieht
der gebürtige Rheinländer bei den Alliierten. Die hätten nach dem Krieg die
Umzüge verboten, wegen der Gefahr, es könne eine Demonstration daraus
werden. Dann kam die Wende und der Hauptstadtumzug von Bonn nach Berlin.
Viele Rheinländer zogen zu und brachten den Karnevalsumzug wieder ins
Rollen. Doch mit der Parade auf dem Kurfürstendamm ist seit vorigem Jahr
Schluss, den Vereinen fehlt das Geld für Kamelle und Müllentsorgung.
Wer mit dem Ober-Jecken Heimann redet, spürt an seinem Tonfall, dass die
rheinische Karnevalsseele äußerst verletzlich ist. Und derzeit etwas
gekränkt, hatte der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auf
Heimanns Einladung zur Teilnahme an der Erstürmung des Charlottenburger
Rathauses am 11. 11. zuletzt nicht einmal mehr geantwortet.
Ein wenig neidisch spricht Heimann den Karneval der Kulturen an, der auch
kommendes Pfingsten stattfindet. Dank eines Fördertopfes und der Zusage,
dass Berlin 300.000 Euro Kosten für das Sicherheitskonzept übernehme. Er
habe nichts gegen den Karneval der Kulturen, sagt Heimann, aber gerecht
findet er das nicht und seufzt: „Wir werden nicht gleich behandelt.“
So viel zur Politik, die beim Karneval traditionell eine tierisch ernste
Rolle spielt. Berlin mit seinem ohnehin bunten Politvölkchen und seinem
spröden Beamtenapparat tut sich da schwer.
Doch die Ursprungsidee des Karnevals, nämlich die Umkehrung der
Verhältnisse, das kann Berlin sehr wohl. Nur zeigt sich die eigentliche
Karnevalisierung an der Spree erst sehr spät im jährlichen
Narren-Kalendarium: am Aschermittwoch. Während die Berliner Jecken dann
ihren rheinischen Kater zum Fischessen ausführen und der Spaß damit ein
Ende hat, haut Berlin anderswo erst so richtig auf die Pauke. Und das nicht
nach rheinischer, sondern nach einer umgestülpten bayrischen Tradition:
beim Politischen Aschermittwoch. Denn während sich in Passau und Vilshofen
die Bundesparteien zu werbewirksamen Polterorgien animieren, drehen im
Tempodrom Kabarettisten die Politiker durch den Spaßwolf. Gastgeber ist
auch in diesem Jahr Arnulf Rating.
■ 11. Politischer Aschermittwoch am 18. Februar, 20 Uhr, im Tempodrom,
Möckernstr. 10, [1][www.aschermittwoch-berlin.de]
15 Feb 2015
## LINKS
[1] http://www.aschermittwoch-berlin.de
## AUTOREN
Tobias Krone
## TAGS
Berlin
Karneval
Terrorismus
Charlie Hebdo
Karneval der Kulturen
Charlie Hebdo
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rosenmontag ohne Terror: Polizei sieht keine Gefahr
Die Polizei will bei den Rosenmontagsumzügen besonders wachsam sein, sieht
aber keine konkrete Gefahr. Es gibt auch Wagen zum Thema Terror.
Geheime Vorbereitungen für Karneval: Die Freiheit der Narren
In Düsseldorf hauen die Jecken besonders gerne drauf. Auch nach dem
Anschlag auf „Carlie Hebdo“? Vorab gibt es keine Infos über die
Karnevalswagen.
Karneval der Kulturen: Sie tanzen nur einen Sommer
Der Senat will die Forderungen der Karnevalsgruppen erfüllen. Damit ist die
Veranstaltung für dieses Jahr gesichert. Wie es danach weitergeht, bleibt
offen
Kölner Karneval in der Kritik: Da lächelt der Prophet
Der organisierte Karnevalsumzug passt sich in seiner Biederkeit seit jeher
politischen Verhältnissen an. Man gibt sich kritisch, ohne Kritik zu üben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.