# taz.de -- Ausstellung: Der Fuchs im Kuchenfeld | |
> Die Stadtgalerie Delmenhorst präsentiert den Kieler Zeichner Olrik | |
> Kohlhoff. Es ist eine Ausstellung, die den Betrachter so beglückt wie | |
> tief verwirrt. | |
Bild: Das Misstrauen gegen die sichtbare Wirklichkeit - bei Olrik Kohlhoff verw… | |
HAMBURG taz | Und eines Tages ist das Meerschweinchen tot. Springt nicht | |
mehr in seinem Käfig herum, krispelt nicht mehr am Salat, den man ihm | |
hingelegt hat; lässt sich nicht mehr von den Kindern durch die Wohnung | |
tragen. Sondern liegt seltsam verkrümmt auf einem dunklen Tuch, leicht auf | |
die Seite gekippt. „Lilli + 26. 6. 2014“ steht in Kinderschrift darüber und | |
dazu gestellt ein kleines, schwach gezeichnetes Herz. | |
Es ist – oder soll man besser sagen: es war? – das Meerschweinchen von | |
Olrik Kohlhoffs Kindern, das nun von ihm abgezeichnet als kleines Bild an | |
einer der Wände der Delmenhorster Stadtgalerie hängt. Nicht auf unserer | |
allgemeinen Augenhöhe, sondern so, dass man sich als Erwachsener solide | |
bücken muss, um es in Ruhe zu betrachten. Wenn man es betrachten will. | |
Olrik Kohlhoff also, Jahrgang 1971. Er lebt in Kiel, hat dort an der | |
Muthesius Kunsthochschule freie Grafik studiert, ist in Pinneberg | |
aufgewachsen. Und er ist im Land geblieben, ist nicht dem Ruf der Großstadt | |
gefolgt. Das ist gut so. Vielleicht auch gar nicht anders möglich für | |
einen, der immer wieder Landschaften zeichnet, in die die Zivilisation | |
eindringt und der uns Menschen zeigt, die mehr ahnen als wissen, dass das, | |
was wir Natur nennen, ganz eigenartig mächtig ist und uns wohl immer fremd | |
bleiben wird, wenn wir ehrlich sind. | |
Gleich am Eingang, ein sehr gelungenes Intro, ein Bild vom Fuchs im | |
Kuchenfeld. Ein Fuchs steht inmitten von ausladenden Torten und schlichten | |
Napfkuchen und verzierten Muffins, so weit der Blick reicht. Und weg geht | |
der Blick von all den wohldrapierten Kuchen hin zum Fuchs – und vom Fuchs | |
hin zu all den Kuchen. „Kohlhoff ringt um ein starkes Bild, es geht ihm um | |
die Arbeit an dem Bildgeviert, deswegen stellen wir ihn aus“, sagt | |
Stadtgalerieleiterin Annett Reckert. | |
Große Formate sind zu sehen, sehr große Formate. „Schiere Größe ist auch | |
ein Thema der Ausstellung“, sagt Reckert. Kohlhoffs Technik: Kreide und | |
Kohle auf Papier. Manchmal nur Kohle. Aber immer Papier. Zwischendurch | |
dann, fast wie eine Zwischenstation, um neuen Schwung zu nehmen, Auszüge | |
aus seiner Arbeit „Spiel nicht mit Schlafenden“. | |
Aquarelle etwa im DIN-A4-Format, die vordergründig wie hastig hingetuscht | |
wirken, wie spontane Studien, wie ein Skizzenbuch: ein Bild eines | |
ungenutzten Schlafzimmers, dazu der Kommentar „Hier ist niemand bei dir.“ | |
Zwei quietschvergnügte Lampenwesen beugen sich über einen frisch | |
überfahrenen Hund. | |
Dann geht es weiter ins nächste Stockwerk, wo ein totes Pferd so seltsam | |
lebendig auf dem Rücken liegt, daneben zwei hemdsärmelige Männer, die es | |
ungerührt betrachten und wo ein Mann auf die Sonne schießen wird. Eine | |
Scheune explodiert, ein Mädchen steht bis zu den Knien in einem Teich, der | |
wie eine Baugrube wirkt. Zwischendurch immer wieder seltsame Querschnitte, | |
wie man sie aus Jugendbüchern der 60er- und noch mehr der 70er-Jahre kennt: | |
Damals, als man noch dachte, ein genaues Bild könne die Welt erklären, und | |
nun bei Kohlhoff: ein Bild – die Antarktis im Überblick; ein Bild – der | |
menschliche Körper; ein Bild – so funktioniert unsere Haut. | |
Ganz nebenbei kann man auch mal schlicht staunen über Kohlhoffs so souverän | |
malerischen Gestus, über seine Sicherheit der Kompositionen. Was zum Haus | |
passt: Denn hier in Delmenhorst konnte man schließlich lange, lange bevor | |
der Hype um die neorealistischen Maler begann, ganz selbstverständlich | |
Bilder von Peter Doig, von Johannes Hüppi, von Dirk Skreber betrachten und | |
wertschätzen lernen. „Kohlhoff könnte es sich leicht machen und ein wenig | |
internetiger werden, ein wenig mehr Zeitgenossenschaft hineinspülen – aber | |
das genau macht er nicht“, sagt Annett Reckert. | |
Die Ausstellung beschränkt sich nicht auf die Stadtvilla, in der meist die | |
Ausstellungen untergebracht sind. Auch die angrenzenden Remise bespielt | |
Kohlhoff „Kommen Sie“, sagt Reckert, „da hängen noch wahre Knaller.“ Es | |
geht über einen kleinen Hof, und sie schließt die Tür zur Remise auf. | |
Was dort zu sehen ist, das wird jetzt nicht verraten, selbstverständlich | |
nicht. Es ist überhaupt zunächst sehr verführerisch, immer weiter zu | |
erzählen, was auf seinen Bildern nach und nach zu entdecken ist und wie man | |
es vom Alltag und dann von der Kunstgeschichte her interpretieren könnte | |
(die Eule als Verkünderin des Todes; der Pilz als Hinweis auf das, was in | |
der Erde schlummert, der plötzlich an die Oberfläche drängt und so nahrhaft | |
wie auch tödlich sein kann). Doch dann merkt man, dass das Ausplaudern nur | |
Kohlhoffs Strategie ist, sich das Misstrauen gegen die sichtbare | |
Wirklichkeit vom Leibe zu halten. | |
Man muss die Ausstellung, die übrigens sehr schön und sehr gekonnt gehängt | |
ist, stattdessen mit aller Zeit der Welt betrachten. Man muss unbedingt vor | |
seinen Bildern stehen, muss selbst dabei sein, wenn diese eigenartige | |
Stille, die von ihnen ausgeht, immer dichter wird und sich zugleich | |
auflöst, so dass man plötzlich meint, die Dinge zu hören, von denen Olrik | |
Kohlhoff auf seinen Bildern erzählt. | |
Zur Finissage wird man sich übrigens vor seinem Fuchs-Bild versammeln: „Wir | |
werden alle diese Kuchen backen, wir werden alle hier sein. Und wir werden | |
das Bild verlebendigen.“ Auch an die Kinder ist gedacht: Im ersten Stock | |
des Haupthauses gibt es kleine Malecke, mit Papier und Stiften. Und ein | |
Hund wartet dort. Ausgestopft. Vermutlich. | |
## „Olrik Kohlhoff. Spiel nicht mit Schlafenden“: bis 12. April, | |
Stadtgalerie, Delmenhorst. Zur Ausstellung erscheint ein gleichnamiges | |
Künstlerbuch | |
24 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Frank Keil | |
Frank Keil | |
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