# taz.de -- Wie man Kurator wird: Hans Ulrich Obrists Weg in die Kunst | |
> Im biographischen Essay „Kuratieren!“ beschreibt Hans Ulrich Obrist, wie | |
> er zum einflussreichen Player im internationalen Kunstbetrieb wurde. | |
Bild: Hans Ulrich Obrist leitet mit Julia Peyton-Jones die renommierte Serpenti… | |
Der Besuch einer Ausstellung des Künstlerduos Fischli und Weiss 1985 in | |
Basel hinterlässt bei dem sechzehnjährigen Hans Ulrich Obrist einen so | |
nachhaltigen Eindruck, dass er kurze Zeit später um einen Besuch im Atelier | |
der beiden Künstler bittet. Und: Der Heranwachsende wird herzlich | |
willkommen geheißen. Dieser erste überraschende Kontakt ist für Obrist und | |
seine frühe Entscheidung, Kurator zu werden, initial. „Dank ihrer | |
Freundschaft und durch das Interesse, das sie an mir hatten, setzte eine | |
Kettenreaktion ein, die nie mehr endete.“ | |
So wird für den jungen Schweizer das Künstlergespräch noch vor seiner | |
ersten Ausstellung zu einer vitalen und inspirierenden Methode. Während | |
einer Klassenfahrt 1987 nach Rom traf er den italienischen Künstler | |
Alighiero Boetti, der durch seine handbestickten Weltkarten (Mapa del | |
Mundo) berühmt geworden war. Für den zukünftigen Kurator wird auch diese | |
Begegnung zu einem einschneidenden Erlebnis – Boettis Rat, einen Künstler | |
stets nach seinen unrealisierten Projekten zu befragen, beherzigt er | |
seitdem konsequent. | |
Bei einer anderen Schulreise nach Paris nutzt Obrist wieder die Gelegenheit | |
und schaut im Atelier von Christian Boltanski und Annette Messager vorbei. | |
Auch die britischen Künstler Gilbert und George öffnen dem Jugendlichen in | |
London bereitwillig die Tür. Heute leitet Hans Ulrich Obrist gemeinsam mit | |
Julia Peyton-Jones die renommierte Serpentine Gallery in London – ein | |
Museum für zeitgenössische Kunst, im ehemaligen Teehaus im Kensington Park | |
gelegen. Der Begriff des „Kuratierens“ aber ist inzwischen längst | |
inflationär und Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs geworden. | |
In seinem nun in deutscher Übersetzung vorliegenden biografischen Essay | |
„Kuratieren!“ beschreibt Obrist nicht nur seinen zuweilen fantastisch | |
anmutenden Weg in die Kunst, sondern gibt auch einen spannenden Überblick | |
über die Entstehungsgeschichte von Ausstellungen im Allgemeinen und über | |
ihre europäischen Protagonisten im Besonderen. Pioniere wie der Museologe | |
und Kosmopolit Harry Graf Kessler (*1868), Hugo von Tschudi (*1851), | |
Direktor der Nationalgalerie Berlin, oder Willem Sandberg (*1897), Direktor | |
des Stedelijk Museums in Amsterdam, wurden durch ihr experimentelles | |
Vorgehen zu Vorbildern für die Praxis des Schweizer Kurators. | |
## Stets auf der Suche | |
Besonders in der ersten Hälfte des Buches gelingt Hans Ulrich Obrist eine | |
sympathisch fließende und verknüpfende Darstellung seiner Vision vom | |
Kuratieren – getrieben, stets auf der Suche nach einer neuen | |
Ausstellungserfahrung von Raum, Zeit und Welt. Obrists Neugier und seine | |
Freude am Künstlergespräch, das er bald regelmäßig durch eigene | |
Videoaufzeichnungen festhielt, wirken in alle Richtungen offen und | |
anregend. | |
Durch diesen gedanklichen Austausch gelingt es ihm immer wieder, andere | |
Ausstellungsformate mit neuen Spielregeln zu entwickeln – auch den jährlich | |
stattfindenden mehrtägigen Veranstaltungsmarathon in der Serpentine | |
Gallery, an dem Künstler, Wissenschaftler, Musiker, Aktivisten und | |
Filmemacher beteiligt sind. 2013 lud man dort, während des | |
89plus-Marathons, die nach 1989 im Zeitalter der Digitalisierung Geborenen | |
zur Teilnahme ein, um von ihnen für die Zukunft zu lernen. | |
Leider nimmt in „Kuratieren“ die routinierte Nacherzählung der vielen | |
erfolgreichen Ausstellungsprojekte unter Beteiligung eines immer gleichen | |
internationalen Künstler-Pools am Ende doch sehr viel Raum ein und | |
vermittelt den matten Eindruck eines „anything goes“. | |
Laut Ranking der britischen Art Review zählt Hans Ulrich Obrist spätestens | |
seit 2009 zu den einflussreichsten Playern im internationalen Kunstbetrieb. | |
Über die Konditionen seiner Arbeit, über ökonomische oder institutionelle | |
Zwänge verliert der Kurator allerdings rückblickend kein Wort. So bleibt | |
die Schilderung all der interessanten Reisen, Klausuren, Konferenzen und | |
Ausstellungen ohne den materiellen Hintergrund unvollständig und lässt mehr | |
als eine Frage offen. | |
19 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Eva-Christina Meier | |
## TAGS | |
Kunst | |
Performance-KünstlerIn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Performance von Marina Abramovic: Das Nichts als Markenkern | |
Die Performance „512 Hours“ der Künstlerin Marina Abramovic ist in London | |
zu Ende gegangen. Viel mehr als Abramaovic gab es nicht zu sehen. |