# taz.de -- Minimale sanitäre Anlage: Vom Hamburger Bad | |
> Ein schmaler, schlauchartiger Raum, vorn das Waschbecken, dahinter das | |
> Klo und ganz hinten die Dusche - ist das eine Hamburger Spezialität? | |
Bild: Wenn einer auf dem Klo sitzt, berühren seine Beine fast die Wand. | |
HAMBURG taz | Es gibt diese Wohnungen, die haben großzügige Zimmer, hohe | |
Decken, abgeschliffene Dielen, und dann aber dieses Bad. „Hamburger Bad“ | |
steht in der Wohnungsanzeige. Was muss man sich darunter vorstellen? Und | |
was unterscheidet das Hamburger Bad vom Berliner oder Münchener Bad? | |
Ich weiß es immer noch nicht. Ich konnte es nicht herausfinden. Gemeint ist | |
aber dieses ganz schmale, lang gezogene Schlauchbad, vorn das Waschbecken, | |
dahinter das Klo und ganz hinten dann die Dusche. Wenn einer da auf dem Klo | |
sitzt, berühren seine Knie fast die Wand. An diesem Bad kann man nichts | |
ändern, es ist so dünn geformt, es lässt sich einfach nicht aufplustern und | |
nicht komfortabler machen. Es ist ein Hamburger Bad. Oder Berliner Bad. | |
Oder Münchener Bad. Vielleicht, wenn man es so nennt, dann klingt das | |
liebevoller und dann erträgt man es leichter, weil es eine regionale | |
Besonderheit zu sein scheint, ein Hamburger Bad. | |
Für den echten Hamburger das echte Hamburger Bad. Ich kannte bereits | |
Hamburger Fußleisten, aber vielleicht sind auch die ein Gerücht. Vielleicht | |
gibt es auch die anderswo und sie sehen da genauso aus wie hier bei uns in | |
Hamburg. Wie ist das aber, mit diesem Raum, der in den Wohnungen oft so | |
bescheiden bemessen ist? | |
2.000 vor Christus gab es noch nicht besonders viele Badezimmer, aber die | |
paar, die es gab, die waren ganz hübsch. Vor allem waren sie großzügig | |
angelegt. Die Griechen und die Römer badeten zwar lieber öffentlich, aber | |
auf Knossos und auch in Rom gab es schon ein paar ganz ansehnliche | |
Privatbadezimmer. Der Palast des Zimri-Lim im mesopotamischen Mari war | |
schon 2.000 vor Christus mit Badeofen, zwei Terrakottabadewannen und Dusche | |
ausgestattet. | |
In Hamburg enthielten dagegen um 1910 nur zwanzig Prozent der Wohnungen ein | |
Bad. Die meisten Leute badeten in der Küche mit dem Waschlappen oder in der | |
kleinen Zinkwanne, und wenn das dann ein bisschen abgetrennt war, durch | |
Vorhang oder Schiebetür, und auch ein Klosett enthielt, dann hieß das | |
übrigens das Frankfurter Bad. In den Jahren um den ersten Weltkrieg herum | |
wurde dann aber aus Amerika das Kompaktbadezimmer importiert, dessen | |
Beschreibung sich schon sehr nach dem Hamburger Schlauch anhört. Die | |
gusseiserne Wanne stand quer an der rückwärtigen Schmalseite. Vor der Wanne | |
befanden sich das WC und ein Handwaschbecken. | |
Das massenproduzierte Kompaktbadezimmer wurde in der Zwischenkriegszeit | |
dann zum allgemeinen Wohnstandard. Das Hauszinssteuermittelgesetz von 1921 | |
führte dazu, dass haustechnische Installationen, wie eben der nachträgliche | |
Einbau eines Badezimmers, vorangetrieben wurden. Selbst Kleinwohnungen | |
erhielten jetzt ein Bad. | |
Auf diese Weise wurde zwar das Handwerk gefördert, es stieg aber auch die | |
Miete und vertrieb oftmals gerade die armen, kinderreichen Familien aus | |
ihren Wohnungen, denen durch dieses Gesetz zu besserer Hygiene verholfen | |
werden sollte. Ähnliche Zusammenhänge zwischen Sanierung, Mietenanhebung | |
und Gentrifizierung kennt man von jetzt. | |
Adolf Hitler, dem die Sauberkeit der Deutschen sehr am Herzen lag, hatte | |
ebenfalls einen Badezimmerplan und der hieß „Das Volksbad“. Analog zum | |
Volkswagen war das Volksbad klein und kompakt. In seiner Bescheidenheit dem | |
amerikanischen Kompaktbad sehr ähnlich, enthielt es auch die Bestandteile | |
Badewanne, Klo und Waschbecken. Den Plan der Volkswohnung, in der das | |
Volksbad enthalten sein sollte, fasste Hitler 1940. Der Plan konnte, wie | |
auch manch andere seiner Pläne, dann nicht mehr richtig verwirklicht | |
werden. | |
Stattdessen hatten sehr viele Deutsche erst mal längere Zeit gar nichts | |
mehr zum Baden. Erst in den siebziger Jahren setzte sich das Bad dann, bis | |
auf wenige Ausnahmen, in allen Wohnungen durch. Meine Oma war so eine | |
Ausnahme, sie besaß bis zu ihrem Tod, und das war 1984, weder | |
Wasseranschluss noch Bad in ihrer Wohnung. Wir wuschen uns in der | |
Spülschüssel, wie vor dem ersten Weltkrieg, und gingen aufs Plumpsklo | |
hinter dem Misthaufen. Wir fanden das damals ganz schön, aber wir waren | |
auch nur in den warmen Sommerferien bei ihr und wir mussten das Wasser | |
nicht in Eimern vom Dorfplatz ranschleppen, das tat nämlich sie ganz allein | |
und ich schäme mich jetzt noch dafür. Wenn wir das hätten tun müssen, dann | |
wäre uns vielleicht auch klar geworden, wie toll das im Allgemeinen ist, | |
dass uns allen das Wasser, und sogar ganz warmes, einfach so aus der Wand | |
fließt. | |
Das echte, schmale Schlauchbad, Fadenbad, Wurmbad, in seiner merkwürdig | |
dünnen Form scheint jedenfalls einem nachträglichen Einbau geschuldet zu | |
sein. Man findet es vor allem in Altbauten. In den Hamburger | |
Rotklinkerblocks der fünfziger Jahre ist das Bad zwar kaum größer, aber | |
immerhin etwas proportionierter und enthält oftmals eine Badewanne. | |
Ob nun das Hamburger Bad dasselbe ist wie das Berliner Bad, ob es sich | |
mitunter vielleicht um ein ursprünglich amerikanisch inspiriertes | |
Kompaktbad oder sogar um eines der seltenen Hitlerbäder handelt, das müsste | |
im Einzelnen anhand der Baudaten überprüft werden. Mir scheint, es läuft | |
alles auf eine ähnliche Enge hinaus. Mir persönlich gefällt ein kleines Bad | |
ganz gut, ich finde das intim und gemütlich, nur die Toilette könnte | |
ausgelagert sein. Denn das empfinde ich manchmal schon als eine | |
Einschränkung, dass ich vor meinem eigenen Bad anstehen muss, während einer | |
der Teenager auf dem Klo „Minecraft“ spielt oder die andere von denen sich | |
ein zweistündiges ayurvedisches Entspannungsbad gönnt. | |
24 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Katrin Seddig | |
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