# taz.de -- Olympischer Gedanke und Realität: Eine kulturindustrielle Inszenie… | |
> Ohne Prunk könnten Spiele gar nicht so schlecht sein. Doch Olympia dient | |
> Interessen, die dem Gedanken an einen fairen Wettkampf entgegenstehen. | |
Bild: Ob die erhofften Effekte für die Stadtentwicklung nachhaltig sind, darf … | |
Ich bin für die Olympischen Spiele. Genauer: Ich bin für den olympischen | |
Gedanken. Menschen aus aller Welt kommen zusammen, um sich im sportlichen | |
Wettkampf unter fairen Bedingungen zu messen, gemeinsam Zeit zu verbringen | |
und zur Verständigung zwischen Kulturen beizutragen. Für die Sportlerinnen | |
und Sportler geht es um Leistung, um „Citius, altius, fortius“. Doch die | |
Olympischen Spiele sind auch und gerade ein Fest des Sports, bei dem die | |
Teilnahme zählt. „Dabei sein ist alles!“ | |
Leider sieht die Realität anders aus. Die Olympischen Spiele sind ein | |
kulturindustrielles Spektakel. Sie sind ein straff durchorganisiertes und | |
orchestriertes Event. Sie dienen dazu, öffentliche, patriotisch konnotierte | |
Begeisterung herzustellen, die freilich streng kontrolliert und überwacht | |
ausgelebt werden soll. All das geschieht kommerziell und medial vermittelt | |
und nicht mehr vorwiegend staatlich verordnet, wie dies noch im Fordismus | |
der Fall war. | |
Es ist zugleich eine Möglichkeit für Sponsoren, Sportfunktionäre und | |
Politiker, sich zu präsentieren und sich im Zeichen der fünf Ringe zu | |
inszenieren. Die olympische Idee, frei von kommerziellen Interessen in den | |
Mittelpunkt zu stellen, ist Teil der Inszenierung. Sie trägt zum Image der | |
Spiele bei, das entsprechend vermarktet wird. | |
Im Unterschied zu Fußballmeisterschaften wird für die Olympischen Spiele | |
gern betont, dass sie weniger kommerziell seien. Bei genauer Betrachtung | |
lässt sich diese Aussage nicht halten. Die Spiele sind ein ökonomisches | |
Projekt wie jedes andere sportliche Großereignis auch. Für die Spiele in | |
London beliefen sich allein die Einnahmen aus Sponsorengeldern und dem | |
Verkauf der Fernsehrechte auf etwa 5 Milliarden US-Dollar. | |
## Der Wettkampf der Nationen | |
Das reicht jedoch bei Weitem nicht, um die Investitionskosten zu decken. | |
Diese liegen bei Sommerspielen im zweistelligen Milliardenbereich und | |
übersteigen regelmäßig das geplante Budget. Ob die erhofften Effekte für | |
die Stadtentwicklung und Infrastruktur nachhaltig sind, darf angesichts der | |
historischen Beispiele bezweifelt werden. | |
Auch die Verständigung zwischen den Kulturen ist Teil der | |
kulturindustriellen Inszenierung. Zur Leistung wird der interkulturelle | |
Dialog vor allem vor dem Hintergrund eines Wettkampfs der Nationen, der von | |
allen Beteiligten mit Begeisterung gepflegt wird. Sportfunktionäre und | |
Politiker geben schon vor den Spielen das Ziel für den Platz in der | |
Nationenwertung aus. | |
Medien drucken und kommentieren den Medaillenspiegel, der nicht die | |
Leistung der Einzelnen würdigt, sondern die Sportler auf eine Zahl | |
reduziert. Olympische Spiele sind gerade nicht frei von Nationalismus, sie | |
produzieren ihn mit, um dann die „Völkerverständigung“ als Errungenschaft | |
zu zelebrieren. | |
Zumindest für den Sport sind die Olympischen Spiele etwas Besonderes. Vor | |
allem für sogenannte Randsportarten wie Modernen Fünfkampf, Segeln oder | |
Synchronschwimmen scheinen sie eine Chance zu sein, sich der | |
Medienöffentlichkeit zu präsentieren und angemessene Aufmerksamkeit für das | |
jahrelange Training und die vielen Entbehrungen zu erhalten. Doch selbst | |
dieser Aspekt ist Teil der Inszenierung. | |
## Die strahlenden Sieger | |
Aufmerksamkeit erhält vor allem, wer Medaillen gewinnt. Und schon nach | |
wenigen Tagen oder Wochen ist das Interesse an diesen Sportarten wieder | |
verschwunden. Für die harte Arbeit, die hinter dem Erfolg steht, hat der | |
kulturindustrielle Betrieb wenig übrig. Er braucht die strahlenden Sieger | |
und die Underdogs, die für die Überraschungen sorgen. | |
Das IOC hat, so heißt es, erkannt, dass die Spiele nur noch wenig mit der | |
olympischen Idee zu tun haben. Mit seiner Reformagenda will es den Sport | |
wieder in den Mittelpunkt rücken und zugunsten der Nachhaltigkeit auf den | |
Prunk früher Spiele verzichten. Hamburg will eine Bewerbung liefern, die | |
genau darauf abzielt, dieses Reformprojekt umzusetzen. Mit der Idee ist | |
Hamburg nicht allein, und es ist auch nicht der erste Austragungsort, der | |
dies ankündigt. Ob es gelingt, bleibt abzuwarten. | |
16 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Torsten Heinemann | |
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