Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Anteileverkauf bei Hannover 96: Heimlich verscherbelt
> Präsident Martin Kind hat den Profifußball an sich selbst verkauft. Nun
> droht eine Mitgliederrevolte beim Bundesligisten Hannover 96.
Bild: Ganz schön geschäftig: Martin Kind krempelt seinen Verein um
BERLIN taz | Der Fußballbundesligist Hannover 96 GmbH & Co. KGaA hatte vor
dem Samstagsspiel gegen Hoffenheim drei wichtige Punkte geklärt. Erstens:
Der zuletzt glück- und somit erfolglose Trainer Tayfun Korkut wurde
entlassen. Zweitens: Mit Michael Frontzeck präsentierte 96 zügig eine neue
Lösung. Und drittens: Die Ultras kehren ins Stadion zurück, um ihrem Team
in der heißen Phase, wenn es um alles (also Liga eins) oder nichts (Liga
zwei) geht, beizustehen. Hurra!
Alles wird gut. Wenn da nicht die anstehende Mitgliederversammlung des
Muttervereins wäre, des Hannoverschen Sportvereins von 1896 e. V. Sie ist
für Montag, 19 Uhr, angesetzt und droht einen ungemütlichen Verlauf zu
nehmen.
Aus dem obersten Führungszirkel rund um den Präsidenten Martin Kind soll
durchgedrungen sein, dass der Mutterverein seinen knapp 16-prozentigen
Kapitalanteil an der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA verkauft hat. Der Verkauf
wurde mittlerweile bestätigt.
Damit ist Hannover 96 – mit Ausnahme der Werksklubs Leverkusen und
Wolfsburg – der erste deutsche Verein, der sein Profifußballgeschäft
komplett in Investorenhände gibt. Teile der Mitglieder sind ob des heimlich
ausgehandelten Deals erbost. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat den
Vertrag, der wohl schon im Sommer 2014 abgewickelt wurde, bereits
abgesegnet.
Käufer ist demnach die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG (S&S).
Deren Hauptanteilseigner heißt Martin Kind, der ist auch Präsident des
Muttervereins. Und er ist Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH,
die eine hundertprozentige Tochter des Muttervereins ist.
## Wahrung der 50+1-Regel
Über die Management GmbH besitzt der Mutterverein 100 Prozent der
Stimmenanteile an der GmbH & Co. KGaA. Somit bleibt die 50+1-Regel der DFL
gewahrt, weil es nicht entscheidend ist, wer die Kapitaleinlagen hält,
sondern wer die Mehrheit der Stimmen hat.
Nun hat sich Folgendes abgespielt: Die S&S hat die Kapitalverbindung
zwischen dem in die KGaA ausgelagerten Fußballprofibereich und dem e. V.
durch den Aufkauf der 16-prozentigen Muttervereinsanteile gekappt.
Allerdings verfügt der e. V. bis 2018 noch über 100 Prozent der
Stimmenanteile.
Dieser Anteil kann nach den DFL-Richtlinien erst dann gekippt werden, wenn
die übernehmende juristische Person (im Falle von Hannover 96 ist das die
S&S) mindestens 20 Jahre lang den Mutterverein aktiv gefördert hat. Die S&S
wurde durch Kind am 8. Juli 1998 gegründet, 2018 wäre also der Weg frei.
Bei den Fans bliebe aber ein bitterer Beigeschmack zurück. Die Hannoveraner
Informationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit und den 20.000 Mitgliedern
des Muttervereins als solche zu bezeichnen, wäre nämlich etwas übertrieben.
Informationen flossen sehr spät; die Mitglieder wussten bis vor wenigen
Wochen nichts von einem entsprechenden Vertrag.
## Mitglieder in Alarmstimmung
Am heutigen Montag droht nun eine turbulente Mitgliederversammlung. Eine
Gruppe von rund 75 Mitgliedern um [1][Bernd Hettwer kündigte Protest an].
Ihnen missfällt, wie intransparent der Verein in dieser sensiblen
Angelegenheit verfährt. Sie haben deshalb diverse Anträge nachgereicht.
Inhaltlich geht es entweder darum, den Verkauf des 16-prozentigen
Kapitalanteils rückgängig zu machen oder dem e. V. eine dauerhafte
Beteiligung an der Management GmbH (und, damit verbunden, der KGaA) zu
sichern. Auf Fanseite befürchtet man nämlich, dass Kind die Management GmbH
komplett durch die S&S aufkaufen lässt. Solche Pläne hat er in früheren
Interviews bereits mehrfach geäußert. Und es ist durchaus nachzuvollziehen,
wenn Kind den Investoren, die für frisches Geld sorgen, die Stimmrechte
verschaffen will.
Von dieser Vorstellung halten die kritischen Fans natürlich nichts. Sie
sind erregt, müssen sich allerdings fragen lassen, warum sie erst so spät
gegen Kinds Pläne aufbegehrt haben. Seit Kind im August 2011 bei der DFL
eine Sonderregel erwirkte, steht sein Plan für 96 fest.
Die entscheidende Passage dieser 2011 von den DFB-Richtern getroffenen
Sonderregel lautet: „Privatgesellschaften dürfen einen Bundesligisten
mehrheitlich übernehmen, sobald sie diesen 20 Jahre erheblich gefördert
haben.“ Bis dato hatte lediglich für die sogenannten Werksklubs des VfL
Wolfsburg (Kapitalanleger ist zu 100 Prozent VW) und Leverkusen (100
Prozent Bayer) eine Ausnahme bestanden. Rein rechtlich gesehen, ist Kinds
Plan, die Profiabteilung ab 2018 komplett in Investorenhände gehen zu
lassen, also nicht zu beanstanden.
Exakt ermitteln lässt sich dies freilich erst, wenn die Details des
Kaufvertrags bekannt geworden sind. Sollte etwa herauskommen, dass die
Anteile den Besitzer für zu wenige Euros wechselten, könnte das Folgen
haben. Und wie ein Geschäft zwischen Parteien ablaufen soll, in denen ein
und dieselbe Person das Sagen hat, ist zumindest zu fragen.
## Gute Geschäftsfreunde
Interessant ist auch, wer genau sich hinter der Hannover 96 Sales & Service
GmbH & Co. KG verbirgt. Neben Kind (mit 27,04 Prozent beteiligt) sind
Detlev Meyer (25,69), Dirk Roßmann (19,76), Michael Schiemann (12,45)
Gregor Baum (8,5), Matthias Wilkening (3,79) und die Verlagsgesellschaft
Madsack (2,77) in der S&S vertreten. Zur Verlagsgesellschaft Madsack gehört
die Hannoversche Allgemeine, von der einige Fans behaupten, sie berichte
über 96 und Kind auffallend unkritisch.
Von Gregor Baum und seiner gleichnamigen Immobiliengruppe ist bekannt, dass
sie mit Hannover 96 im Jahr 2005 schon mal ein Geschäft abgeschlossen hat.
Damals war sie für den Bau des Sport-und-Business-Parks mit einem
Investitionsvolumen von 7 Millionen Euro zuständig.
Die Verbindungen von Gregor Baum in der vergleichsweise kleinen
Hannoveraner Geschäftswelt sind vielfältig. So vermietet er etwa Räume an
das Architekturbüro Schulze & Partner, dessen Hauptauftraggeber er auch für
Planungsleistungen ist. Schulze & Partner haben wiederum jüngst einen
großen Auftrag erhalten, bei dem sie sich gegen sehr renommierte
Konkurrenten durchsetzten.
Sie haben das neue Vereins- und Sportzentrum von Hannover 96 in der
Stammestraße geplant. Außerdem soll ein neues Nachwuchsleistungszentrum
entstehen; die Planer sind – Schulze & Partner. Das Investitionsvolumen für
beide Bauten zusammen beträgt mehr als 20 Millionen Euro. Genaue Zahlen
sind allerdings nicht bekannt.
## Fragen über Fragen
Viele Mitglieder stellen sich nun Fragen, etwa: Wer bei Hannover 96 hat
entschieden, an wen die Aufträge vergeben werden? Etwa Gregor Baum? Stand
das Ergebnis der Ausschreibung schon vor dem eigentlichen Wettbewerb fest?
Falls ja, warum hat man dann überhaupt einen Wettbewerb ausgeschrieben?
Jeder Entwurf kostet schließlich Geld. Und zuletzt: Wer wird für die
Ausführung der Entwürfe, also den Bau des Nachwuchsleistungszentrums und
des Sportzentrums, sorgen? Etwa wie im Jahr 2005 wieder die
Immobiliengruppe Baum oder ihr gut bekannte Firmen?
Solche Fragen will der kritische Teil der Vereinsmitglieder beantwortet
haben, die Anhänger, die dagegen sind, dass die Profifußballabteilung
völlig vom e. V. gelöst wird.
Die Antworten ist der Verein ihnen bislang schuldig geblieben. Dafür hat
Martin Kind in der Bild-Zeitung ganz genau angegeben, warum er einen
Verkauf der 16-prozentigen Anteile des e. V. an die S&S für sinnvoll hält:
„Mit den Einnahmen finanzieren wir den Neubau an der Stammestraße.“ Na, so
was!
27 Apr 2015
## LINKS
[1] /H96-Mitglied-ueber-Anteileverkauf/!158891/
## AUTOREN
David Joram
## TAGS
Fußball
Fußball-Bundesliga
Hannover 96
Martin Kind
50+1-Regel
Fußball
Fußball
Martin Kind
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Übernahme von Hannover 96: Mitglieder klagen gegen Martin Kind
Der Präsident vom Fußballclub Hannover 96 versucht mit allen Mitteln, den
Profiklub zu übernehmen. Exkanzler Schröder unterstützt ihn dabei.
Hannover 96 in der Krise: Wie geht Fußball nochmal?
Nach dem 0:3 in Leverkusen glaubt Hannovers Trainer Thomas Schaaf: „Noch
ist unser Ziel erreichbar.“ Bisher zeigt sein Engagement noch keine
Wirkung.
H96-Mitglied über Anteileverkauf: „Nur noch ein Breitensportverein“
Hannover-96-Mitglied Bernd Hettwer erklärt, warum er den Verkauf der
Profisparte seines Klubs an eine Investorengruppe für falsch hält.
96: Neuer Trainer, neuer Anlauf mit den Fans: Martin Kinds Flucht nach vorn
Hannover 96 entlässt Trainer Tayfun Korkut und holt Michael Frontzeck.
Dabei geht fast unter, dass der Klub mit einer einlenkenden Erklärung den
Bruch mit den Fans zu kitten versucht.
Hannover 96: Mit Konsequenz in die Sackgasse
Hannover 96 verliert trotz einer anständigen Leistung gegen Borussia
Dortmund. Der erfolglose Trainer Tayfun Korkut darf aber bleiben - vorerst-
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.