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# taz.de -- Kommentar Streit über den Mindestlohn: Viel Lärm um nichts
> Der Mindestlohn vernichtet keine 900.000 Arbeitsplätze. Die CSU bleibt
> für diese Behauptung jeden Beleg schuldig. Aber das ist ihr egal.
Bild: Frank-Walter Steinmeier auf dem Weg zum Koalitionsgipfel am Sonntagabend
Ist ein Koalitionsgipfel ohne Entscheidungen ein Skandal? Nein, das Treffen
am Sonntagabend war aber vielleicht Zeitverschwendung für Angela Merkel und
Sigmar Gabriel. Zumindest die Ergebnislosigkeit beim wichtigsten
Sozialprojekt der Koalition war absehbar. Es ist wenig überraschend, dass
sich SPD und Union beim Mindestlohn vertagen. Die SPD muss ihr Glanzstück
eisern verteidigen, sie wäre verrückt, einer Aufweichung der
Dokumentationspflicht zuzustimmen. Und die Union will nicht von dem Versuch
lassen, den Mindestlohn im Sinne der Unternehmer zu durchlöchern. Ein
Punktsieg für die Sozialdemokratie also, aber noch ist der Streit nicht
gewonnen.
Vor allem CSU-Chef Horst Seehofer ist wild entschlossen, die Reform in
seinem Sinne zu instrumentalisieren. Er wetterte vor dem Treffen in einer
Boulevardzeitung gegen den „Kontrollwahn und die Regelungswut“ bei dem
Lieblingsprojekt der SPD. Es war offensichtlich: Wer den Partner vor
Verhandlungen so scharf attackiert, ist an einer Einigung nicht
interessiert. Die CSU schert sich nicht um die Millionen Menschen, denen
der Mindestlohn das Arbeiten zum Niedrigstlohn erspart oder den
entwürdigenden Gang zum Amt. Denn die wählen ja nicht CSU. Stattdessen
profiliert sich Seehofers Partei lieber als Schutzmacht der Unternehmer.
Dabei ist es gar nicht so schwer, die Arbeitszeiten eines Angestellten zu
erfassen, wirklich nicht - eine einfache Excel-Tabelle reicht. Aber
nochmal, es geht der CSU ja nicht um reale Probleme, sondern um gewolltes
Störfeuer. Im Gleichschritt mit den Wirtschaftsverbänden will sie es den
Behörden schwer machen, die Einhaltung des Mindestlohn zu kontrollieren.
Dabei weist vieles darauf hin, dass der Mindestlohn, der seit Januar gilt,
in Deutschland gut funktioniert. Was hatten die Wirtschaftsverbände und
wirtschaftsnahe Institute zuvor für Horrorszenarien verbreitet. Der
Mindestlohn gefährde bis zu 900.000 Arbeitsplätze, hieß es, und er treibe
diverse Firmen in den Ruin. Bis heute fehlt von solchen Effekten jede Spur,
es trifft manchmal sogar das Gegenteil zu. Die Bundesagentur für Arbeit
erwartet für 2015 einen Beschäftigungsrekord, und auf Presseberichte über
insolvente Firmen wartete man bisher vergebens.
Die Wirtschaftsverbände und die CSU sollten beim Mindestlohn eine Regel
befolgen, die im ganzen Leben sehr hilfreich sein kann: Einfach mal locker
machen.
27 Apr 2015
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Mindestlohn
Horst Seehofer
FAU
Mindestlohn
Schwerpunkt Angela Merkel
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