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# taz.de -- Hochschule: Bildung auf dem Prüfstand
> Sind die neuen Berliner Privatunis elitär? Ein Blick auf die Hertie
> School of Governance in Mitte und die Hochschule für Medien,
> Kommunikation und Wirtschaft zeigt: Teuer, aber auch mehr Praxisbezug.
Bild: Ausgefeilter Bewerbungsprozess.
Schon der Eingang der Hertie School of Governance an der Friedrichstraße
verweist auf das anspruchsvolle Profil der Privatuni: Der Boden aus hellem
Marmor, das goldfarbene Treppengeländer erinnern an den Empfangsbereich
eines Bundesministeriums oder großen Unternehmens. Direkt nebenan: die
Deutsche Bank. Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und ihre
Schnittstellen sind der Schwerpunkt der „Private School of Public Policy“,
wie sich die private Hochschule nennt. Hier studieren zukünftige
Weltbankmitarbeiter, Unternehmensberater oder Manager von Regierungs- und
Nichtregierungsorganisationen.
Der durchschnittliche Student des größten Masterstudiengangs, den die
Hertie School anbietet, der „Master of Public Policy“, spricht vier
Sprachen, verfügt bereits über zwei akademische Abschlüsse und hat
mindestens drei Praktika absolviert, zudem ehrenamtlich oder bezahlt in
drei verschiedenen Ländern gearbeitet – so eine Erhebung der Hochschule.
Elitär – und doch nicht nur: Die 432 Studierenden der Privatuni kommen aus
42 verschiedenen Ländern, außer aus den USA und Deutschland etwa aus Kenia,
Bolivien, Usbekistan. Jede(r) zweite von ihnen finanziert die rund 30.000
Euro Gebühren für das zweijährige Masterstudium mit Voll- oder
Teilstipendien. Diese vergibt die Uni mithilfe von Förderpartnern wie
Unternehmen, Banken, Stiftungen. Gründer der Hertie School ist die
gemeinnützige Hertie-Stiftung, die mit ihren Startstipendien begabte
SchülerInnen mit Migrationshintergrund schon ab der 8. Klasse fördert. Nur
ein gutes Drittel der jährlichen Kosten des Hochschulbetriebs finanziert
die Privatuni aus den Studiengebühren. Den Rest schießen Hertie-Stiftung
und andere Förderer zu.
So erklärt sich, warum das Masterstudium an der weit weniger elitären
privaten Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) kaum
weniger kostet. Die HMKW finanziert sich voll aus den Gebühren, die ihre
aktuell gut 500 Studierenden bezahlen. 25.000 Euro kostet hier der Master-,
22.000 Euro der Bachelorstudiengang. Im Angebot sind unter anderem die
Fächer Journalismus und Medienkommunikation, Grafikdesign, Visuelle
Kommunikation, Medien- und Wirtschaftspsychologie. Die private Hochschule
wirbt auf ihrer Website mit einem Studienangebot, das „fundiertes
akademisches Wissen und exzellente praktische Kompetenzen“ vermittele: „Auf
den zukünftigen Berufsalltag zugeschnitten“ und mit „wertvollen Kontakten
zu Unternehmen“.
Eine HMKW-Absolventin, die dort Journalismus studiert hat, berichtet: Neben
dem Standort Berlin ist es vor allem der Praxisbezug der Hochschule, der
sie überzeugt hat. Anders als an öffentlichen Universitäten mit
vergleichbaren Studiengängen werden an der HMKW auch praktische Fähigkeiten
vermittelt. Praktika und Volontariate selbst zu organisieren, das sei
vielen Studenten, die mit ihrem Studium direkt in die Praxis wollen, zu
umständlich, meint sie.
Die HMKW liegt relativ unauffällig in der Ackerstraße im Wedding. In dem
dunkelroten Backsteingebäude nimmt die Privatuni drei Etagen ein. Optisch
erinnern die Flure schon eher als die der Hertie-Schule an eine klassische
Bildungseinrichtung: helle Linoleumböden, weiße, mit bunten Streifen
verzierte Wände. Bilder stellen studentische Projekte aus. Den Studierenden
stehen moderne, mit PCs und Macs ausgestattete Seminarräume, ein Fotostudio
und ein „Kreativraum“ zur Verfügung. Alle Materialien und Kameras sind in
den Unigebühren enthalten.
Die StudentInnen würden zudem davon profitieren, dass viele Professoren
„aus der Praxis“ kämen, etwa aus Nachrichten- oder Werbeagenturen und
Unternehmensberatungen, erklärt HMKW-Studienberaterin Annelie Schwabe. Am
Ende jedes Semesters gibt es anderthalb Wochen Projektzeit, an der alle
Studenten beteiligt sind: In Gruppen entwickeln sie in vorgegebenem Rahmen
Imagefilme, Broschüren oder Werbekampagnen für konkrete Auftraggeber,
zuletzt etwa für Deutsche Bahn und Bundestag. Die Gewinnergruppe wird mit
einem Preis belohnt.
Der Studienalltag an der HMKW ist streng durchorganisiert: Zu Beginn des
Semesters erhalten die Studierenden Stundenpläne mit etwa 20 Wochenstunden
Präsenzzeit. „Wir planen dabei so, dass mindestens ein vorlesungsfreier Tag
bleibt“, erklärt Schwabe. Einige der Studierenden müssten schließlich
nebenbei arbeiten. Viele finanzieren ihr Studium durch Studienkredite,
Nebenjobs und Bafög. Die HMKW vergibt pro Semester nur zwei Halbstipendien.
Das alles sei zwar „eine Menge Stress“, so Schwabe: Doch die Studierenden
würden es begrüßen, weil sie das im Unterricht Gelernte so gezielt anwenden
können. Das sei ihnen ebenso wichtig wie die obligaten Praktikumssemester.
Zu den dabei kooperierenden Unternehmen gehören unter anderem Hertha BSC,
die Charité und Vattenfall. „Doch meist wissen die Studierenden schon
genau, wo sie ein Praktikum machen möchten“, sagt Schwabe. Sie suchten dann
selbst nach Unternehmen. Dafür bietet ihnen die Uni an,
Bewerbungsunterlagen zu prüfen und individuell zu beraten.
Doch winkt für die Studiengebühren dann auch der leichte Abschluss und der
problemlose Übergang ins Berufsleben?
„Es ist ein Investment“, erklärt Ronald Freytag, Kanzler der HMKW. „Wir
wissen, dass viele Studenten hart für das Studium hier arbeiten müssen.“
Sie versprächen sich davon bessere Chancen für ihren Berufsstart: „Das
versuchen wir umzusetzen“, so Freytag: Durch Praxisnähe, aber auch
Doppelorientierungen wie Medien- und Eventmanagement trage die Privatuni
der Tatsache Rechnung, „dass viele Studierende oft noch nicht wissen, was
sie konkret machen wollen“, so der Kanzler.
An der Hertie School scheinen die Studierenden dagegen ziemlich genau zu
wissen, was sie wollen. „Der Master of Public Policy ist ein ziemlich
spezielles Programm im Vergleich zu anderen oft eher theoretischen
Masterstudiengängen“, erklärt eine Studentin. Das habe ihr sehr zugesagt:
„Ich wollte nicht noch einmal zwei Jahre lang nur Fachliteratur lesen und
wissenschaftliche Hausarbeiten schreiben, ohne wirklichen Bezug zum Job.“
Der Studiengang sei sehr darauf ausgerichtet, die Inhalte praktisch
anzuwenden, bestätigen zwei weitere Studentinnen. Zudem werde man dank der
Unterrichtssprache Englisch mit englischen Fachbegriffen vertraut. Und die
internationale Studierendenschaft, die einige Praxiserfahrung mitbringe,
mache das Miteinander interessant und vielfältig. Schließlich habe sie auch
der gute Ruf der Uni zur Bewerbung an der Hertie School bewogen.
Die Bewerbung an der privaten Eliteuni gleicht der bei einem Unternehmen:
mit Lebenslauf, Motivationsschreiben, Zertifikaten und
Empfehlungsschreiben. „Wir haben einen sehr ausgefeilten
Bewerbungsprozess“, erklärt Regine Kreitz, Leiterin Kommunikation der
Hertie School. „Ein akademisches Komitee aus unseren Professoren sieht sich
die Bewerbungen an und wertet sie aus. Dann entscheiden wir, wem wir einen
Studienplatz anbieten.“ Kaum einer der Angenommenen würde dann das Studium
abbrechen, so Kreitz: „Die Studierenden informieren sich in der Regel
vorher sehr genau.“
Wie die HMKW ist auch die Hertie School streng organisiert: Die
Studierenden bekommen zu Semesterbeginn einen Stundenplan mit
Präsenzpflicht, der, abgesehen von einigen Projektseminaren, bei denen die
Studierenden eng mit Unternehmen, staatlichen Institutionen oder NGOs
zusammenarbeiten, kaum individuelle Entscheidungen zulässt. Prüfungen und
Abgabetermine liegen innerhalb des Semesters, es gibt regelmäßig
Hausaufgaben und Lesestoff. „Man wird praktisch in jeder Stunde geprüft“,
sagt eine Studentin: Das sei „sicher nicht für jeden das Richtige. Aber mir
half es tatsächlich, stetig zu lernen und nicht bis zum Semesterende zu
warten, bis ich den Stoff im Akkord reinprügeln muss.“
In einigen Punkten scheint sich die Hertie School jedoch nicht von
staatlichen Unis zu unterscheiden: „Ich würde mir kleinere Seminare
wünschen“, sagt die Studentin. „Bei 30 TeilnehmerInnen wird es schwierig,
wenn Partizipation ein Bewertungskriterium ist.“ Außerdem sei das Feedback
bei der Notenvergabe an manchen Stellen verbesserungswürdig. „Der Prozess
ist nicht immer transparent und nachvollziehbar“, findet sie. Das gelte
auch für die Vergabe der Stipendien, fügt die Studentin an.
Kommunikationsleiterin Kreitz widerspricht: Grundlage der Stipendienvergabe
seien finanzielle Bedürftigkeit und bisherige Leistungen.
## Talent und Motivation
Auch an der HMKW wird nicht jede(r) BewerberIn angenommen. Bei einem
Aufnahmetest müssen unter anderem Englischkenntnisse und Wissen aus
Wirtschaft und Politik bewiesen werden. Darauf folgen ein persönliches
Gespräch und ein Motivationsschreiben. „Wir haben ein Bewerbungsverfahren,
das nach Talent und Motivation entscheidet“, erklärt Kanzler Freytag. Das
Abiturzeugnis sei dabei „eher zweitrangig“. „An anderen Unis liegt der NC
für Psychologie mittlerweile bei 1,0“, ergänzt Annelie Schwabe. „Und die
Unis merken selbst, dass ein gutes Abitur wenig über die Qualifikationen
eines Studenten aussagt.“ Sie hält den Eignungstest für den besseren Weg
zur Immatrikulation.
Die HMKW-Absolventin des Journalismus betrachtet ihr Studium im Rückblick
dennoch nicht unkritisch. Vorteilhaft sei die überschaubare Größe der Uni:
„Man bekommt eine sehr persönliche Betreuung. Man hat immer einen
Ansprechpartner“, sagt sie. Auch habe sie vom Praxisbezug profitiert. „In
den ersten Semestern war das cool, man hat viel Neues gelernt“, sagt sie.
Aber später habe sich viel wiederholt, vielleicht „wegen schlechter
Kommunikation zwischen den Dozenten“. Irgendwann wisse man einfach, wie
eine Reportage oder ein Bericht aufgebaut sein soll.
Ihr Resümee: „Wenn man den Anspruch hat, ernsthaft Journalist zu werden,
muss man anders wählen als ich damals“. Annelie Schwabe macht jetzt weiter
Redaktionspraktika: der klassische Weg in den Beruf also.
16 May 2015
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