# taz.de -- Kommentar Bankenkrise: USA: Real existierender Neoliberalismus | |
> Die US-Regierung will den Banken sämtliche faulen Kredite abnehmen. | |
> Verkehrte Welt: Verstaatlichungen sind in den USA plötzlich die letzte | |
> Hoffnung der Banker. | |
Eine Woche der Superlative geht zu Ende. Auf Lehman Brothers, die teuerste | |
Bankenpleite der Geschichte, folgte mit AIG die größte Verstaatlichung | |
einer Versicherung; dem weltweiten Börsen-Absturz folgt nun eine | |
Rettungsaktion bisher undenkbaren Ausmaßes: Die US-Regierung will den | |
Banken sämtliche faulen Kredite abnehmen - was bis zu einer Billion Dollar | |
an Steuergeldern kosten dürfte. | |
Verkehrte Welt: Verstaatlichungen, bisher eher von der Linkspartei | |
propagiert, sind in den USA plötzlich die letzte Hoffnung der Banker. | |
Ausgerechnet der bei den Anhängern des freien Marktes normalerweise | |
verhasste Staat muss die Herzstücke des Kapitalismus retten: Müsste damit | |
nicht die neoliberale Ideologie am Ende sein? Nicht unbedingt. Denn in der | |
Praxis ist es schon lange so, dass die Marktfetischisten Freiheit von | |
staatlichen Eingriffen vor allem dann fordern, wenn ihre Gewinne fließen. | |
Kommt es hingegen zu großen Verlusten, durfte die Politik sich schon immer | |
gern beteiligen. | |
Und auch diesmal ist das Kalkül wieder aufgegangen, dass der Staat aus | |
Sorge vor noch größeren Problemen am Ende schon zahlen wird. Prompt gehen | |
die Aktienkurse der Banken wieder steil nach oben. | |
Dennoch gibt es berechtigte Hoffnung, dass diese Form des real | |
existierenden Neoliberalismus, bei dem die Gewinne privatisiert und die | |
Verluste sozialisiert werden, es in Zukunft schwerer haben wird. Zu | |
offensichtlich ist die Verantwortung der Investmentbanker für die Krise. | |
Unbehelligt von der Politik konnten sie mit uferloser Gier ihre | |
Traumrenditen einfahren, ohne dass die Frage, wer diese eigentlich | |
letztlich bezahlt, auch nur gestellt wurde. | |
Am Ende ist dies nun wieder der Steuerzahler. Die irrwitzigen Kosten für | |
die Öffentlichkeit aber bieten nun die realistische Chance, dass die | |
Entscheidungsträger nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern die | |
unregulierte Finanzbranche endlich beaufsichtigen. Dass mit dem Verbot | |
spekulativer Derivate eine lange belächelte Kernforderung von | |
Globalisierungskritikern über Nacht Realität wurde, ist ein erstes gutes | |
Zeichen. Die teure Rettungsaktion sollte der letzte Sieg des | |
Turbokapitalismus sein. | |
20 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Brown und die Finanzkrise: Labour hat seine Wähler verprellt | |
In Großbritannien wird die Finanzkrise vor allem die Labour Party weiter | |
schwächen. Eine Wahlniederlage gegen die Tories in anderthalb Jahren | |
scheint sicher. | |
Krisenstimmung in New York: Schlechte Zeiten für Minas | |
Die Finanzkrise trifft nicht nur Banker und Bankangestellte, sondern die | |
ganze Stadt. In der Wall Street droht der Verlust von 30.000 Jobs. Viele | |
fürchten Rückkehr von Kriminalität und Armut. | |
Aktienkurse an der Moskauer Börse: Die Euphorie nach der Panik | |
Am Mittwoch war die Börse in Moskau wegen dem Fall der Aktienkurse | |
geschlossen worden, am Freitag gingen die Werte steil nach oben. | |
Rettungspaket für Finanzmärkte: US-Regierung zahlt die Zeche | |
Nun will die US-Regierung doch im großen Stil die faulen Kredite auffangen. | |
Am Freitag wurde zum Auftakt ein Garantieprogramm über 50 Milliarden Dollar | |
angekündigt. Die Börsen sind im Kaufrausch. |