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# taz.de -- RFID-Chips stecken bald überall drin: Funkende Kleidung
> RFID-Chips sind praktisch, aber jeder Schokoriegel wird weltweit
> identifizierbar. Was, wenn das Papier in Nachbars Garten flattert?
Bild: RFID-Chips kommen bereits bei einigen Kaufhäusern zum Einsatz.
So könnte Shopping in naher Zukunft aussehen: Kein Anstehen an der Kasse.
Einfach die Einkäufe in die Tasche packen und durch die Ausgangstür mit dem
integrierten Lesegerät gehen. Sie registriert automatisch, was gekauft
wurde und wie viel das Geschäft nachbestellen muss. Mit dem Chip in der
Kundenkarte wird die Person erkannt und der zu zahlende Betrag
schnurstracks vom angegebenen Konto abgebucht. Großer Service, [1][Schutz
vor Diebstahl] und effiziente Logistik sind die Vorteile des RFID-Chips.
Die neue Technik bringt aber auch Gefahren für den Datenschutz mit sich.
Chips in Bibliotheken
RFID steht für Radiofrequenzidentifikation. Die Chips sind
[2][mittlerweile] so klein wie Staubkörner. Da sie auch noch billig in der
Herstellung sind, könnten sie bald überall angebracht werden. Sogar in
Textilien könnten sie eingewoben werden. In den [3][Eintrittskarten] für
die Fußball-WM 2006 steckte bereits ein RFID-Chip - für die
Fälschungssicherheit. Die neuen Reisepässe, die sogenannten E-Pässe , sind
ebenfalls mit RFID-Chips bestückt, auf denen das biometrische Passfoto und
ab November 2007 auch zwei digitale Fingerabdrücke gespeichert sind. Auch
Bibliotheken nutzen die neue Technik, beispielsweise 25 [4][Bibliotheken in
München]. Die METRO AG hat solche Chips in ihrem Future Store in Rheinberg
im Einsatz, [5][auf der Webseite] auch interaktiv zu erleben.
Praktische Visionen gibt es viele: Der Medizinschrank meldet, wenn
Medikamente abgelaufen sind. Die Pizzaschachtel nennt dem Backofen die
optimale Backtemperatur und -zeit. BR-Online hat die futuristischen
Vorteile des RFID-Chips [6][einmal aufgelistet]. Von verlorenen
Haustürschlüsseln, die man googeln kann, [7][erzählt] Science-Fiction-Autor
Bruce Sterling im Interview des ZUENDERS der Zeitschrift DIE ZEIT.
Unter die Haut gepflanzt
Welche Produkte heute schon mit RFID ausgestattet sind, [8][recherchiert]
der FoeBuD, der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und
unbewegten Datenverkehrs, ein großer Kritiker der Technik. Zum Einsatz
kommt RFID: In der Bahncard 100 seit April 2005, in Studierendenausweisen,
laut FoeBuD bei der Technischen Universität Berlin, Ludwig Maximilians
Universität und Technischen Universität in München sowie der Universität
Bielefeld, in Skipässen, bei der Tierkennzeichnung, in den Lagern von
Kaufhäusern, auf Eintrittskarten, Ausweisen und anderen
Identifikationspapieren. Sogar Menschen werden die Chips [9][unter die
Haut] gepflanzt:
Bei der Discothekenkette "Baja Beach Club" lassen Stammgäste das freiwillig
machen, damit sie u. a. nicht mehr jedes Getränk einzeln bezahlen müssen.
In einem Wohnhaus in Neuss rechnen Mieter die Kosten für den Fahrstuhl nach
Benutzung ab: Jede Fahrt kostet 5 Cent und wird per RFID-Chip am
Schlüsselbund verbucht.
Marke der Unterwäsche offenkundig
[10][Datenschützer und Handel] stehen im Punkt RFID von Anfang an
miteinander im Disput. Was wirtschaftliche Abläufe vereinfacht, ermöglicht
leider auch den [11][Einblick in die Einkaufstüte]. Werden die Chips
beispielsweise beim Verlassen des Geschäfts nicht deaktiviert , abmontiert
oder zerstört, könnte auch auf der Straße jeder mit einem Lesegerät in die
Tüte gucken. Oder im Geschäft wird anhand des eingewebten Chips in der
Unterhose angezeigt, welche Marke bevorzugt wird.
Werden die Informationen in Datenbanken zusammengetragen und verknüpft,
ermöglichen sie enormen Einblick in das Leben jedes Einzelnen: Das perfekte
Kundenprofil kann erstellt werden, weitaus besser als durch die heutigen
Payback-Karten. Die Marketingexperten können es kaum abwarten, die neuen
Möglichkeiten auszuprobieren: Wer vor einem bestimmten Regal womöglich
länger steht, könnte am nächsten Tag die passende Werbung in seinem
Briefkasten oder E-Mail-Account finden, je nachdem, was er auf seiner
Kundenkarte angegeben hat oder bei welchem Adresshändler die Handelskette
eingekauft hat.
Weltweit eindeutig
Unvorstellbar, aber wahr: Jeder Gegenstand erhält durch RFID-Chips eine
weltweit eindeutige Seriennummer. Er ist damit eindeutig identifizierbar.
Schokoriegel einer bestimmten Sorte hatten bisher den gleichen Strichcode.
Mit RFID wird jeder einzelne Riegel identifizierbar . Wird mit der
Kundenkarte, der Bankkarte oder der Kreditkarte bezahlt, ist auch der
Käufer identifizierbar. Schmeißt er das Papier des Schokoriegels einfach
auf die Straße, könnte der Schmutzfink genau ermittelt werden und mit einem
Bußgeld belangt werden. Wenn erst die Häuser intelligenter werden, die
digitale Krankenakte eingeführt und alles miteinander vernetzt ist, könnte
nach einem dekadenten Essen am Spiegel im Badezimmer die böse Nachricht
überraschen: "Ihr Krankenkassenbeitrag wurde soeben erhöht."
Personen verfolgen
Der FoeBuD fordert deshalb: Keine RFID-Chips auf Einzelprodukten .
Anderenfalls müssen die Chips beim Bezahlen an der Kasse automatisch
zerstört werden. In [12][diesem] Positionspapier haben Datenschützer und
RFID-Kritiker ihre Bedenken und Vorschläge für den Gebrauch von RFID auf
und in Konsumgütern aufgelistet. [13][Bedenklich] seien etwa die ve
rsteckte Anbringung von Etiketten, die eindeutigen Identifikationsmerkmale
für alle Objekte weltweit, die massenhafte Datenzusammenführung, versteckte
Lesegeräte oder die Personenverfolgung und die Erstellung von Profilen. Die
Zerstörung am Ausgang [14][wünschen] sich auch die Teilnehmer der
Online-Umfrage "Was darf Technik?". Sie ist Teil der Studie [15][TAUCIS],
die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
durchgeführt wurde.
RFID-Chips werden kontaktfrei ausgelesen. Der Nutzer hat keine Kontrolle
mehr darüber, wann und von wem der Chip ausgelesen wird. Die Kundenkarte
könnte schon beim Betreten des Geschäfts den Käufer identifizieren und in
der Datenbank sein Kaufverhalten der letzten Tage abrufen. Ähnlich wie beim
Online-Buchversand könnte dem Kunden nun empfohlen werden, was er bestimmt
kaufen möchte oder was andere Kunden mit ähnlichem Kaufprofil gekauft
haben. Da wäre die persönliche Begrüßung durch den Lautsprecher am Eingang
"Guten Tag Herr Mustermann, heute ist ihr Lieblingskäse im Angebot" noch
die harmloseste Variante.
METRO-Skandal
Die METRO AG hatte bereits 10.000 Kundenkarten mit RFID-Chips versehen,
ohne die Kunden drüber zu informieren. Als die Kritik laut wurde, [16][bot]
das Unternehmen den Umtausch in eine chipfreie Karte an. Mit dieser Karte
konnten Kunden schon beim Betreten des Geschäfts eindeutig identifiziert
werden. Einkäufe wurden mit dem Kunden verknüpft. Den [17][METRO-Skandal]
kann man beim FoeBud nachlesen, der die Chips in den Karten zufällig
entdeckte, und bei [18][Telepolis]. "[19][Big Brother im Supermarkt]?",
fragt auch der WDR.
Nicht nur Kundenprofile könnten erstellt werden, es könnte sich eine Art
Preisdiskriminierung entwickeln, bei der nicht alle Kunden gleichwertig
behandelt werden: Stammkunden könnte das Unternehmen niedrige Preisangebote
machen, während die Preise für Gelegenheitskunden erhöht würden.
Spionage an der Ampel
Antennen, mit denen die Chips ausgelesen werden, können überall angebracht
werden: an Türen, Ampeln, Zapfsäulen oder Regalen. So könnte sich jeder ein
Bild verschaffen, welche Kundenkarten im Geldbeutel versteckt sind und
welche Bonbons gerade gekauft wurden. Die Tanksäule könnte erkennen, welche
Marke Kaugummis der Autofahrer in der Tasche hat, und die Werbung der
Konkurrenzmarke spielen.
Karstadt setzt die RFID-Technologie seit September 2007 in einem Warenhaus
in Düsseldorf erstmals im Echtbetrieb ein. Dabei ging Karstadt bei der
Einführung deutlich geschickter vor als die METRO AG. Die RFID-Chips, die
bislang nur an Jeans angebracht wurden, sind nun für den Kunden sichtbar
und werden an der Kasse restlos entfernt. Beim Kauf kann keine Verknüpfung
mit personenbezogenen Daten erfolgen. Außerdem informierte Karstadt seine
Kunden über den Einsatz der RFID-Technik.
Grundsätzlich gibt es verschiedene Arten von RFID-Chips. Die Klasse der
passiven Chips kann nicht von alleine senden. Diese Chips beziehen ihren
Strom durch die Wellen des Lesegeräts. Sie haben nur eine kleine
Reichweite. Aktive Chips eignen sich für das Auslesen aus großer
Entfernung, benötigen dafür allerdings eine eigene Stromquelle. Sie können
mit Mikrowellen ausgelesen werden. Es gibt Chips, deren Inhalt auch
geändert werden kann. In sie kann beispielsweise der Käsehersteller
Ablaufdatum und Sortenname eingeben, der Händler kann dann den Ladenpreis
hinzufügen.
Arbeitsplätze fallen weg
Intelligent wird der Chip erst, wenn er programmierbar ist und eigene
Entscheidungen aufgrund von Algorithmen treffen kann: Dann könnte sich
beispielsweise ein Container im Hafen den passenden LKW, der an seinen
Bestimmungsort fährt und noch Platz hat, selbst suchen, [20][schwärmt] Falk
Lüke in der ZEIT.
RFID-Chips könnten also recht bald einige Berufe wie mit Sicherheit den des
Kassierers überflüssig machen. Nicht nur deshalb hat die Gewerkschaft
ver.di in einer [21][80-seitigen Broschüre] (PDF) Informationen für
Betriebsräte zusammengestellt.
RFID auch in anderen Ländern
In Ungarn [22][wurde gerade] am Flughafen Debrecen ein Verfahren getestet,
das RFID-Chips und Kameraüberwachung kombiniert. Mit dem RFID-Chip im
Flugticket lässt sich jeder Passagier auf Schritt und Tritt am Monitor
verfolgen. Ansagen könnten Passagiere persönlich ansprechen, die vielleicht
bei einem Kaffee die Zeit vergessen haben und den Flug möglicherweise
verpassen könnten.
Großbritannien hat eine halbe Million Mülltonnen mit RFID-Chips
[23][versehen], die in Deutschland produziert wurden, allerdings ohne die
Bürger zu informieren. Grund: Die genaue Müllmenge soll in Rechnung
gestellt werden können, wie der britische Umweltminister laut "The
Guardian" [24][andeutete]. Die Tonne wird beim Auskippen gewogen und der
Besitzer aus dem Chip ausgelesen. Sind bald die Einzelprodukte mit Chips
ausgestattet, könnte auch festgestellt werden, was genau weggeschmissen
wurde und ob es in der richtigen Tonne entsorgt wurde.
Die Verkehrsbetriebe in London [25][führten] 2004 die Oyster Card ein: ein
bargeldloses Zahlsystem mit persönlicher Radiofrequenzidentifizierung.
Sämtliche individuellen Bus- und U-Bahnfahrten werden so gespeichert.
Nutzte der Scotland Yard das System 2004 siebenmal zur Aufklärung von
Verbrechen, waren es 2005 schon 229-mal.
Schüler unter Beobachtung
In den USA werden an einer privaten Schule Schüler, Lehrer und Laptops
[26][bereits] mit RFID-Chips kontrolliert. Beim Betreten der Schule
identifizieren sich die Schüler via Chip und Touchscreen zusätzlich zu
ihren Ausweisen, die sie sowieso um den Hals tragen müssen. Den Lehrern
ermöglicht der Chip Zugang zu geschlossenen Räumen.
Im kalifornischen Senat sollte 2006 ein Gesetz verabschiedet werden, das
weitreichend den Datenschutz im Zusammenhang mit RFID regelt. Gouverneur
Arnold Schwarzenegger [27][war dagegen]. Der Entwurf scheiterte. Die Bürger
sollten die Kontrolle darüber erhalten, ob von RFID-fähigen Karten
Informationen übermittelt werden. Zugriff ohne Wissen und Zustimmung wäre
verboten worden. Öffentliche Einrichtungen hätten die Bürger informieren
müssen, wo genau Lesegeräte stehen und welche Informationen mit ihnen
gesammelt werden. Das ging Schwarzenegger zu weit. Hier seine
[28][Begründung] (PDF, Englisch).
Der Einsatz von RFID-Chips bringt eine Vielzahl von Vorteilen mit sich.
Grundsätzlich wäre es falsch, die Technik zu verteufeln. Wichtiger ist,
dass bei ihrer Nutzung gewisse Richtlinien des Datenschutzes beachtet
werden. Notfalls müsste die Gesetzgebung die Datensammelwut der Wirtschaft
in ihre Schranken weisen. Nach dem METRO-Skandal sind die Geschäfte aber
auch jetzt schon vorsichtiger geworden.
Zu den weiteren Brennpunkten: [29][Biometrische Systeme im Einsatz],
[30][Heimliche PC-Durchsuchungen], [31][Überwachte Kommunikation] und
[32][Ausweise mit biometrischen
Daten][33][http://www.taz.de/1/archiv/dossiers/dossier-ueberwachung/rfid/ar
tikel/1/funkende-kleidung/?src=SZ].
11 Feb 2008
## LINKS
[1] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/15/15929/1.html
[2] http://www.chip.de/news/c1_news_24292214.html
[3] http://archiv.chip.de/news/c1_archiv_news_17206292.html
[4] http://www.br-online.de/wissen-bildung/artikel/0602/03-rfid-bibliotheken/in…
[5] http://www.future-store.org/multimedia/html/de/360_neuss/index.html
[6] http://www.br-online.de/wissen-bildung/thema/rfid/moeglichkeiten.xml
[7] http://zuender.zeit.de/2007/06/interview-bruce-sterling
[8] http://www.foebud.org/rfid/wo-gibt-es-rfid
[9] http://www.foebud.org/rfid/wo-gibt-es-rfid#eingepflanzt
[10] http://www.zeit.de/2006/04/RFID
[11] http://www.br-online.de/wissen-bildung/thema/rfid/gefahren.xml
[12] http://www.foebud.org/rfid/positionspapier/
[13] http://www.foebud.org/rfid/positionspapier
[14] http://www.zeit.de/2006/11/RFID-Umfrage?page=all
[15] http://www.taucis.de/
[16] http://www.golem.de/0402/29985.html
[17] http://www.foebud.org/rfid/metroskandal
[18] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/16/16803/1.html
[19] http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/1/rfid/index.jhtml?rubrikenstyle=wirts…
[20] http://www.zeit.de/online/2006/12/rfid
[21] http://www.verdi-innotec.de/upload/RFID_Basisinformation.pdf
[22] http://www.sueddeutsche.de/computer/artikel/592/104488/
[23] http://www.heise.de/newsticker/meldung/77348
[24] http://www.guardian.co.uk/uk_news/story/0,,1859571,00.html
[25] http://www.zeit.de/2007/03/Big-Brother?page=all
[26] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/15/15936/1.html
[27] http://www.heise.de/tp/r4/html/result.xhtml?url=/tp/r4/artikel/23/23710/1.…
[28] http://gov.ca.gov/pdf/press/sb_768_veto.pdf
[29] /1/archiv/dossiers/dossier-ueberwachung/biometrie/artikel/1/biometrische-s…
[30] /1/archiv/dossiers/dossier-ueberwachung/online-durchsuchung/artikel/1/heim…
[31] /1/archiv/dossiers/dossier-ueberwachung/vorratsdatenspeicherung/artikel/1/…
[32] /1/archiv/dossiers/dossier-ueberwachung/e-pass/artikel/1/zeigt-her-eure-fi…
[33] /1/archiv/dossiers/dossier-ueberwachung/rfid/artikel/1/funkende-kleidung/
## AUTOREN
Kathrin Giese
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