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# taz.de -- Workshop Nr. 6: Eilmeldung
> Eile oder Langsamkeit und Entschleunigung? Wie verhält es sich mit der
> Eilmeldung in Medien und Gesellschaft?
Bild: Der Brief, die entschleunigte Twitternachricht.
28. bis 31. Oktober 2010, zwanzig haben es zum taz-Workshop der
Panter-Stiftung geschafft. Mehrere hundert angehende Journalistinnen und
Journalisten hatten sich beworben. Nun, bei ihrer ersten
Redaktioinskonferenz stellen sie sich vor. Sie haben einen harten Job: Aus
dem ziemlich abstrakten Thema „Eilmeldung. Die informierte Gesellschaft“
sollen sie vier Zeitungsseiten machen.
Ihre Ideen haben sie bereits in einem Dokument angelegt, das auf rund 20
Seiten angewachsen ist. Was dort steht, klingt noch unausgegoren:
„Eilmeldung als Generationen-/Zentrum vs. Pheripherie Frage?“. Oder: „2.
Social Networks: Twitter, Facebook und Co vs. Holzmedien.“ Es folgen neun
weitere Punkte, die ihre Stoffsammlung gliedern. Nun sollen sie daraus das
Dossier entwickeln.
Der erste Abend aber wird dazu nicht reichen. Am nächsten Tag nehmen die
Nachwuchsfachkräfte des Journalismus an der Redaktionskongferenz der taz
teil. Ein Verkäufer, der jeden Mittwochabend die taz unter die Leute
bringt, erzählt, welche Titel sich seiner Erfahrung nach gut verkaufen. Und
welche nicht.
Dann folgt das inhaltliche Brainstorming. Und tatsächlich: Es ist möglich,
aus diesem Wust von Themen, Ideen einzelne Zeitungsseiten zu formen. Es ist
auch möglich, diese Seiten journalistischen Formaten zu unterteilen. Nun
steht plötzlich eine Gliederung da. Sie lautet: „1. Einleitung, 2. mediale
Entwicklung, 3. gesellschaftliche Veränderungen, 4. Ausblick: Langsamkeit
und Entschleunigung“.
## Betreutes Schreiben, wie in echt
Die Gruppen teilen sich auf. Zusätzlich organisieren sich Leute, die sich
um den reibungslosen Ablauf kümmern. Diese CvDs (Chef vom Dienst) schauen
etwa, ob Grafiken oder Fotos organisiert werden müssen. Sie koordinieren
alle Seiten. Jede Gruppe wird von einem taz-Redakteur beziehungsweise einer
taz-Redakteurin betreut. Betreutes Schreiben, wie in echt.
Die Recherche beginnt. Die Gruppe „mediale Entwicklung“ hat sich
entschieden, das Thema Twitter zu beleuchten. Sie haben die Kritik –
„Twitter ist doch ausgelutscht“ – durch eine Formatidee abgewehrt. Sie
wollen mit einer Redakteurin ein Interview twittern. So soll die Form auch
dem Inhalt folgen. Annabelle und Xavi kümmern sich darum.
Auch die anderen Gruppen ziehen sich zurück. Sie diskutieren, recherchieren
und reden sich müde. Es ist Freitag, 15 Uhr. Am nächsten Tag um diese Zeit
sollen die Interviews schon fertig sein. Der taz-Workshop ist recht
anstrengend.
Um die Sprache kümmert sich wieder Elisabeth Schmidt. Früher war sie einmal
die Textchefin von Vanity Fair. Heute arbeitet sie als Chefredakteurin
einer Online-Zeitung und als Dozentin an allen guten Journalistenschulen in
Deutschland. Sie zeigt, warum Verben so wichtig sind und hilft dabei, aus
einer guten Idee einen guten Text zu machen. Sie bietet eine
Rundumdieuhrbetreuung.
## Das twitter-Interview
Zwei Stunden später. Der Plan der Gruppe, ein twitter-Interview mit einem
Redakteur oder einer Redakteurin zu führen scheint zu scheitern. Annabelle
und Xavi müssen auf die Schnelle einen neuen Gesprächspartner finden. Es
ist schon relativ spät: 17.37 Uhr. Am nächsten Tag – ein Samstag – dürfte
es nicht so leicht werden, einen neuen Interviewpartner aufzutreiben.
Die Deadline ist noch zwei Tage hin – Sonntag, 16 Uhr – trotzdem wächst der
Druck. Als externer Referent redet Hans-Jürgen Jakobs, Chef von sz.de, am
Abend über das Thema Onlinejournalismus. Er erkennt in dem Medium die
Zukunft der Branche. In einer Zeit, in der klassische Geschäftsmodelle der
Verlage an ihre Grenzen gelangten. Dominik, ein Workshopteilnehmer, sagt,
er hätte sich „mehr kritische Statements zum Onlinejournalismus gewünscht.�…
Samstag. Annabelle ruft an. Es ist kurz vor 12 Uhr. Sie haben immer noch
niemanden, mit dem sie twittern können. Sie hören sich leicht nervös am
Telefon an. Denn zu dieser Zeit sollte das Gespräch längst im Kasten sein.
Sie wissen nicht weiter. Selbst Eleonora, die mit ihrer Seite schon viel
weiter ist – sie arbeitet im Team für die eins – sagt: „Ich war erstaunt,
wie lange die Recherche dauert.“
Themen finden, recherchieren, eine Seite und ein Zeitungsdossier zu
komponieren, ist mehr Arbeit, als die meisten der Nachwuchsredakteure und
-redakteurinnen vermuten. Sie lernen zu planen und über den eigenen Artikel
hinaus auch in einer Dramaturgie zu denken
## Abstimmungsschwierigkeiten
Die Gruppe, die sich um die Koordination der Seiten und der Gestaltung
kümmert, will eine Art Ticker über alle Seiten laufen lassen. Aber das
Material dafür muss erst einmal recherchiert werden – parallel dazu sollen
auch die eigenen Texte verfasst und mit den anderen abgestimmt werden.
Die Gruppe, die sich um die gesellschaftliche Einordnung der Eilmeldung
kümmern soll, hat gewisse Abstimmungsschwierigkeiten. Es besteht kurz die
Gefahr einer Dopplung mit der Seite 2. Eine genauere Diskussion der
betroffenen Texte ist nötig. All dies organisieren die Teilnehmer bis tief
in die Abendstunden.
Nächster Tag, Sonntag, Produktionstag. Die letzte Redaktionskonferenz
beginnt schon um 9 Uhr morgens. Die Teilnehmer sehen müde aus. Aber die
Seite stehen. Bis auf die Seite vier. Das Interview mit dem
österreichischen Hirnforscher Gruber ist immer noch nicht da!
Galgenfrist: eine Stunde. Auch die Reportage ist noch in Arbeit. Die Seite
eins dagegen steht. Die Texte müssen lediglich noch auf Zeile gebracht
werden. Nach und nach besuchen nun die Workshopteilnehmer das Layout. Sie
schlagen Textlängen und Bebilderung vor. Revolutionär wieder die vier:
Keine Bilder. Nichts. Nur Text. Es handelt sich um die Seite, die sich mit
Entschleunigung beschäftigt. Bis um 16 Uhr müssen alle Texte in der
Korrektur sein. Es sieht gut aus.
## Geflechte zwischen Politik und Journalismus
Kleine Atempause: Tom Schimmeck diskutiert mit Michael Sontheimer über
Journalismus. Die beiden Ex-tazler sprechen über die Hintergründe der
Medienmaschine Berlin, über Hauptstadtjournalismus und die Geflechte
zwischen Politik und Journalismus. 17 Uhr. Wir nähern uns der Zielgeraden.
Christina, eine Workshopteilnehmerin, die für Entschleunigung sorgt, zieht
ein Fazit: „Missfallen hat mir gar nichts. Der Lerneffekt war viel höher
als ich dachte.“ Bei der Entwicklung der Seite, sagt sie, wäre die Gruppe
zwar „beinahe verzweifelt“. Nur beinahe.
Am Ende stehen vier professionelle Zeitungsseiten. Das Dossier zum Thema
„Eilmeldung. Die informierte Gesellschaft“ geht in den Druck. Essen,
Trinken, Ende. KAI SCHLIETER
Seminar I mit Hans-Jürgen Jakobs: Eilmeldung. Die informierte Gesellschaft.
Das alte Versprechen von Zeitungen, neueste Nachrichten zuliefern, heißt in
der Welt des World Wide Web: Welches Portal hat welche Meldung zuerst? Aber
wie wichtig ist der „Run“ auf die schnelle Meldung wirklich? Geht es um
Temporekorde, die überhaupt keiner mitbekommt? Oder ist für eine
Gesellschaft, die informiert die politische Willensbildung begleitet, nicht
ganz anderes wichtig, nämlich Hintergrund statt eilgemeldeter Vordergrund?
In den Newsrooms der großen deutschen Publikationen geht es um die richtige
Balance zwischen schneller und tiefer Information, zwischen Depesche und
Dossier, zwischen Recherche und Reflektion. Und es geht auch darum, welche
Kanäle für welchen Journalismus taugen.
Hans-Jürgen Jakobs, 53, Volkswirt, hat nach dem Volontariat (Mainzer
Allgemeine Zeitung) in Wirtschaftsmedien (Handelsblatt-Gruppe),
Boulevardpresse (Münchner Abendzeitung), Magazin-Journalismus (Spiegel) und
im Tageszeitungsgeschäft (Süddeutsche Zeitung) gearbeitet. Seit Dezember
2006 ist er als Chefredakteur von [1][sueddeutsche.de] mit der Integration
von Print und Online beschäftigt. Außerdem ist er Autor mehrerer Bücher
("Augstein, Springer & Co.", "Geist oder Geld").
Seminar II mit Elisabeth Schmidt-Landenberger: Sprache im Journalismus. Und
wo bitte geht`s hier zum Thema? Wie man Leser in drei Sekunden loswerden -
oder gewinnen kann.
Elisabeth Schmidt-Landenberger, Jahrgang 1955, hat in Tages- und
Wochenzeitungen und Magazinen als Reporterin (Badische Zeitung, Freiburg),
Ressortleiterin (annabelle, CH), Textchefin ("arte", Straßburg, Vanity
Fair, Berlin) und Chefredakteurin (Zeitung zum Sonntag, Freiburg)
gearbeitet. Seit 10 Jahren unterrichtet sie an Journalistenschulen im In-
und Ausland und hat einen Lehrauftrag an der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg.
Seminar III mit Tom Schimmeck: Journalismus – was soll das Ganze? Beim
Schlussseminar geht es um die Frage, welche Ideale Journalismus heute haben
und wie viel Ethik er sich noch leisten kann. Es geht um
Arbeitsbedingungen, Starallüren, Freiräume und die Rolle des Journalisten
als Teil einer kritischen Öffentlichkeit.
Tom Schimmeck, 50, Mitgründer der taz, ehemals Redakteur von taz, Tempo,
Spiegel, profil und Woche, Autor von FR, Zeit, Süddeutsche, Geo u.v.a.m.,
ist freier Journalist im Bereich Politik, Gesellschaft und Wissenschaft und
produziert derzeit vor allem Hörfunk-Feature. Sein Buch „Am besten nichts
Neues“ erschien im März 2010.
Bei der Auswahl der TeilnehmerInnen wird darauf geachtet, dass eine
interdisziplinäre Gruppe mit unterschiedlichen Vorkenntnissen im
Journalismus entsteht. JedeR kann sich bewerben.
Die je zehn Frauen und Männer pro Workshoptermin sind zwischen 18 und 28
Jahre alt und kommen aus allen Regionen Deutschlands und aus dem Ausland.
Die TeilnehmerInnen des Workshops „Eilmeldung “ [2][finden Sie hier].
31 Oct 2010
## LINKS
[1] http://www.sueddeutsche.de/
[2] /!118866
## TAGS
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