| # taz.de -- Zum Tod Gore Vidals: Ein gefürchteter Spötter | |
| > Der Schriftsteller und Kritiker der US-Politik Gore Vidal ist tot. Bis | |
| > zuletzt blieb der Kriegsgegner und bekennende Homosexuelle ein | |
| > erfrischender Provokateur. | |
| Bild: Hat die Hände nie zum Zeichen der Aufgabe erhoben: Gore Vidal. | |
| „Er wollte einen sicheren Krieg, bei dem die ganze Welt auseinanderfliegt“, | |
| sagte Gore Vidal 2000 in einem Stern-Interview über den ehemaligen | |
| US-Präsidenten John F. Kennedy. „Er wollte Ruhm. Deshalb Vietnam.“ Bush | |
| senior nannte Vidal einen „Despoten“, Bush junior hielt er für schlimmer | |
| als Hitler. | |
| Über Jahrzehnte hatte sich Vidal, berüchtigter Radikaler, Atheist und | |
| unverhohlener Homosexueller, in zahlreichen Büchern kritisch und oft | |
| provokant mit der amerikanischen Politik auseinandergesetzt. Neben | |
| Sachbüchern und Romanen schrieb er Drehbücher und Theaterstücke. Die USA | |
| verglich er immer wieder mit dem römischen Imperium: kriegslüstern und auf | |
| Expansion bedacht. Zu seinen bekanntesten Werke zählen „Myra Beckenridge“, | |
| „Lincoln“ und „Geschlossener Kreis“. Letzteres erschien 1948 und gilt a… | |
| erster Homosexuellenroman der USA. | |
| Nach dem Studium zog der 1925 in West Point geborene Vidal nach Washington | |
| D.C. Sein Großvater war dort Senator und machte ihn früh mit den Kennedys | |
| bekannt. Im Zweiten Weltkrieg diente Vidal als Offizier. Danach begann | |
| seine Karriere als Schriftsteller: Mit 19 Jahren schrieb er den Roman | |
| „Williwaw“, der auf seinen Kriegserfahrungen beruhte. Vidal wurde | |
| schlagartig bekannt. In den 50ern verfasste er Romane, viele davon unter | |
| Pseudonymen, arbeitete für das Fernsehen und Hollywood. Er schrieb das | |
| Drehbuch zu „Suddenly Last Summer“; in „Ben Hur“ war er verantwortlich … | |
| die homoerotische Note. | |
| Seine große Zeit aber hatte Vidal in den 60er und 70er Jahren als | |
| politischer Essayist. Seine spitze Feder war unter Politikern und | |
| Schriftstellern gefürchtet. Auch sein Spott. Vidal verurteilte den | |
| Vietnamkrieg und den Krieg gegen den Irak. Immer wieder machte er sich über | |
| die Prüderie in den USA lustig. | |
| ## Erfolglose Kandidaturen in der Politik | |
| 1960 kandidierte Vidal als demokratischer Kongressabgeordneter, 1982 für | |
| einen Senatssitz – erfolglos. Vidal war verwandt mit dem ehemaligen | |
| Präsidentschaftskandidaten Al Gore, bezeichnete sich als „schwarzes Schaf“ | |
| der Familie. Mit den Kennedys brach er, beschimpfte die beiden großen | |
| Parteien als „Besitz“-Parteien und verachtete das Washingtoner | |
| Establishment als „unsichtbare Regierung“ der Kapitalgruppen. „Die | |
| imperiale Politik wird aufhören, wenn wir bankrott sind“, urteilte Vidal | |
| 2004 pessimistisch in einem profil-Interview. Auch von Obamas Politik | |
| zeigte er sich zuletzt tief enttäuscht. | |
| Ein Linksradikaler war Gore Vidal nicht, eher ein Populist, der an ein | |
| Amerika jenseits imperialer Selbstüberhebung glaubte: Den Anschlag vom 11. | |
| September interpretierte er als verdiente Strafe für die | |
| Weltherrschaftsgelüste der USA, mit dem verurteilten Oklahoma-Attentäter | |
| McVeigh wechselte er Briefe. Trotzdem gehörte Vidals Stimme zu den wenigen, | |
| die über die Kulturszene hinaus gehört wurden. | |
| Die Distanz zum literarischen und politischen Establishment verlor er | |
| zeitlebens nicht – eine Distanz, die beidseitig war. Bis auf den National | |
| Book Award 2009 erhielt er kaum wichtige Literaturpreise. Sein | |
| essayistisches Werk ist noch wenig geordnet – 1993 erschien in den USA ein | |
| Vidal-Reader („United States“), in Deutschland gibt es nichts | |
| Vergleichbares. | |
| Mit seinem Lebensgefährten Howard Austen lebte der Schriftsteller | |
| jahrzehntelang in Italien. Gore Vidal verstarb nach langer Krankheit im | |
| Alter von 86 Jahren in Los Angeles. | |
| 1 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Sonja Vogel | |
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